Kuscheln und Wein trinken

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Die Heimfahrt am nächsten Tag verlief - weitestgehend - reibungslos, auch wenn die Mädchen gejammert und ihre Väter gefragt hatten, ob morgen nicht auch ein Feiertag sein konnte. Und übermorgen. Und über-über-morgen. Und über-über-über-morgen.
Im Auto schliefen die Mädchen allerdings doch wieder ein, während sie sich zum x-ten Mal „Bibi und Tina beim Zelten" anhörten.
Während Harry an einer Ampel hielt und seine Hand auf dem Ganghebel des Wagens ruhen ließ, spürte er, wie Louis seine sanft darüber legte und mit seinem Daumen sanft über den Handrücken des Anwalts fuhr.
Harry lächelte und drehte seinen Kopf kurz zu ihm. In Louis' Augen lag etwas, das ihm in den kommenden Tagen sicher fehlen würde.
Er setzte Louis und Amy schließlich zu Hause ab und sah lächelnd dabei zu, wie die Mädchen sich voneinander verabschiedeten. Auch Louis und er verabschiedeten sich mit einer etwas zu innigen Umarmung, während Louis seinen Kopf in Harry's Halsbeuge vergrub und der Anwalt seinen Atem auf der hitzigen Haut spüren konnte. Er hatte das Gefühl, Louis' T-Shirt würde unter seinen Fingerspitzen brennen, als er vorsichtig mit ihnen über dessen Rücken strich.
Louis erschauderte.
Als sie sich wieder voneinander lösten, lächelten sie sich unschlüssig an. Louis war der erste, der seine Sprache wieder fand. „Melde dich bitte, sobald ihr zu Hause seid."
Harry nickte. „Selbstverständlich. Bist du fertig, Vicky?"
Seine Tochter nickte und umarmte ihre Freundin ein weiteres Mal, bevor Harry sie schließlich zurück in seinen Wagen verfrachtete und Louis ein letztes Mal zulächelte. Wieder stieg dieses verdächtige Kribbeln in seinem Inneren auf, und in seiner Lendengegend begann es, angenehm zu ziehen.
Mit einem wohligen Gefühl in der Magengegend ließ er sich schließlich wieder hinter dem Steuer nieder und startete den Wagen. „Freust du dich schon darauf, Mommy wiederzusehen?", wollte er schließlich von seiner Tochter wissen, die gespannt auf dem Beifahrersitz saß.
„Ja!", rief sie aus, während Harry ihren Gurt festschnallte. Beim Gedanken an Jane keimte das schlechte Gewissen wieder in ihm auf und das Kribbeln erstarb augenblicklich.
„Denkst du an unser kleines Geheimnis?", lächelte er seiner Tochter zu, bevor er Wagen auf die Straße lenkte und den Blick von ihr abwenden musste.
„Klar", versicherte sie ihm und grinste dabei verschwörerisch. „Wir wollen ja nicht, dass Mommy böse wird."
Nein, das wollen wir wirklich nicht, schoss es Harry durch den Kopf, während er sich fragte, wie er ihr all die feuchten Klamotten und Victoria's schlammige Schuhe erklären sollte.

Den Rest der Fahrt lauschte Harry den Erzählungen seiner Tochter, die sich größtenteils um den Kindergarten oder „Bibi und Tina" drehten.
Als er schließlich in ihre Einfahrt bog, holte Jane gerade die Post ins Haus. Lächelnd blieb sie stehen und wartete darauf, dass er den Wagen parkte, während sie sich eine Strähne des perfekt sitzenden roten Haares aus dem Gesicht strich. „Da seid ihr ja endlich", rief sie ihrer Tochter zu, als diese aus dem Wagen sprang und direkt in die Arme ihrer Mutter lief. „Ich hab euch schrecklich vermisst."
„Wir dich auch, Mommy!", rief Victoria und ließ sich von ihrer Mutter nach oben heben.
„Warst du auch brav?", wollte Jane schließlich von ihrer Tochter wissen und sah sie einen Moment lang ernst an, doch Harry winkte ab, während ihm klar wurde, dass er das Auto wohl morgen ausräumen musste.
„Wie ein Engel", antwortete Harry schließlich und zwinkerte seiner Tochter kurz zu, ehe er auf Jane zuging und ihr einen flüchtigen Kuss auf die Lippen drückte.
Warum fühlte sich das plötzlich so falsch an?
