Louis war stocksauer.
Mit Mühe und Not brachte er seine letzten beiden Schulstunden an diesem Tag hinter sich.
Seine Gedanken schweiften ständig ab, und jeder seiner Schüler schien ihm heute besonders auf die Nerven zu gehen.
Was war bitte so schwer daran, regelmäßige Verben zu konjugieren?
Warum konnten sie sich die einfachsten Vokabeln nicht merken?
Wie zur Hölle schafften sie es, innerhalb von fünf Minuten wieder alles zu vergessen, was er ihnen über die französische Aussprache erklärt hatte?
Am Ende des Tages war Louis so entnervt, dass er seine Schüler eine halbe Stunde eher aus dem Unterricht entließ, obwohl er ganz genau wusste, dass er das eigentlich aus versicherungstechnischen Gründen gar nicht durfte.
Aber er konnte sich ohnehin nicht mehr konzentrieren, und diese Kinder kosteten ihn noch seinen letzten Nerv.
Also packte er seine Sachen und wählte noch auf dem Weg zur U-Bahn Niall's Nummer. Der blonde Ire hob prompt ab - er hatte zwei Wochen Urlaub und war zu Hause, woraufhin die beiden kurzerhand entschlossen, sich zu treffen.
Also stieg Louis eine U-Bahn-Station früher aus, und machte sich schließlich in Greenwich auf den Weg zu der Wohnung, in der Niall und Liam gemeinsam wohnten.
Niall stand bereits in der geöffneten Tür, als der Lehrer völlig außer Atem den siebten Stock erreichte. „Meine Güte", seufzte er, „Warum zur Hölle habt ihr hier keinen Aufzug?"
Niall kicherte und ließ seinen besten Freund in die Wohnung. „Stell dich nicht so an. Immerhin musst du nicht kanisterweise Wasser hier hoch schleppen."
Louis stöhnte. „Vermutlich hast du recht. Trotz allem wäre mir das zu anstrengend."
„Zieh bitte deine Schuhe aus", bat Niall ihn, „Sonst bringt Liam mich um."
Louis nickte, zum Zeichen, dass er verstanden hatte, und zog seine Schuhe vor der Tür aus und ließ sie in einem kleinen Regal stehen.
„Na, wo drückt der Schuh?", wollte Niall wissen, während er seine Playstation ausschaltete und ein Fenster öffnete.
„Was zur Hölle spielst du da?", wollte Louis schockiert wissen, „Und warum hingen überall Leichen an den Bäumen?"
„Du kennst The Witcher nicht?"
„Nein, verdammt", antwortete Louis, „Das ist doch viel zu brutal. Wie kannst du da überhaupt hinsehen?"
Niall verdrehte beide Augen. „Ja, Mama, ich weiß. Bist du hier her gekommen, um mir zu sagen, dass zwar volljährig bin, aber zu brutale Spiele spiele? Oder bist du wegen etwas anderem hier?"
Louis seufzte und atmete einmal kurz durch. „Tut mir leid. Ich bin eigentlich wegen etwas anderem hier."
„Dacht ich's mir doch. Möchtest du ein Bier?"
„Nein, ich muss nachher Amy und Victoria vom Kindergarten holen."
„Okay", antwortete Niall und öffnete sich trotzdem eine Dose Bier. „Irgendetwas anderes?"
„Nein, Danke."
Niall ließ sich neben seinem besten Freund nieder und sah ihn eindringlich an. „Was ist los?"
„Ich weiß nicht, wie ich dir das erklären soll", Louis schüttelte noch immer fassungslos seinen Kopf. „Ich glaube, Harry hat den Verstand verloren."
Niall zuckte beide Schultern. „Das habe ich dir schon gesagt, als du ihn kennengelernt hast."
Nun war Louis derjenige, der beide Augen verdrehte. „Ich mein's ernst, Niall. Er ist gerade mit Jane beim Frauenarzt, um sich ihr Baby anzusehen."
„Ich sag's nur ungern...", murmelte Niall, „Aber ich an Harry's Stelle wäre wahrscheinlich auch mit ihr gekommen - immerhin geht es auch um sein Kind, weißt du?"
„Ich weiß. Aber er wollte sie im Anschluss doch tatsächlich in meine Wohnung einladen."
Niall riss beide Augen auf. „Was? Wieso das denn?"
„Sie wollte unbedingt sehen, wo Victoria ist und ob es ihr dort gut geht."
Niall kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Achso... Aber das ist doch völlig normal, Louis. Ich an deiner Stelle hätte sie auch nicht gerne in meiner Wohnung, aber immerhin geht es um ihre Tochter..."
Entnervt stand Louis auf. „Ist das dein Ernst?", fauchte er, Weshalb verteidigst du sie ständig?"
Niall erhob sich ebenfalls. „Verdammt, Louis, beruhige dich", redete der Sozialpädagoge auf seinen besten Freund ein. „Ich möchte dir nichts böses. Ich möchte doch einfach nur ehrlich zu dir sein, damit wir beide eine vernünftige Lösung für dein Problem finden können."
Louis war so wütend; zum einen auf Harry, und zum anderen wuchs langsam aber stetig der Zorn auf seinen besten Freund, weil er so ruhig war und ständig behauptete, er rege sich umsonst auf. Aufgebracht, wie der Lehrer ohnehin schon war, war ein anständiges Gespräch nicht mehr möglich.
Und da Harry gerade nicht hier war, bekam der arme Niall alles ab - ohne dass Louis das im ersten Moment überhaupt bewusst war.
„Und wie soll die aussehen?", wollte Louis lautstark von Niall wissen, „Soll ich diese Frau in meine Wohnung lassen, damit sie sich darüber beschweren kann, dass ich keine Möbel besitze, die ein verdammtes Vermögen gekostet haben?"
„Das wird sie schon nicht tun", gab Niall ruhig zurück, „Sie will sicher nur sehen, wie es ihrer Tochter geht und wo sie jetzt lebt. Ich kann sie auch nicht leiden, Louis, aber immerhin ist sie Victoria's Mutter und hat ein Recht auf-"
Louis konnte seine Wut nicht mehr kontrollieren. Erst kam er zu Niall, weil er auf Unterstützung hoffte, und dann schlug er sich auch noch auf Jane's Seite?
Egal wie kindisch diese Gedanken auch waren, sie waren Louis mehr als nur ein Dorn im Auge.
Er hatte das Gefühl, verraten zu werden, und merkte dabei gar nicht, dass er über die Strenge schlug.
„Das hätte ich mir doch eigentlich denken können", zischte Louis in Niall's Richtung, „Wenn's um Kinder geht, kann man mit dir einfach nicht reden. Da sind die die Gefühle aller anderen Beteiligten doch völlig egal."
Fassungslos schüttelte Niall seinen Kopf, während er sich fragte, ob er sich da gerade verhört hatte. „Wie bitte? Ist das dein verdammter Ernst, Louis?"
„Natürlich ist das mein Ernst", gab Louis in seinem Zorn zurück und ging einen Schritt auf Niall zu, während er ihm eindringlich in die blauen Augen sah. „Du zwingst Liam deine Meinung doch genauso auf, wie mir gerade - kein Wunder, dass er sich nicht vorstellen kann, ein Kind mit dir großzuziehen."
Er konnte den Schmerz in den blauen Augen sehen, die seinem Blick nun geschickt auswichen. „Geh."
„Was? Du willst mich ernsthaft rausschmeißen?"
„Bist du schwerhörig?", gab Niall zurück, ohne dabei ein einziges Mal laut zu werden. „Ich möchte, dass du jetzt gehst. Du kannst wieder mit mir sprechen, sobald du dich beruhigt hast."
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Animus
FanficLouis und Harry haben Eins gemeinsam. Sie haben beide jeder eine fünfjährige Tochter. Der Eine lebt mit seiner Frau das Leben in einer angesehen Gesellschaftsschicht, der andere kämpft sich als Lehrer und alleinerziehender Vater durch die Mittelschi...