Während Harry auch den zweiten Teil der Verhandlung gut meisterte, und sich zusammennahm, um nicht ständig zu Louis' zu schielen, versuchte er noch immer, die peinliche Situation auf der Toilette aus seinen Gedanken zu verdrängen.
Obwohl dies mehr schlecht als recht funktionierte, schaffte er es - irgendwie - vor dem Staatsanwalt ohne irgendwelche peinlichen Zwischenfälle auf Freispruch zu plädieren und sich nichts anmerken zu lassen.
Louis hingegen saß noch immer beschämt, mit knallroten Wangen im Publikum und wusste ganz genau, dass er die Chance, sich nichts anmerken zu lassen, bereits um Längen verpasst hatte und sich vor seinem Kollegen eine Ausrede einfallen lassen musste.
Das Problem dabei war nur, dass er sich auf nichts anderes konzentrieren konnte, als auf den Anwalt, der den Richter längst um den Finger gewickelt, und den Prozess bereits so gut wie gewonnen hatte.
Seufzend verschränkte Louis also die Arme vor der Brust und schielte in beide Richtungen, um trotz allem ein Auge auf seine Schüler zu haben.
Die schienen gelangweilt das Geschehen im Gerichtssaal zu verfolgen, ohne auch nur einen Funken Interesse an der Verhandlung zu zeigen. Aber vermutlich war das auch ganz gut so, denn so konnten sie auch nicht bemerken, dass ihr Lehrer mit hochrotem Kopf neben ihnen saß, seitdem er kurz mal zur Toilette' gegangen war.Natürlich - und eigentlich war ihm das von Anfang an klar gewesen - hatte Harry die Verhandlung letztendlich gewonnen. Die Sachlage war klar, und seine Mandantin unschuldig gewesen. Gott sei Dank hatte der Anwalt sowohl den Richter, als auch den Staatsanwalt davon überzeugen können, und die Verteidigung der Gegenseite in Grund und Boden argumentiert. Das konnte er gut - erst ablassen, wenn er zu seinem Recht kam.
Seine Mutter hatte immer gesagt, Harry gäbe den perfekten Anwalt ab, da er ohnehin erst Ruhe gab, wenn er Recht hatte - schlimmer, als jede Frau.
Bei der Erinnerung an diesen Satz musste er grinsen, während er die Robe auszog und in den Taschen seines Anzugs nach seinen Autoschlüsseln kramte.
Erschrocken fuhr er zusammen, als die Tür zum Umkleideraum mit Schwung geöffnet wurde, atmete aber erleichtert auf, als er sah, dass es bloß Liam war.
Dieser grinste ihn sofort verschwörerisch an, und verschränkte die Arme vor der Brust. Fährst du jetzt zu Louis?"
Nun wurden auch Harry's Wangen rot. Halt die Klappe."
Was denn?", grinste Liam, Das war doch eine ganz normale Frage."
Mit einem noch immer amüsierten Ausdruck im Gesicht ging Liam an seinem besten Freund vorbei und streifte sich ebenfalls die Robe über den Kopf. Seit wann bist du denn so empfindlich?"
Harry verdrehte entnervt die Augen. Meine Güte, ist ja gut", fauchte er, Ich hoffe nur für dich, dass du zu niemandem ein Wort über die Sache verlierst."
Demonstrativ formte Liam mit seinen Fingern einen Schlüssel, führte diesen an seinen Mund und ahmte das Zusperren eines Schlosses nach, ehe er den Schlüssel weit weg warf. Ich schweige wie ein Grab."
Ernsthaft, Liam", Harry blickte seinen besten Freund beinahe flehend an. Du darfst mit niemandem darüber sprechen. Noch nicht einmal mit Niall."
Kichernd fuhr Liam sich durch das dunkle Haar. Niall wird doch ohnehin von Louis davon erfahren."
Verdammt, dachte Harry, daran hatte er gar nicht gedacht. Er strich sich eine Strähne des lockigen Haares aus der Stirn und spürte, wie seine Wangen noch immer glühten.
Hey", Liam ging einige Schritte auf seinen besten Freund zu und legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter. Wovor hast du solche Angst?"
Schulterzuckend ließ Harry sich auf eine der Bänke fallen und legte den Kopf in beide Hände.
Liam saß sich neben ihn und schlang einen Arm um die breiten Schultern des Anwalts.
Diese Sache bringt einfach alles durcheinander", Harry spürte, dass er begann, zu zittern. Ich hatte noch nie so intensive Gefühle für einen anderen Menschen, dabei bin ich mit Jane verheiratet, Liam, und habe eine Tochter mit ihr - natürlich macht mir das Angst."
