Doch, natürlich tut es das ...

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Harry seufzte.
Er hoffte, er würde diese verdammte Hütte finden. Er verlor in Wäldern leicht die Orientierung, was bereits zu einer ausgewachsenen Ehekrise zwischen Jane und ihm geführt hatte, als sie Urlaub in ihrem Ferienhaus im schwedischen Eskjö gemacht hatten.
Der gesamte Ort war regelrecht umzingelt von dichten Wäldern, in denen Harry sich natürlich nicht auskannte. Wie hätte er das auch machen sollen?
Jane allerdings hatte das nicht verstanden.
Wie hatte er bloß ein Ferienhaus in einem Ort kaufen können, in dessen umliegenden, hunderte von Quadratkilometern großen Wäldern er nicht jeden Millimeter kannte? Das war doch unglaublich.
Was sollten denn bloß die Leute denken?
Die Schweden würden sie doch auslachen!
...Was sie natürlich nicht getan hatten.
Schließlich hatte ein freundlicher Förster ihnen in nahezu perfektem Englisch erklärt, wie sie zurück auf die Straße kommen würden.
Das war auch noch so ein Punkt gewesen.
Was bildete Harry sich eigentlich ein, vor dem Urlaub nicht perfekt Schwedisch gelernt zu haben?
Was sollten denn die Leute denken?

Harry schüttelte seinen Kopf, um die störenden Gedanken daraus zu vertreiben.
Er lenkte den Wagen durch die kleinen Waldwege, die um diese Tageszeit beinahe stockdunkel waren. Eine Beleuchtung gab es hier natürlich nicht.
Das war ja auch der Sinn der ganzen Sache - Harry wollte das Wochenende mit Louis fernab von jeder Zivilisation verbringen, ehe Niall und Liam am Wochenende mit den Mädchen dazukommen würden.
Obwohl Harry sich darauf freute, hatte er doch ein ziemlich mulmiges Gefühl dabei. Louis und Niall hatten sich noch immer nicht ausgesprochen, und um ehrlich zu sein konnte er Niall ziemlich gut verstehen.
Louis war wirklich grob zu ihm gewesen.
Bei allem Verständnis, das Harry für die Lage des Lehrers hatte, war er doch schockiert gewesen, als er von diesem Zwischenfall gehört hatte.
Im Endeffekt war all das doch nichts anderes als ein Ausdruck Louis' tiefer Verzweiflung - was natürlich keine Entschuldigung für dieses Verhalten sein konnte.
Louis' Verhalten war absolut inakzeptabel gewesen, und Harry glaubte, dass er das auch wusste. Er würde lediglich noch ein paar Tage brauchen, um den Mut zu finden, sich das selbst einzugestehen und sich bei Niall zu entschuldigen.
Wie Harry von Liam gehört hatte, war Niall wirklich unglaublich enttäuscht von Louis und hatte eigentlich kein Interesse daran, einen Schritt auf ihn zuzugehen. Verständlich, dachte Harry. Hätte Liam ihm all diese Dinge an den Kopf geworfen - er wusste nicht, was er an seiner Stelle getan hätte.
Ein Blick zu Louis verriet ihm, dass dieser sich irritiert umsah. Er schien nicht ganz zu verstehen, weshalb Harry ihn in einen Wald brachte. „Willst du mich umbringen und hier irgendwo vergraben?"
Harry sah ihn irritiert an und schüttelte seinen Kopf. „Nein, natürlich nicht. Mein Gott!"
Louis deutete demonstrativ auf die Einöde um sie herum. „Was machen wir dann hier?"
„Das wirst du noch früh genug erfahren", antwortete Harry und verdrehte die Augen. „Wir sind gleich da."
Irgendwie war das Gequengel doch ganz niedlich - wäre da nicht diese absolute Eiszeit zwischen ihnen.
Während der fast zweistündigen Fahrt hatten sie kein Wort miteinander gesprochen, und Harry fragte sich, was er wohl tun sollte, wenn sich das das ganze Wochenende über nicht bessern würde.
Seufzend bog er schließlich in Richtung eines kleinen Waldsees ab, der einen kleinen Hügel hinaufführte und schließlich in der Auffahrt zu einer kleinen Hütte endete.
Harry stellte den Wagen ab und sah gespannt zu Louis, um dessen Reaktion abzuwarten.
Dieser sah sich gespannt um und musterte den glitzernden See, der unter einem Abhang lag, auf dem die Terrasse der kleinen Hütte war.
Sie waren umgeben von einem gold-gelblichen Herbstwald, während der Wind in den Blättern rauschte und das Wasser friedlich vor sich hin glitzerte.
Louis sah Harry zuerst verwirrt an. „Du willst das Wochenende mit mir in einer einsamen Hütte verbringen?"
Seine Stimme klang belustigt, und Harry hielt einen Moment lang inne. „Gefällt es dir denn nicht?"
Louis lächelte und schüttelte den Kopf. Er legte eine Hand auf Harry's Oberschenkel. „Doch, natürlich tut es das. Ich hätte bloß nicht damit gerechnet."
Ein ganzer Steinbruch fiel Harry vom Herzen, als er Louis' Lächeln erwiderte. „Ich möchte dir zeigen, dass du dir absolut keine Sorgen zu machen brauchst. Ich liebe dich, und ich würde dich gegen nichts und niemanden auf dieser Welt eintauschen. Auch nicht gegen Jane."
Harry sah Louis ernst an und beobachtete, wie dessen Gesichtsausdruck weicher wurde. „Die letzten Tage haben mich wirklich verletzt. Ich wusste ganz einfach nicht, wie ich mit der Situation umgehen sollte."
Harry nickte und dachte darüber nach, dass er vielleicht etwas einfühlsamer mit Louis hätte umgehen können, anstatt bedingungsloses Verständnis von ihm einzufordern.
Und Louis dachte darüber nach, dass er etwas ruhiger hätte bleiben können - nicht nur Harry, sondern vor allem auch Niall gegenüber. Der arme Kerl hatte ihm bloß helfen wollen, und er hatte seinen wundesten Punkt gesucht und den Finger grob in die Wunde gedrückt.
Verdammt, das war sonst überhaupt nicht seine Art.
„Lass uns reingehen, Louis. Wir können bei einer guten Flasche Wein darüber reden. Ich habe sogar französischen Wein besorgt und verspreche zumindest, zu versuchen, mich nicht darüber lustig zu machen."

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