Vielleicht war es nicht die beste Idee zu Fuß nach Hause zu gehen. Immerhin dauerte der Weg mit dem Auto schon eine Stunde. Doch Harry war betrunken und sein Gehirn konnte keine vernünftigen Entscheidungen mehr treffen. Und wenn er nur daran dachte wie es in der Bahn schaukelte und stank, da drehte sich ihm der Magen um.
Dann lieber zu Fuß, auch wenn er dafür sicherlich zwei Stunden brauchen würde.Ein Gutes hatte es jedoch. Je länger er lief, desto weniger merkte er den Alkohol und nach und nach wurde es in seinem Kopf klarer.
Der Abend war lustig - vermutlich der Beste den er seit Jahren hatte. Natürlich hatte er mit seinen Freunden auch ab und an mal Spaß, doch das hier - das hier war einfach erfrischend. Louis war ein netter Mann, lustig und ein angenehmer Zeitgenosse. Harry fühlte sich in der Gegenwart des Lehrers einfach gut. Er konnte er selbst sein und musste nicht darauf achten wie er sich gab.
Bei den Gedanken an Louis musste er lachen, gefolgt von einem Seufzen.
Schade das der Abend schon vorbei war.Als Harry bereits eine Stunde unterwegs war und - halbwegs nüchtern, entschied er sich dann doch dafür sich ein Taxi zu nehmen. Zum Glück bekam er eines welches durch Zufall am Straßenrand stand und brachte ihn behutsam nach Hause.
Leise schlich sich der Anwalt in das Haus, versuchte keinen Mucks von sich zu geben, was natürlich nicht klappte. Schon im Hausflur rempelte er eine Kommode an und fluchte leise, als es laut schepperte.
Das war dann die Vase.
Als er den Scherbenhaufen sah, musste er kichern. Er hatte diese Vase eh immer gehasst. Sie war farblich einfach nicht sein Ding und auch die Form - nein. Er fand sie einfach hässlich.
Kurz kniff er seine Augen zusammen, atmete tief ein und räumte dann die Scherben weg. Er schmiss sie in den Hausmüll, entledigte sich dann seiner Schuhe und schlich so leise wie es irgendwie in seinem leicht berauschten Kopf ging die Treppen nach oben.
Wenn Jane ihn jetzt sehen würde - lieber nicht.
Vor dem Zimmer seiner Tochter hielt Harry an, öffnete vorsichtig die Tür und schaute auf sein schlafendes Mädchen. Tief schien sie im Land der Träume zu sein, merkte nicht dass das Hörspiel bereits vorbei war. Lächelnd musterte Harry seine Tochter, die durch das kleine Nachtlicht in ein warmes Licht getaucht wurde.
Sie hatte einen schönen Tag, endlich. Und Harry hatte sich vorgenommen solche Tage für Vic viel öfter zu ermöglichen.
Alleine das Leuchten in ihren Augen als sie und Amy gemeinsam gespielt hatten war es ihm Wert den Zorn seiner Frau auf sich zu ziehen.
Aber sie musste es ja auch nicht erfahren, auch wenn Harry dann mit seinem schlechten Gewissen hadern musste.Als er letztendlich im Schlafzimmer ankam, sich schnell die Kleidung auszog und sich dann so Geräuschlos wie möglich in das Bett neben seine Frau legte, atmete er erleichtert auf. Er hatte es geschafft.
„Du bist spät".
Verdammt. Jane hatte es doch mitbekommen.
Das Licht auf dem Nachttisch wurde angestellt und schon sah Harry seine Frau, die sich aufgerichtet hatte und ihren Mann sauer ansah.
„Weißt du eigentlich wie spät es ist?", wollte sie wissen und verschränkte ihre Arme vor der Brust. Harry kicherte und zuckte mit den Schultern.
So nüchtern war er dann doch noch nicht.
Woher das Kichern kam wusste er nicht, aber er fand es amüsant das seine Frau sauer war. Wenn sie versuchte böse zu schauen, es ihr aber durch das Botox in ihrer Stirn nicht gelang.
„Gott, wo warst du? Du stinkst wie eine Kneipe", motzte sie fröhlich weiter, als Harry gähnte und sich in die Kissen fallen ließ.
„Da war ich auch", grummelt er und schloss seine Augen. Alles drehte sich.
„Du warst in einer Kneipe?!".
Der Anwalt zuckte bei der schrillen Stimme von Jane zusammen, ließ aber lieber seine Augen zu. Stattdessen nickte er, seufzte und drehte sich auf die Seite.
„Der Mandant wollte noch was trinken".
Stolz klopfte er sich innerlich auf die Schulter. Er hatte in seinem berauschten Kopf die Lüge aufrecht erhalten. Kaum auszumalen wenn er jetzt Louis' Namen genannt hätte. Wobei - Jane kannte den Mandanten ja nicht. Konnte ja auch gut sein, dass Louis sein Mandant war.
„Harry, du kannst nicht betrunken durch die Gegend rennen. Was sollen denn nur die Leute denken", motzte seine Frau weiter, doch der Anwalt hörte schon gar nicht mehr zu. war ihm doch egal war die Leute dachten.****
Mit höllischen Kopfschmerzen stand Harry wenige Stunden später wieder auf. Vielleicht hätten sie doch nur das eine Bier trinken sollen, dachte er sich und fasste sich an den Kopf.
So einen Kater hatte er schon Jahre nicht mehr und war auch nicht traurig drum.
Er fühlte sich schlecht, matschig und roch sich selbst. Kalter Rauch, Alkohol und Schweiß. Er musste würgen.