Seufzend rückte Liam ein Stück näher an seinen besten Freund und könnte ganz genau spüren, wie sein Oberkörper zitterte. Ich weiß", flüsterte er, Und ich weiß auch, dass das ganze nicht einfach ist. Aber als dein bester Freund muss ich ehrlich zu dir sein, Harry - und du weißt, ich kann Jane nicht leiden - kann ich wirklich nicht -; aber es ist nicht fair ihr gegenüber, hinter ihrem Rücken mit Louis zu schlafen, dich mit ihm zu treffen, sogar mit ihm nach Paris zu fliegen, und ihr nichts davon zu erzählen, bloß, weil es für dich im Moment bequemer ist. Du musst mit ihr reden."
Obwohl Harry sich mit aller Kraft dagegen wehrte, fühlte er bereits die ersten, heißen Tränen über seine Wangen fließen. Er wusste, dass Liam recht hatte, und die Tatsache, dass er Jane eigentlich nicht leiden konnte, verlieh seinen Worten eine besonders grausame Ehrlichkeit - denn obwohl er sie nicht leiden konnte, nahm er sie vor ihm in Schutz.
Was musste Harry bloß für ein grausamer Mensch sein?
Das ist nicht so einfach", gab Harry zurück, während er den Kopf noch immer nicht aus den Händen genommen hatte, und versuchte, das Zittern in seiner Stimme zu verbergen. Ich dachte jahrelang, ich hätte mir genau das Leben aufgebaut, das ich mir immer gewünscht habe - Frau, Kind, ein Haus, in dem wir uns wohl fühlen und genug Platz haben, ab und zu ein Urlaub -, und jetzt scheint all das über mir zusammenzubrechen..."
Liam griff vorsichtig nach Harry's Armen und zog die Hände aus seinem Gesicht. Ich kann dich verstehen, Harry. Ein kompletter Umbruch ist nie leicht, aber wenn es wirklich das ist, was du möchtest, dann musst du dafür kämpfen. Diese Situation wird sich nicht von alleine regeln."
Denkst du, ich weiß das nicht?", zischte Harry, während er sich die salzigen Tränen von den Wangen wischte, Aber das wird doch kein Mensch verstehen! Ich hatte alles, was ich mir je gewünscht habe, und verdammt, ich habe noch nie einen Gedanken daran verschwendet, dass sich das einmal ändern könnte. Und dann kommt ein Fremder in mein Leben und wirft alles durcheinander!"
Liam bemühte sich, mit ruhiger Stimme zu sprechen: Bist du dir denn sicher, dass du Louis wirklich liebst?"
Ja", antwortete der Anwalt, ohne zu zögern, Genau da liegt doch das Problem."
Dann geh und sag es ihm", schlug Liam vor, Aber vor allem, Harry, musst du es deiner Frau sagen."
Während Liam ein Taschentuch aus seiner Anzugstasche zog und schließlich Harry überreichte, nahm er den Arm von seinen Schultern und legte ihn stattdessen brüderlich auf seinen Rücken. Das ist nichts, wofür du dich schämen musst, Harry."
Ach nein?", fuhr Harry ihn an, Ich habe meine Frau betrogen, meine eigene Tochter angelogen, und generell habe ich einfach alles falsch gemacht, was man nur falsch machen kann."
Liam seufzte und blickte seinen besten Freund ernst an. Das meine ich doch gar nicht", berichtigte er den Anwalt. Ich habe nur das Gefühl, dass du dich schämst, weil Louis ... ein Mann ist."
Entschlossen schüttelte Harry den Kopf. Deshalb bin ich höchstens verwirrt, aber nicht beschämt."
Liam stand auf und klopfte Harry brüderlich auf die Schulter. Gut", schloss er schließlich und klatschte in die Hände. Ich muss jetzt zurück in die Kanzlei. Fahr zu Louis, und versuche, eure gemeinsame Zeit zu genießen."
Nickend erhob sich nun auch Harry, und warf einen Blick auf seine Uhr. Er würde ohnehin zu spät kommen.
Bis morgen", rief Liam ihm über die Schulter zu, als er seine Aktentasche von einer der Bänke griff und damit auch schon zur Tür hinaus war.
Bis morgen", murmelte Harry, obwohl er ganz genau wusste, dass sein bester Freund ihn eigentlich gar nicht mehr hören konnte.Etwa eine halbe Stunde später kam er in Louis' Wohnung an - glücklicherweise hatte er für heute keine Termine mehr gehabt, und die Akten, die er hätte studieren sollen, würde er einfach morgen dran hängen.
Auch, wenn er wusste, dass das eine höchst unvernünftige Arbeitseinstellung war, konnte er einfach nicht anders. Er musste Louis sehen, auch wenn er dabei seine Prinzipien verletzte, was ihn mindestens genauso sehr überraschte wie ängstigte.
