Kapitel 69

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Eigentlich müsste diese Frau, die gefühlt jeder Polizist in Seoul sucht, in kürzester Zeit auffindbar sein, aber scheinbar hatte sie diese Flucht geplant und nicht aus dem Affekt gehandelt. Sie hatte den Tag abgepasst, an dem Jeon Jungkook alleine daheim sein würde und hatte ihn dann beobachtet. Auch den Fluchtweg hatten seine Kollegen während der Spurensuche entdeckt, der sich hinter einem größerem Busch im Garten eines Anwohners befand. Ins Haus ist sie mit einem Schlüssel gekommen, den sie wohl über den Schlüsseldienst eines Verwandten mitgehen lassen konnte, ohne dass dieser es bemerkt hatte. Sie wussten also somit fast ihr ganzes Vorgehen, aber nicht wo sie gerade war. Auch ihren Mann, den seine Kollegen sofort in Gewahrsam genommen haben, konnte ihnen keine wichtigen Ansätze liefern. Scheinbar kannte er seine Frau nicht so gut, wie er glaubte. 

Er dachte an das, was ihm noch bevor stand. Ihm graute es regelrecht davor ins Krankenhaus zu gehen und keine hilfreichen Informationen liefern zu können. Trotzdem war es seine Pflicht Kim Taehyung darüber aufzuklären, wie weit sie in der Suche nach seinem Sohn waren. Nachdem, was er im Haus vorgefunden hatte, glaubte er nicht das Jeon Jungkook in den nächsten Stunden ansprechbar war, wenn er das überhaupt jemals wieder war, aber diesen Gedanken schob er lieber in die hinterste Ecke seines Kopfes. So, in ein Gespräch mit Angehörigen zu gehen, war nie eine gute Idee. Er hoffte jetzt einfach, dass sich auf dem Weg zum Krankenhaus etwas tat, damit er nicht mit leeren Händen dort erschien.

...

Ein Mann kam gehetzt mit OP Haube und Maske aus einer Tür, mit der Aufschrift "nur für Personal", gerannt. Er schaute sich kurz um und lief dann eilig zu ihnen. "Herr Kim?" Der Angesprochene schaute ihn müde und aus rot geränderte Augen an. Er schafft es gerade mal zu nicken. "Herr Jeon wird gerade operiert. Frau Dr. Kim hat ihr kleines Mädchen wohlbehalten entbinden können und sie wird gerade auf die Station für Frühchen gebracht. Bei der Entbindung ging es ihrer Tochter den Umständen entsprechend gut, alles weitere erfahren sie direkt auf der Station. Bei Herr Jeon muss ich ihnen leider sagen, dass wir immer noch mitten drin sind. Er hatte eine Plazentaablösung. Die Folgen waren starke innere Blutungen und ein hoher Blutverlust mit Schock. Mehr kann ich ihnen gerade nicht sagen und würde wieder zurück in den OP gehen. Ich versuche ihnen stündlich ein Update zu geben." Damit verbeugte er sich kurz vor ihnen und lief schnell wieder in die Richtung, wo er her kam. 

Wieder liefen Tae die Tränen runter und vom ganzem Reiben im Gesicht war seine Haut schon ganz entzündet. Aufschluchzend lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und griff fest nach seinen Oberschenkeln. Er war so angespannt, wusste nicht was er zu erst tun sollte: Nach seinem kleinen Mädchen schauen, die Polizei wegen Taeguk anrufen, vielleicht sogar gleich selber auf die Suche gehen oder hier sitzen bleiben, wegen der Angst etwas nicht mit zu bekommen. Vielleicht würden sie im nächsten Moment zu ihm kommen und ihm sagen, dass er ein letztes Mal seinen Freund sehen durfte und dann war er nicht da... Er hielt die Luft an und versucht gegen die Tränen anzukämpfen, die bei dem Gedanken sich erneut bilden wollten. 

