Was ist los, Harry?

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Es war etwa drei Uhr morgens, als Harry Liams Schnapsvorrat erneut geplündert hatte und sich hoffnungslos betrunken vor dessen Schlafzimmertür wiederfand. Er brauchte jetzt jemanden, mit dem er sprechen konnte, jemandem, der ihm zuhören würde, ohne ihn zu verurteilen. Und Liam war die einzige Person, mit der er in dieser Situation sprechen würde.
Er stolperte über seine eigenen Beine die Treppe nach oben und stellte fest, dass er doch mehr getrunken hatte als gedacht und dadurch ganz schön neben der Spur war. Und so war es auch kein Wunder, dass er das nachdrückliche Seufzen, das aus Liams Schlafzimmertür nach draußen auf den Gang drang, überhörte und die Tür einfach öffnete, ohne anzuklopfen.
Was er dann sah, ließ in ihm innerhalb von Sekundenbruchteilen nur einen einzigen Gedanken zu: Nicht schon wieder.
Niall und Liam, die im gedimmten Licht der Nachttischlampe gerade mitten in einer neuen Runde Versöhnungssex gesteckt hatten, fuhren augenblicklich auseinander, und Niall stieß ein frustriertes Stöhnen aus. „Harry!", protestierte er lautstark, „Schon wieder? Das kann doch nicht wahr sein, wohnst du im Rohbau oder was?"
„Was?", Harry, der Nialls Anekdote nicht ganz begriffen hatte, kniff die Augen zusammen und erinnerte sich an den Abend in der Waldhütte, in der sie alle zusammen hatten übernachten müssen, weil das Unwetter keine Autofahrten mehr zugelassen hatte.
Mein Gott, dachte er bei sich und erlitt das nächste Déjà-vu, Diese Bilder bekomme ich doch nie wieder aus meinem Kopf raus.
Liam seufzte und fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht. „Was ist passiert?"
Niall zog sich die Bettdecke bis ans Kinn hoch und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Das konnte doch alles nicht wahr sein. „Bist du betrunken?", wollte er wissen, als er bemerkte, wie der Anwalt schwankte.
„Äh...", stammelte dieser und Liam legte bloß den Kopf in die Hände und fragte sich, womit er das eigentlich schon wieder verdient hatte.
Ruhig, wie er allerdings war, legte er beschwichtigend eine Hand auf Niall's Schulter und sah seinen besten Freund einen Moment lang an. „Was ist los, Harry?"
Harry spürte, wie seine Wangen die Farbe einer Tomate annahmen und kniff die Augen zusammen. „Ich wollte eigentlich bloß reden..."
„Reden?", wiederholte Niall aufgebracht, „Es ist drei Uhr morgens, verdammt!"
Liam nickte und sah auf die Uhr. Tatsächlich. Drei Uhr morgens.
Wie lange war Harry denn Bitteschön wach gewesen und hatte getrunken? Er wollte gar nicht wissen, wie viel von seinem Schnapsvorrat noch übrig war...
Dann fiel es ihm siedend heiß wieder ein. „Warte mal", sagte er da zu seinem besten Freund und sah ihn mahnend an. „Hast du morgen nicht diese große Verhandlung? Die mit dem Typen, der betrunken versucht hat, seine Frau aus dem Fenster zu schmeißen?"
Harry kicherte und stellte sich vor, wie er das mit Jane tun würde.
Plötzlich konnte er diesen Mann viel besser verstehen. „Ja", gab er belustigt und lallend zugleich zur Antwort, „Um acht."
„Oh mein Gott", machte Liam und massierte sich einen Moment lang die Schläfen.
„Und du denkst nicht, es könnte vielleicht von Vorteil sein, wenn du da nüchtern aufkreuzt?"
„Ach", winkte Harry ab, „Das ist doch erst in ein paar Stunden."
„Hallo!?", unterbrach Niall die Diskussion der beiden Freunde, „Könntet ihr euer Kaffeekränzchen irgendwo anders hin verlegen? Ich bin immer noch nackt, verdammt."
Wenn Niall wütend war, neigte er dazu, ziemlich oft zu fluchen. Dinge, wie ‚verdammt' standen dann an jedem Satzende, und Liam hatte ihn schon einmal gezwungen, für jedes ‚verdammt' ein Pfund in eine Spardose zu schmeißen.
Von dem Geld waren sie nach ein paar Wochen ziemlich schick essen gegangen.
Harry verdrehte die Augen und sah zwischen Niall und Liam hin und her.
Niall, der maximal entnervt aussah, und Liam, der nicht wusste, ob er lachen oder weinen sollte.
„Ich zieh mir eben was an, okay?", sagte er schließlich zu seinem besten Freund und sah Niall entschuldigend an. „Warte bitte unten auf mich."
Niall beobachtete aufgebracht, wie Harry die Tür hinter sich schloss und hörte schließlich, wie die Schritte sich entfernten. „Ist das dein Ernst, Liam?"
Der Anwalt seufzte und ging zu seinem Kleiderschrank. „Es tut mir leid, Niall", entschuldigte er sich, „Aber sieh ihn dir doch an. Ich kann ihn in diesem Zustand doch nicht sich selbst überlassen.
„Wieso nicht?"
Wie auf's Stichwort hörten die beiden, dass unten im Erdgeschoss irgendetwas zu Bruch ging.
Liam verdrehte seine Augen und seufzte. „Deshalb."

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