Ich dachte schon, du kommst nicht mehr", witzelte Louis, während er Harry zur Tür hereinließ. Der zitternde Unterton seiner Worte ließ allerdings erahnen, dass er dies tatsächlich befürchtet hatte, und hinterließ einen bitteren Beigeschmack.
Harry zog sich Schuhe, Mantel und Schal aus und sah den wunderschönen Mann mit den blauen Augen entschuldigend an. Es tut mir wirklich leid", gab er schließlich zu und drückte Louis einen Kuss auf die Stirn. Ich habe mich noch kurz mit Liam verratscht, und der Verkehr war eine Katastrophe..."
Louis grinste. Das ist er doch immer."
Louis kam dem Anwalt gefährlich nahe, und machte kurz vor seinen Lippen halt. Harry fand es schrecklich niedlich, wie er sich dabei fast auf die Zehenspitzen stellen musste. Dann können wir ja jetzt da weitermachen, wo wir vorher aufgehört haben..."
Obwohl Harry's schlechtes Gewissen noch immer in ihm loderte, schob er es hastig beiseite und drückte seine Lippen begierig auf die des Lehrers.
Seufzend zog Louis ihn enger an sich, streifte ihm das Jackett seines Anzugs über die Schultern und machte sich ohne große Umschweife an den Knöpfen seines Hemdes zu schaffen.
Grinsend griff Harry nach seiner Hand und hielt sie einen Moment lang in seiner. Da ist jemand aber ganz schön ungeduldig", flüsterte er mit rauer Stimme gegen Louis' Ohr, so nah, dass dieser seinen Atem spüren konnte, was einen Schauder über den Rücken beider Männer jagte.
Das ist nicht meine Schuld", verteidigte sich der Lehrer augenblicklich, Du hast mir auf der Toilette doch so heiße Versprechungen gemacht - das heißt, bevor Liam vor der Tür stand."
Harry kicherte wie ein Schuljunge. Du meinst wohl eher, während er vor der Tür stand."
Wieder nahmen Louis' Wangen diese beschämte, hochrote Farbe an und er vergrub das Gesicht in der Brust des Anwalts. Hast du vorhin darüber mit ihm gesprochen?"
Kurz dachte Harry darüber nach, eine kleine Notlüge zu erfinden, weil ihm die Sache unangenehm war - es machte ihn verletzlich, zuzugeben, dass er mit seinem besten Freund darüber gesprochen hatte. Immerhin offenbarte es, dass er mit der Situation alleine überfordert war.
Zum anderen war er sich nicht sicher, ob Louis sich nicht dafür schämen würde - immerhin waren die Dinge, die zwischen ihnen vorfielen, sehr intim; auch, wenn spätestens seit dem peinlichen Zwischenfall in der Toilette des Amtsgerichts klar gewesen war, dass Liam Bescheid wusste.
Dann allerdings kam Harry zu dem Schluss, dass er ehrlich zu Louis sein musste - eine Beziehung sollte man auf einem soliden Fundament aufbauen, und nicht auf Lügen.
Ja", gestand er schließlich und senkte den Blick, während Louis sich ein Stück weit von ihm löste. Aber wir haben weniger über dich gesprochen, als über die Tatsache, dass mich meine heftigen Gefühle für dich verwirren - auf eine positive Art und Weise. Ich weiß nur noch nicht, wie ich damit umgehen soll."
Louis war deutlich anzusehen, dass er nicht so recht wusste, was er von dieser Aussage halten sollte, und ob sie nun gut oder schlecht war - schließlich aber fand sich ein Lächeln auf seinen Lippen. Du musst dich nicht schlecht fühlen, weil du mit ihm darüber gesprochen hast. Er ist immerhin dein bester Freund; hin und wieder braucht man ganz einfach Rat von außen, wenn man selbst nicht mehr weiter weiß."
Obwohl er wusste, dass sein gegenüber Recht hatte, stieß Harry ein tiefes Seufzen aus. Da liegst du schon richtig", meinte er schließlich zögernd, Aber das Problem hierbei ist ja nicht, dass ich mir nicht eingestehen will, dass ich etwas für dich empfinde, sondern dass ich es mir längst eingestanden, und Angst vor den Konsequenzen habe."
Louis ging wieder etwas näher auf ihn zu und verschränkte ihre Finger miteinander. Das weiß ich. Und das verstehe ich", erklärte er, ohne seinen Blick von dem Grün in Harry's Augen zu nehmen. Für den Moment sind mir deine Versprechen genug - solange es nicht nur bei solchen bleibt."
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Animus
FanficLouis und Harry haben Eins gemeinsam. Sie haben beide jeder eine fünfjährige Tochter. Der Eine lebt mit seiner Frau das Leben in einer angesehen Gesellschaftsschicht, der andere kämpft sich als Lehrer und alleinerziehender Vater durch die Mittelschi...