Kapitel 46

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Pov Jeon Jungkook

Stumm betrachtete ich den Jungen, welcher sich in meine Arme kuschelte. Tae lag zwischen meinen Beinen, sein Kopf auf meiner Brust abgelegt. Immer wieder fuhr ich ihm durch seine braunen Haare, während er friedlich schlief. Vorsichtig zog ich ihm die Decke weiter nach oben, damit sie seine Schultern ganz bedeckte.

Ein kleines Seufzen entfuhr mir, worauf ich die anderen ansah. Im Raum war es mucksmäuschenstill. Jeder war in seinen Gedanken versunken und versuchte das Geschehene zu verarbeiten. Alle sahen starr den Boden an, bis auf Jimin. Dessen Blick lag die ganze Zeit auf Tae, während ihm stumm Tränen die Wangen hinunterliefen.

In jedem ihrer Gesichter konnte man ablesen, wie sie sich alle fühlten. Ihren Schock, ihre Trauer und wie sehr sie sich zusammenreissen mussten, um nicht jetzt loszuheulen. Selbst wenn ich sie mehrere Monate nicht gesehen habe, kannte ich sie immer noch so gut wie damals. Sie haben sich kein bisschen verändert... Vielleicht waren wir einfach erwachsener geworden, hatten gelernt, wie sehr das Leben manchmal zurückschlagen konnte...

Ich wollte mir überhaupt nicht vorstellen, was für Vorwürfe sie sich gerade machten. Aber bei mir sah es nicht anders aus... Jedes einzelne Wort, welches ich ihm an den Kopf geworfen habe, bereute ich zutiefst. Jedes dieser Wörter hinterliess ein erdrückendes Gefühl in meiner Brust. Herzschmerz...

Wahrscheinlich wäre es gar nicht dazu gekommen, wenn ich einfach wie ein normaler Mensch mit Taehyung geredet hätte. Wenn ich ihm zugehört hätte und ihm vertraut hätte. Ich als sein fast dreijähriger, fester Freund hätte sehen müssen, wie es ihm ging. Wie zerbrochen er ist... Aber nein, ich musste ja meine Emotionen komplett überlaufen lassen und alles zerstören...

Aber ich war einfach so verletzt und geblendet... Hätte ich ihn bloss ausreden lassen und wäre für ihn dagewesen. Doch nichts von all dem tat ich. Ich habe ihn verurteilt, ohne seine Version zu hören. Ich war in diesem Moment einfach so unendlich enttäuscht von mir selbst... Wie automatisch legte sich mein Blick wieder auf Tae. Sanft begann ich mit seinen Haaren zu spielen und sah ihn verträumt an. Wie sehr ich ihn vermisst habe... Wie konnte ich nur ohne ihn...

Müde fuhr ich mir durch meine Haare und wechselte meinen Blick auf Jin, welcher sich um Mie kümmerte. Ein sanftes Lächeln schlich sich auf meine Lippen, als ich die beiden beobachtete. Ich hatte also wirklich eine Tochter... Mit dem wunderschönsten Mann auf dieser Welt, welchen ich verletzte...

Draussen auf der Brücke war er bereits vor Erschöpfung in meinen Armen eingeschlafen, worauf wir beschlossen wieder zurück in Jins und mein Apartment zu gehen. Tae trug ich den ganzen Weg zurück. Den Weg, welchen wir alle stumm und ausgepowert zurückliefen. Ich wollte ihn nicht mehr alleine lassen. Nie mehr...

Die ganze Zeit liefen immer wieder die Bilder auf der Brücke in meinem Kopf auf und ab. Wie er mit tränenden Augen zu mir hoch sah und mich bat ihn loszulassen... Immer wieder blitzten sie vor meinem inneren Auge auf und nahmen mir für ein paar Sekunden die Luft zu atmen weg. Eine Gänsehaut zierte meine Arme, während ich Tae fest in meinen Armen hielt. Nein... ich werde ihn nicht mehr alleine lassen.