Yoongi schaute Tae die ganze Zeit an und bemerkte jede kleine Veränderung von diesem. "Hör auf! Egal was du gerade denkst: Hör auf! Wir werden jetzt zu deiner Tochter hoch gehen..." Tae sah aus, als ob er Einwände hätte, aber Yoongi ließ ihm keine Möglichkeit zu Wort zu kommen. "Der Rest bleibt hier unten und sagt dir telefonisch sofort Bescheid, wenn sich etwas neues ergibt und wegen Taeguk: Wir können gerade gar nichts tun! Wir sind in der Suche nach Taeguk völlig fehl am Platz, weil wir diese Frau nicht mehr kennen! Durch ihre Krankheit hat sie sich so sehr verändert, dass du der Polizei nicht weiter helfen kannst. Wir werden also das einzig Vernünftige tun und deiner kleinen Tochter Gesellschaft leisten! Und jetzt Komm!" Yoongi hielt ihn am Arm fest und zog ihn hinter sich her. Tae stolperte etwas und passte sich kurz darauf dem Tempo seines Hyungs an. 

Oben angekommen lief Yoongi sofort zu einer Krankenschwester und fragte sie nach der Station für Frühchen. Sie brachte sie sogleich dahin und sagte der Ärztin Bescheid, die dort tätig war. Sie schaute zu ihnen und gab dann noch kurz ein paar Aufgaben für ihre Kollegen weiter. Dann war ihre ganze Aufmerksamkeit auch schon bei den zweien, die etwas unschlüssig im Raum standen. "Freut mich, sie hier Willkommen zu heißen. Mein Namen Dr. Kim und ich habe dabei geholfen ihre kleine Tochter auf die Welt zu holen, Herr Kim. Meine Untersuchungen habe ich gerade abgeschlossen. Wenn sie möchten können wir ihren kleine Engel mal anschauen..." Ohne eine Antwort abzuwarten lief zu einem Behälter der mit vielen Schläuchen versehen war. Als Tae rein schaute merkte er wie Untertrieben die Ärztin hatte. Seine Tochter war nicht nur klein, sie war winzig, vielleicht gerade mal so groß, wie seine Hand. Selbst das könnte sogar zu viel sein. 

Ihm stiegen wieder die Tränen in die Augen, deswegen übernahm Yoongi das Sprechen für ihn. "Hat sie eine Chance zu überleben, wenn sie noch so klein ist?" Die Ärztin schien überrascht über solch eine Direktheit. "...Erfrischend...", sagte sie leise und lächelte ihn an. "Die medizinischen Möglichkeiten sind bereits so ausgereift, dass sogar ein Baby ab der 32 Woche gute Chancen hat zu überleben. Ihr Baby, Herr Kim, ist bereits 35 Wochen alt und daher besser entwickelt. Wie sie beide sehen können hat sie alles was sie braucht. Sie ist nur etwas kleiner als normal. Wäre sie also länger im Bauch geblieben, wäre sie nur noch gewachsen. In diesem Fall übernimmt dieser Inkubator diese Arbeit. Wenn sie möchten haben sie als Papa die Möglichkeit ihr kleines Mädchen zu berühren. Es gibt den Frühchen viel Sicherheit und Wohlbefinden, wenn sie Kontakt zu jemanden haben." 

Überfordert blickt Tae von seiner Tochter zur Ärztin. "Möchten sie?" Yoongi stupste ihn von der Seite an, weil Tae nicht reagierte. Schnell nickte er und die Ärztin sagte ihm was er zur Vorbereitung machen sollte. Als er fertig war setzte er sich auf einen kleinen Hocker vor dem Inkubator und steckte seine Hände in die zwei Öffnungen. "Ganz besonders genießen Babys es, wenn man sie am Kopf und an den Füßen gleichzeitig berührt. Sie können auch mal schauen, ob sie vielleicht nach ihrem Finger greift..."

Familie - Taekook Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt