Tankstellenblumen

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Liam nickte verstehend und deutete seinem besten Freund an zurück in dessen Büro zu gehen.
Harry folgte seinem besten Freund mit einem unwohlen Ziehen in der Magengegend.
Im Büro angekommen setzte sich Liam auf das kleine Sofa, welches in der hinteren Ecke des Raumes stand. Harry hatte es noch nicht lange, gerade mal zwei Wochen stand das schwarze Teil in seinem Büro.
"Möchtest du etwas trinken?". Liam nickte und sah auf die Whiskeyflasche auf einem kleinen Beistelltisch. Wenn er schon um diese Uhrzeit unterwegs war, konnte er sich auch einen Drink genehmigen. Und Harry sah eh so aus, als wenn er diesen Drink bitter nötig hatte.
So setzte sich Harry also mit zwei Gläsern Whiskey auf Eis neben seinen besten Freund, reichte ihm eines davon und sah dann betreten auf seine Knie, ehe er einen Schluck des Getränkes nahm und das angenehme Brennen in seiner Speiseröhre genoss.
Es war einige Minuten still, bis Liam sich räusperte und das Gespräch anfing. Wenn er darauf warten würde, dass sein bester Freund den ersten Schritt machen würde, würden sie vermutlich noch morgen hier sitzen.
"Ich kann dich verstehen, Haz. Das Alles muss für dich einfach unglaublich verwirrend und verletzend sein."
Der Lockenkopf nickte. Er wusste nicht, was er denken sollte.
"Aber-", fuhr Liam fort und sah den Lockenkopf an, der noch immer seinen Blick gesenkt hatte. "Niall hätte das nicht einfach so erzählt, wenn er sich nicht zu hundert Prozent sicher wäre. Wenn er sich unsicher gewesen wäre, dann wäre er erst zu mir gekommen und hätte mit mir darüber geredet, statt gleich zu Louis zu fahren. Niall ist keiner, der einfach tratscht. Wenn er etwas zu sagen hat, dann ist er sich absolut sicher dabei."
Der Lockenkopf blieb stumm. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass Jane ihm sowas antun würde. Ihn betrügen, okay, das war die eine Sache. Er hatte mittlerweile eingesehen, dass, auch wenn er es nicht glauben konnte, es durchaus sein könnte, dass Jane ihn betrogen hatte. Wie gesagt, er glaubte es zwar nicht, aber - naja, theoretisch könnte es sein.
Ihm aber ein Baby unterzujubeln, ihm in den Glauben zu lassen es wäre seins und sich dabei vollkommen unsicher zu sein wer der Vater war, oder aber ihn voller Absicht glauben zu lassen, dass er der Vater war - nein. Das brachte selbst Jane nicht übers Herz. So kaltblütig war sie nicht.

"Haz". Liam legte seine Hand auf den Oberschenkel seines besten Freundes und bekam endlich Harrys Blick. "Du musst mit ihr darüber sprechen und wir wissen alle, dass es nur eine einzige Möglichkeit gibt, herauszufinden wer der Vater dieses Babys ist."
"Ein Vaterschaftstest", hauchte Harry leise und Liam nickte.
"Man kann sogar schon einen machen, wenn das Baby noch nicht geboren ist. Der bringt allerdings einige Risiken mit sich.". Der Lockenkopf nickte. Er hatte schon einige Male einen Fall vertreten, bei dem es um genau solche Situationen ging. Die Wahrscheinlichkeit einer Fehlgeburt stieg dabei allerdings enorm an.
"Ich kann nicht riskieren, dass dem Baby was passiert. Es kann doch nichts dafür."
Harry würde es sich niemals verzeihen, wenn Jane eine Fehlgeburt hätte. Egal, ob es jetzt sein Baby war, oder nicht.
"Dann warten wir, bis das Baby da ist. Aber bitte, rede mit ihr darüber. Vielleicht schenkt sie dir reinen Wein ein. Vielleicht kann sie dir erklären, was Niall da gehört hat."
Vielleicht ist alles ein ganz großes Missverständnis, dachte sich Harry, behielt es aber für sich. Er konnte es einfach alles nicht glauben.
"Aber bis dahin solltest du mit Louis reden. Er macht sich schreckliche Sorgen um dich." - "Ich habe mich ihm gegenüber wie der letzte Arsch verhalten".
Das schlechte Gewissen in Harry nahm zu. Die letzten Tage hatte er Louis wie Luft behandelt. Er hatte es für vollkommen verständlich gehalten, dass Louis sich um die Mädchen kümmerte, sie in den Kindergarten brachte, abholte und mit ihnen zu Mittag aß.
Er war wirklich ein Arsch.

