Wölfe

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Lächelnd liefen die beiden jungen Männer nebeneinander her, während ihre Töchter von einem Tiergehege zum nächsten rannten und immer wieder verliebt aufquietschten, wenn sie Tierbabys sahen.
Hin und wieder streiften sich die Hände von Louis und Harry und wenn sich dabei ihre Fingerspitzen sanft berührten, schlich sich auf beide Gesichter ein schüchternes Lächeln.
Louis unterdrückte den Drang einfach nach Harrys Hand zu greifen und ihre Finger miteinander zu verschränken, auch wenn dieses schier unmöglich schien.
Er wollte ihn berühren, ihm nahe sein - doch das ging nicht.
Ein schwerer Kloß bildete sich in seinem Hals, als er wieder ins Gewissen gerufen bekam, dass zwischen ihm und Harry niemals so eine Art von Beziehung stattfinden würde. Er würde niemals Hand in Hand mit Harry durch den Zoo laufen können - auch wenn er es insgeheim hoffte. Aber da war ja leider noch Jane und so wie es aussah, wollte Harry seine Ehe und alles was damit zusammen hing nicht für Louis aufgeben.
Warum auch? Wieso dachte Louis auch sowas?

„Alles okay? Du bist so still".
Louis hatte nicht bemerkt, dass sie bei dem Wolfsgehege angekommen waren. Die Mädchen klebten mit ihrer Nase an der Glasscheibe und beobachteten staunend das Rudel Wölfe, während Harrys Blick besorgt auf dem Lehrer lag.
Er hatte schon eine Weile geschwiegen und nachdenklich auf den Boden geschaut und Harry merkte natürlich sofort, dass ihn irgendetwas beschäftigte.
„J-ja, alles okay", log Louis und versuchte sich zusammen zu reißen. Das hier war ein schöner Tag und er musste ihn einfach genießen.
Doch als Harry seine Hand auf die Wange von Louis legte, zuckte dieser zusammen, als wenn er sich verbrannt hatte.
„Louis, was beschäftigt dich?", wollte Harry wissen und nahm seine Hand wieder von der Wange des Lehrers.
Ein leises Seufzen kam aus Louis' Mund, ehe er seinen Kopf schüttelte und nun ebenfalls in das Wolfsgehege schaute.
Dem Anwalt passte es zwar nicht, dass er keine Antwort bekam, beließ es aber dabei. Wenn Louis nicht darüber reden wollte, dann musste er das akzeptieren.
„Sie sind so wunderschön", murmelte Louis und wand seinen Blick von den Wölfen und sah stattdessen zu Harry, welcher mit einem leichten Lächeln auf den Lippen gebannt die Wölfe beobachtete. Zur Bestätigung von Louis' Worten nickte der Anwalt, ließ seinen Blick aber nicht von den Wölfen.
„Ihre Eleganz ist einfach atemberaubend. Wie sie sich bewegen...einfach wundervoll". Louis beobachtete Harry genau, musterte jeden Millimeter seines Körpers und bekam als Antwort auf seine Aussage wieder nur ein Nicken von Harry, der nicht mitbekam das Louis ihn ansah.
„Wusstet ihr, dass sich die Wolfpapas ganz besonders liebevoll um ihren Nachwuchs kümmern?", brabbelte Vic dazwischen und kicherte, als eines der Wolfbabys einen ungewollten Purzelbaum machte. Ein Lächeln erschien auf den Lippen des Lehrers. „Und wie sie das tun. Es scheint, als wenn ihnen die Kinder das Allerheiligste wären. So liebevoll und ... es erwärmt einen das Herz".
Nun drehte sich Harry doch von den Wölfen weg und sah zu Louis, welcher ihn noch immer verträumt anlächelte. „Sie sind das Allerheiligste und man tut für sie alles. Man stellt sie über sein eigenes Leben und das verstehen nur wenige Menschen. Doch wenn der Wolf jemanden trifft, der genau so bedacht auf sein Wolfsbaby ist wie er selbst, dann kann er sein Glück kaum fassen".
Louis nickte zustimmend und verlor sich wieder einmal in dem tiefen Grün der Augen des Anwalts. Wie gerne er ihn jetzt einfach küssen würde, aber schon alleine weil die Mädchen hier waren ging das nicht. Er konnte viel erklären, aber das nicht. Amy und Vic waren nicht dumm und sie wussten genau was ein Kuss war.
Prüfend sah sich Harry nach den Mädchen um, deren Nasen allerdings noch immer an der Glasscheibe klebten und so ließ er es sich nicht nehmen, Louis einen schnellen Kuss auf die Stirn zu drücken, ehe er sich wieder den Wölfen zuwand und so tat, als wenn nichts gewesen wäre.