„Ihr könnt mir beim Essen alles erzählen", sagte Jane, bevor ihr Blick zu den dreckigen Schuhen ihrer Tochter fiel. „Um Himmels Willen, was habt ihr denn gemacht?"
Harry schluckte.
„Wir haben einen Waldspaziergang gemacht", plapperte Victoria drauf los und sah ihre Mutter unschuldig an. „Aber leider hat es angefangen zu regnen."
Verblüfft zog Harry beide Augenbrauen nach oben. Seine Tochter war gut. Zu gut.
„Ach du Schande", kommentierte Jane und setzte ihre Tochter wieder auf den Boden. „Dann zieh die Schuhe am besten vor der Tür aus, damit wir nicht den ganzen Schlamm im Flur haben."
Gesagt, getan. Victoria zog ihre Schuhe aus und wurde von ihrer Mutter sofort ins Badezimmer geschickt, wo sie ihr half, sich gründlich zu duschen.
Als Victoria schließlich in ihrem pinkfarbenen Pyjama und mit nassen Haaren auf dem Sofa saß und ein wenig fernsah, rümpfte Jane angewidert die Nase. „Du stinkst", sagte sie schließlich zu Harry, der geistesabwesend aus dem Fenster gesehen hatte.
Er rollte beide Augen, bevor er sich selbst davon abhalten konnte. „Danke. Ich freue mich auch, dich wiederzusehen."
„Nein, im Ernst", beharrte Jane und musterte ihn kritisch. „Warum zur Hölle riechst du wie ein Höhlenmensch?"
Ein Höhlenmensch?
Ja, sie war definitiv bereits charmanter gewesen.
„In dem Hotel gab es keine funktionierenden Duschen", flunkerte er schließlich, während er kurz zu Victoria lugte, um sicherzugehen, dass sie nicht zuhöre. Er wollte ihr nicht schon wieder ein so schlechtes Vorbild sein.
„Warum bist du dann nicht einfach in ein anderes gegangen?"
„Es war nur eine Nacht, Jane."
Sie sah ihn mahnend an. „Aber Harry", hob sie ihren Zeigefinger an, „Was sollen denn die Leute denken, wenn du so durch die Gegend läufst?"
Ohne es selbst wirklich zu registrieren, krallte Harry seine Finger fester im Holz des Tisches fest, gegen den er sich gelehnt hatte. „Habe ich dir schon einmal gesagt, dass es mir von Herzen egal ist, was denn die Leute denken?"
Gekränkt sah sie ihn einen Moment lang an - da wurde Harry klar, dass er etwas schroffer gewesen war, als er das eigentlich beabsichtigt hatte.
Wo kam nur diese Wut auf einmal her?
Eigentlich sollte er sich doch freuen, sie wieder zu sehen.
„Es tut mir leid", murmelte er also und drückte ihr einen kurzen Kuss auf die Lippen. „Ich werde gleich duschen gehen."
Jane nickte zufrieden und verschwand schließlich in der Küche, um sich um das Abendessen zu kümmern.
Harry verschwand in den ersten Stock, schloss sich im Badezimmer ein und lehnte sich einen Moment lang gegen die Tür.
Sein Kopf pochte. Er hatte das Gefühl, als würde jemand von innen gegen seine Schädeldecke hämmern.
Was war an diesem Wochenende passiert?
Seit wann war er jemand, der ständig seine Frau belog und - vor allem - seit wann war er jemand, der seine Frau betrog?
Das schlechte Gewissen beschleunigte Atmung und Puls, als er sich mit beiden Händen über das gerötete Gesicht fuhr.
Wie hatte das passieren können?
Harry zog sich aus und stieg unter die Dusche, in der absolut sinnlosen Hoffnung, das warme Wasser könne seine Bedenken wegspülen, wie den Dreck auf seiner Haut. Das Wasser prasselte auf ihn ein, massierte seine müden Muskeln, und doch musste er wieder an Louis denken.
Sein Blut begann augenblicklich zu kochen, und schoss in die empfindlichste Stelle seines Körpers.
Seufzend drehte Harry das Wasser ab und griff nach seinem Handtuch.
Mit noch nassen Haaren schlurfte er schließlich in das gemeinsame Schlafzimmer, zog sich frische Kleidung an und ging schließlich wieder nach unten, wo Jane bereits dabei war, den Tisch zu decken.