"Wir müssen ihm helfen.", murmelte Jimin leise in die Stille hinein, worauf wir alle aus unseren Gedanken gerissen wurden. Zögerlich nickte ich. Er braucht auf jeden Fall Hilfe und die werden wir ihm geben. So viel wie er auch nur brauchte.

"Leute ich denke wir reichen nicht...", meinte Yoongi worauf ich verirrt eine Augenbraue hochzog. Wie... wie meint er das? Ein kleines Seufzen entfuhr ihm als er meinen fragenden Blick sah. "Er braucht professionelle Hilfe. Natürlich werden wir ihn auch unterstützen, aber ich glaube es wäre besser so..."

"A-aber er muss nicht in eine Psychiatrie, oder?" Dieser Gedanke lief mir kalt den Rücken hinunter. Ich wollte nicht, dass er von uns getrennt war. Nachdenklich zuckte Yoongi Hyung mit seinen Schultern und fuhr sich nervös durch die Haare. "Das wissen wir nicht Kookie...", antwortete Jin mir sanft, da Yoongi meine Frage nicht beantworten konnte.

"Wir machen nichts womit er nicht einverstanden ist, okay? Aber ich denke ihn zu einem Psychologen zu bringen, mit welchem er ein paar Mal reden könnte wäre nicht schlecht..." Erschöpft kaute ich auf meiner Unterlippe herum. Der Gedanke an eine Psychiatrie gefiel mir nicht wirklich, aber ich denke am Schluss weiss Tae am besten, was ihm helfen wird.

Schliesslich nickte ich dennoch als Bestätigung, worauf Jin mich sanft anlächelte. Müde legte ich meinen Kopf auf Taes ab und genoss seine Nähe, welche mir wirklich gefehlt hatte. "Geh ins Bett. Wir werden morgen über alles reden, okay?", meinte Hobi zu mir. Seufzend nickte ich einfach wieder und erst jetzt spürte ich wirklich die Müdigkeit, da das Adrenalin langsam aber sicher aus meinem Körper verschwand.

"Wir werden morgen mit Tae reden und uns alle bei ihm entschuldigen. Wir dürfen ihn einfach nicht überfordern und vor allem gut aufpassen was wir sagen." Während die anderen noch kurz darüber redeten, wie wir es morgen angehen sollten, verabschiedete ich mich von ihnen.

Vorsichtig stand ich auf, worauf Tae ein unzufriedenes Brummen von sich gab, was mich leicht zum Schmunzeln brachte. Ich legte meine Hände unter seine Kniekehlen und seinen Oberkörper, um ihn hochzuheben. Zärtlich drückte ich ihn an mich, worauf er sich wieder an mich kuschelte. Ich war ganz gefangen von diesem süssen Anblick, bis mir auffiel, wie leicht er war. Was machst du denn nur...?

Als ich es schaffte meine Augen von Tae loszureissen, wendete ich mich an Jin. "Jinnie?" Fragend sah er mich an, nachdem er sich aus dem Gespräch der anderen ausgeklinkte. "Kann ich Mie noch kurz bei dir lassen? Ich will Tae zuerst ins Bett bringen und dann nehme ich die Kleine zu uns."

Schmunzelnd sah er Tae und mich an, bevor er nickte. "Ist gut. Pass auf die beiden auf, ja?" Verträumt sah ich Mie an. Ich werde die beiden nie wieder allein lassen. Nur über meine Leiche. Nachdem ich Jin und Hobi mein Wort gab, lief ich mit Taehyung in meinen Armen in mein Zimmer.

Ohne den Lichtschalter zu betätigen, legte ich ihn vorsichtig in meinem Bett ab und deckte ihn ordentlich zu. Sofort kuschelte er sich in das Kissen und umarmte es von der Seite. Sanft strich ich mit meinem Daumen über seine Wange, worauf er leicht schmatzte. Leicht lächelte ich. Er konnte manchmal so ein Baby sein. Aber mein Baby...

Ich tat schon einmal den Fehler und liess ihn allein, doch diesen Fehler werde ich bestimmt nicht noch einmal wiederholen...

Someone you loved / KookVWo Geschichten leben. Entdecke jetzt