Sie schlenderten weiter durch den Zoo und als es Mittag wurde, beschlossen sie in dem eigenen Restaurant des Zoos eine Kleinigkeit zu essen.
Auf Victorias Schwören hin, dass sie ihrer Mutter nichts verriet, durfte die Kleine eine Portion Pommes mit Majo essen und war in diesem Moment das glücklichste Kind auf der Welt.
Und während Amy und Vic ihre Pommes aßen, sich noch immer über die Wölfe unterhielten, legte Harry unter dem Tisch seine Hand auf den Oberschenkel des Lehrers und lächelte zaghaft.
„Ich habe morgen eine Freistunde", flüsterte Louis leise und sah Harry direkt in die grünen Augen. Neugierig beugte sich Harry näher an Louis, als dieser seine Hand auf die des Anwalts legte. Natürlich unter dem Tisch, so das die Mädchen das nicht sehen konnten. „Ich könnte einen Rat von einem Anwalt gebrauchen".
Harry grinste, wusste was Louis damit meinte und nickte. „Sag mir die Uhrzeit und ich schaffe eine Stunde platz für dich".

****

Der Tag im Zoo neigte sich leider dem Ende und als Harry Louis und Amy zu Hause absetzte, merkte er wie sich Wehmut in ihm breit machte. Eigentlich wollte er noch nicht, dass dieser Tag vorbei war, aber die Kinder mussten nach Hause und Jane war sicherlich auch wieder da.
Doch die Vorfreude auf den kommenden Tag, die gemeinsame Stunde mit Louis, schaffte es, dass Harrys Laune gut war.

„Und wo wart ihr?", wollte Jane wissen, als Harry und Vic das große Wohnzimmer betraten. Sofort brabbelte Vic drauf los, ließ gekonnt Louis und Amy aus und erzählte ihrer Mutter, dass sie und ihr Vater einen tollen Tag in dem Zoo hatten. Das Vic dabei Louis und Amy nicht mit einem Wort erwähnte, ließ Harry merken wie viel seine Tochter doch eigentlich mitbekam. Sie wusste ganz genau, dass ihre Mutter es nicht gutheißen würde, wenn Vic mit einem anderen Mädchen spielte, welches nicht aus ihrer Reitgruppe oder vom Ballett war. Aber selbst mit denen durfte Vic nie spielen. Warum wusste das kleine Mädchen nicht.
„Victoria, wasch dir doch bitte die Hände und dann essen wir zu Abend", forderte Jane und ging in die Küche. Harry folgte seiner Frau und sah auf den Herd, wo zu seiner Verwunderung sein Lieblingsessen stand.
„Hackbraten?", fragte er verblüfft und sah seine Frau an, die mit einem Lächeln im Gesicht zu ihrem Mann sah und das Geschirrhandtuch bei Seite legte. Liebevoll schlang sie ihre Arme um den Torso ihres Mannes, hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen und schmiegte sich an seine Brust.
„Du kümmerst dich im Moment so viel um Victoria, arbeitest dazu noch so lange in der Kanzlei, da dachte ich mir du hast mal eine Belohnung verdient."
Harry lächelte und drückte seine Frau an sich. In diesen Momenten kam wieder die alte Jane hervor. Die Jane, in die sich Harry damals verliebt hatte. Doch mit diesem Gefühl kam auch das schlechte Gewissen, immerhin hatte er sie hintergangen, betrogen - und das nicht nur ein Mal.
„Ich habe morgen keinen Yogakurs, wenn du möchtest, bringe ich Victoria morgen in den Kindergarten".
Augenblicklich verkrampfte sich Harry, riss sich zusammen und streichelte seiner Frau durch die roten Haare um seine Nervosität zu vertuschen.
„Liebling, dass wäre doch dämlich. Der Kindergarten liegt doch eh auf dem Weg zur Kanzlei und ich kann da ruhig morgen anhalten. Das macht mir keine Umstände."
Er wollte nicht das Jane diesen Part übernahm. Es war sein geheimes Highlight des Tages morgens Louis zu sehen und wollte auf keinen Fall, dass Louis seinen morgen damit beginnen musste Jane zu sehen.

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