Schnell eilte der Mann in das Badezimmer, stellte sich unter die kalte Dusche und schloss seine Augen.
Nach und nach schien der Schleier der letzten Nacht mit dem Duschgel zu verschwinden und er merkte jetzt schon, wie das eklige Gefühl weniger wurde.
Doch irgendetwas schwirrte in seinen Gedanken rum. Während er sich die Haare wusch, kamen ihm die Szenen der letzten Nacht vor Augen und prompt hielt Harry in seiner Bewegung inne und riss seine Augen auf.
„Ach du meine Güte".
Harrys Herz begann zu rasen und benommen ließ er seine Stirn gegen die kalte Fliesenwand gleiten.
Hatte er gestern tatsächlich Louis geküsst?
Nein, oder?
Es war so verschwommen. So wie er es vor Augen hatte war es kein Kuss in dem Sinne. Lediglich ihre Lippen hatten sich gestreift, aber dennoch - es war ein Kuss.
Oder hatte er sich das nur eingebildet?Kopfschüttelnd wusch er sich das Shampoo aus den Haaren und machte sich fertig für die Kanzlei. Die Szene verblasste, aber ein seltsames Gefühl blieb.
Warum sollte Harry einen Mann küssen? Eine Frau würde er ja noch verstehen, aber einen Mann? Das kann nur ein Streich seiner Gedanken sein. Sicherlich ist gar nichts passiert und Harry war nur zu betrunken um diese Situation in seinem Kopf richtig zu deuten.„Morgen".
Nicht gerade freundlich wurde er von seiner Frau begrüßt, die schon wieder perfekt gestylt vor ihm stand. „Kopfschmerzen?", wollte sie wissen, schenkte ihm allerdings keinerlei Mitgefühl. Weshalb Harry einfach den Kopf schüttelte und nichts sagte. Er hatte keine Lust jetzt einen Vortrag zu bekommen. Er hatte einen tollen Abend und würde sich das von seiner Frau jetzt nicht versauen lassen.
„Ich muss dann jetzt los", verkündete Jane, schnappte sich ihre Sporttasche und sah ihren Mann an. „Ich komme vermutlich erst heute Abend wieder. Miranda hat heute Geburtstag und nach dem Yoga werden wir in das Spa gehen".
Harry nickte, verdrehte aber innerlich seine Augen.Kaum war Jane verschwunden, rauschte auch schon Vic an ihrem Vater vorbei, zog sich in Windeseile ihre Schuhe an und schnappte sich ihre Kindergartentasche.
Lachend sah Harry das kleine Mädchen an. „Hast du es eilig?", wollte er wissen und zog sich ebenfalls Schuhe an, ehe er seine Aktentasche nahm und den Autoschlüssel.
„Daddy, los! Ich muss Amy unbedingt erzählen was ich geträumt habe".
„Oh, dann schnell, bevor du es wieder vergessen hast", kicherte der Anwalt und eilte mit seiner Tochter zum Auto.Als Harry wenig später auf den Parkplatz des Kindergartens fuhr und von weitem Louis erblickte, stolperte sein Herz einmal und ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen.
Vic sprang aus dem Wagen und eilte zu ihrer Freundin, die gerade mit ihrem Vater die Treppen zum Kindergarten hinauf ging. Harry folgte langsam, ließ seine Tochter nicht aus den Augen.
Vor der Tür fielen sich die beiden Freundinnen in die Arme und als Louis sich umdrehte und den Anwalt in die Augen sah, mussten sie beide schmunzeln.
„Sie sehen ja genau so frisch und erholt aus wie ich", witzelte Louis und musterte den attraktiven Mann vor sich. Aber selbst jetzt, mit einem Kater, sah Harry sehr gut aus fand Louis. Vermutlich konnte nichts diesen Mann entstellen.
„Ich habe vergessen wie sich ein mieser Kater abfühlt", gestand Harry lachend und betätigte die Klingel damit sich die Tür öffnete.
Während die Mädchen ihre Schuhe gegen Pantoffeln tauschten, standen die beiden Männer unschlüssig nebeneinander.
„Daddy?". Vic zuppelte am Ärmel ihres Vaters und sah ihn mit großen Augen an. Schnell kniete sich der Anwalt hin und sah seine Tochter an. „Was ist denn Prinzessin?", wollte er wissen und schnappte sich ihre winzigen Hände.
„Darf ich heute wieder zu Amy?".
Der flehende Blick und die Hoffnung in ihren Augen ließ Harry seufzen. Heute war eigentlich Ballett. „Oh ja, bitte, bitte, bitte", kam nun auch noch das flehen von Amy dazu, die sich neben ihre Freundin stellte und die Hände wie zu einem Gebet zusammen gefaltet hatte.
Zögerlich schaute Harry zu Louis, der das Szenario belustigt beobachtete.
„Wäre das denn okay für Sie?", wollte Harry wissen und hörte das freudige japsen nach Luft seiner Tochter.
„Natürlich", gestand Louis und lächelte. Er würde sich freuen wenn die Mädchen wieder zusammen spielen würden und auch würde er sich über die Anwesenheit von Harry freuen.
Der Anwalt seufzte erneut, blickte dann seiner Tochter mit einem Lächeln ins Gesicht und nickte. „Okay, dann darfst du heute wieder mit zu Amy."
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Animus
FanfictionLouis und Harry haben Eins gemeinsam. Sie haben beide jeder eine fünfjährige Tochter. Der Eine lebt mit seiner Frau das Leben in einer angesehen Gesellschaftsschicht, der andere kämpft sich als Lehrer und alleinerziehender Vater durch die Mittelschi...