Victoria schien bereits so müde zu sein, dass ihr die Augen immer wieder zu fielen und sie deshalb nach dem Essen direkt in ihr Zimmer verschwand, wo sie einschlief, bevor Harry das Hörspiel überhaupt anmachen konnte.
Lächelnd deckte er sie weiter zu, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und löschte schließlich das Licht.
Sie sah so wunderschön aus, wenn sie so friedlich schlief.
Wieder breitete sich dieses spezielle Gefühl von elterlicher Liebe in ihm aus, während er langsam die Tür schloss und schmunzelnd nach unten zu seiner Frau ging.
Die allerdings hatte die Küche bereits weitestgehend auf Vordermann gebracht und war nun nirgends zu finden.
„Jane?", rief er, während er sich prüfend umsah.
„Ich bin im Badezimmer", rief sie schließlich, und Harry seufzte. Dann machte er sich eben auf den Weg ins Badezimmer.
Als er dort ankam, staunte er nicht schlecht: Jane hatte einige Teelichter aufgestellt und eine Flasche Wein neben der Badewanne platziert. Neben ihr standen zwei ihrer teuersten Gläser.
Außerdem hatte sie bereits Badewasser eingelassen und war gerade dabei, sich zu entkleiden.
Wäre sie vor diesem Wochenende in Unterwäsche vor ihm gestanden, hätte ihn das vermutlich keine Sekunde zögern lassen - jetzt allerdings schlug ihm das schlechte Gewissen und die Erinnerungen an Louis derart auf den Magen, dass er ihr noch nicht einmal in die Augen sehen konnte.
„Ich dachte, wir könnten nach dem Wochenende ein wenig Zeit zu zweit gebrauchen", lächelte sie und ging einige Schritte auf ihn zu.
Harry nickte, als er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. „Das ist eine wunderbare Idee."
Also zog er sich ebenfalls aus und stieg mit seiner Frau in die eigentlich viel zu große Badewanne, während das warme Wasser seine Muskeln entspannte.
Behutsam zog er sie in seine Arme und strich ihr vorsichtig durch das rote Haar. Die Kerzen flackerten um sie herum und malten tanzende Schatten an die Wand.
Jane sah ihren Mann einen Moment lang an und küsste schließlich seinen Hals. „Ich hab dich vermisst."
Harry schluckte. Er spürte, dass ein unangenehmes Zittern durch seinen Körper ging. „Ich habe dich auch vermisst."
Während Jane ihre Hand auf seiner Brust ablegte und seine Tattoos nachzeichnete, wanderten seine Gedanken wieder zu Louis, der genau das gleiche getan hatte. Nur hatten sich seine Berührungen viel intimer angefühlt...
Erst, als Jane ihre Hand weiter nach unten wandern ließ und vorsichtig sein bestes Stück umfasste, schlitterten seine Gedanken wieder zurück in die Gegenwart. Er zuckte zusammen, als hätte man ihn geohrfeigt, aber Jane ließ sich davon nicht beirren und begann, ihre Hand sanft auf und ab zu bewegen.
Harry versuchte, sich möglichst normal zu verhalten und schloss seine Augen, während er sie vorsichtig näher an sich drückte. Er lehnte sich zurück und spürte, wie Jane begann, seinen Hals zu küssen, ehe sie auf ihn kletterte und ihre Mitte an seinem Schritt rieb.
Sanft griff er nach ihren Schultern und drückte sie ein Stück zurück, als er bemerkte, dass sein bestes Stück nicht auf ihre Berührungen reagierte, weil er mit den Gedanken ganz woanders war.
Er lächelte sie entschuldigend an. „Jane...", flüsterte er und küsste behutsam ihre Stirn. „Ich bin so müde... Lass uns das bitte auf morgen verschieben."
Obwohl sie etwas gekränkt aussah, kletterte sie von ihm herunter und schmiegte sich schließlich wieder in seinen Arm. „Haben dich die Chortage denn so sehr geschafft?", witzelte sie schließlich, als sie ihren Arm um ihn schlang.
Harry seufzte. „Ja", antwortete er schließlich, obwohl es gelogen war. „Lass uns doch heute einfach kuscheln", schlug er stattdessen vor, weil er ihr genau ansehen konnte, dass sie gekränkt war. „Kuscheln und Wein trinken."
Jane's Miene hellte sich ein wenig auf und sie drückte ihm einen leichten Kuss auf die Wange. „Okay."

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