~~**~~

Leise betrat Harry die Wohnung.
Er wusste nicht, ob Louis noch wach war, aber für den Fall, dass sein Freund noch nicht schlief, hatte er noch schnell einen Blumenstraß besorgt. Zwar leider nur an einer Tankstelle, aber die Geste sollte zählen, nicht das überteuerte Ding aus drei Rosen und ein bisschen Grünzeug.
Als der Anwalt seinen Mantel an die Garderobe hing, sah er einen schmalen Lichtspalt aus der Küche kommen. Sein Freund war also noch wach.
Nervös umklammerte Harry den Blumenstrauß und betrat dann unsicher die Küche. Sein Freund saß am Esstisch über ein Blatt Papier gebeugt und schien vollkommen in Gedanken zu sein. Neben ihm thronte bereits ein großer Stapel und anhand der vielen roten Tinte darauf, schlussfolgerte Harry, dass Louis Arbeiten korrigierte.
Er wartete also, still und ohne sich zu bewegen in der Küchentür, bis Louis die letzte Note zusammen mit seiner Unterschrift auf das Blatt schrieb, es dann fein säuberlich auf den Stapel legte und dann zu seinem Freund sah.
Natürlich hatte Louis den Anwalt bemerkt. Harry war nun mal ein kleines Trampeltier und konnte sich beim besten Willen nicht anschleichen. Als Louis den Blumenstrauß erblickte, wurde ihm ganz warm ums Herz, obwohl er eigentlich tierisch sauer auf den Lockenkopf sein sollte.
Aber irgendwie...Louis konnte es nicht. Er wusste, dass es für Harry keine leichte Situation war und auch wusste Louis nicht, wie er selbst reagieren würde, wäre er in dieser Situation.
"Hi", kam es leise und unsicher von Harry, der sich noch immer am Blumenstrauß festklammerte, als wenn genau dieser sein letzter Halt war.
Der Lehrer stand auf, öffnete eine Schranktür und holte eine kleine Vase hervor. Er befüllte diese mit Wasser und hielt sie seinem Freund hin, damit die eh schon verwelkten Blumen wenigstens ein bisschen Wasser bekamen.
"Die...die sind für dich", murmelte Harry und stellte die Blumen in das Wasser. Er war so ein schrecklicher Freund und ein ebenso schrecklicher Vater. Er hatte nicht nur Louis vernachlässigt, sondern auch Vic.
Der Lehrer stellte die Blumen auf die Arbeitsplatte und verschwand auf den Balkon. Sein Lockenkopf folgte ihm und als Louis sich eine Zigarette anzündete, tat Harry es ihm gleich.
"Es...es tut mir Leid, Love. Ich war grauenvoll zu dir". Harry sah in die Ferne, zog an der Zigarette und gab ein leises Seufzen von sich.
"Ich...ich bin einfach so überfordert mit der Situation. Ich meine...scheiße, ich kenne Jane mein halbes Leben und kann mir einfach nicht vorstellen, dass sie so skrupellos sein soll". Der Lockenkopf schüttelte seinen Kopf, sah zu seinem Freund und schluckte den dicken Kloß in seinem Hals herunter.
"Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass aus der Frau, die ich einst geliebt habe so ein Monster geworden ist.".
Louis drückte die Zigarette im Aschenbecher aus und ging auf seinen Freund zu. Sanft legte er seine Hand auf die Wange des Lockenkopfes und sah diesem in die Augen. "Heißt das, du glaubst Niall?", wollte er wissen und bekam ein Nicken und ein Kopfschütteln zugleich. Frustriert schloss Harry seine Augen und war den Tränen nahe.
"Ich weiß nicht was ich glauben soll, Louis."

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