Ich kenne den Unterschied...

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Amy sprang vom Schoß ihres Vaters und rannte in ihr Kinderzimmer, um ihre beste Freundin zu trösten. Sie würde Victoria schon wieder auf gute Gedanken bringen, da war sich die kleine Lady sicher.
Harry hingegen vergrub sein Gesicht in seinen Händen, konnte die Tränen kaum noch zurückhalten. Er fühlte sich so schlecht, so schuldig.
Nicht die Tatsache, dass er Jane verlassen hatte schmerzte, sondern die Tatsache, dass seine kleine Prinzessin nun unendlich traurig war.
"Haz", hauchte Louis leise, legte seinen Arm um die Schulter des Lockenkopfes und hauchte diesem einen Kuss auf das Haar. "Sieh mich an", bat der Lehrer leise und nach einem kleinen Moment des Zögerns, sah der Anwalt dann tatsächlich mit wässrigen Augen zu seinem Freund.
Seufzend fuhr Louis seinem Freund einmal durch die Haare, legte seine Hand dann auf dessen Wange und schenkte ihm ein mitfühlendes Lächeln.
"Sie wird das schon irgendwann akzeptieren. Sie ist ein kluges Kind, sie weiß, dass sie nicht Schuld an alledem ist."
Harry nickte und schluckte den dicken Kloß in seinem Hals herunter. Louis' Worte legten sich wie Balsam auf seine Seele. Sie beruhigten ihn.
"Vielleicht braucht sie ein paar Tage um das alles zu verstehen, aber Amy wird ihr dabei helfen."
Wieder nickte Harry. Gut das es Amy gab, dachte er sich. Sie konnte Vic so viel besser aufmuntern als er. Er, der doch seine Familie verlassen hatte und seiner Tochter das Gefühl gab, dass sie Schuld war.
"Jetzt zerbrich dir nicht deinen hübschen Kopf darüber. Das wird alles schon". Louis lächelte, hauchte dem Lockenkopf einen Kuss auf die Lippen und sah diesem dann tief in die Augen.
"Wie wäre es, wenn wir gleich einen schönen Film mit den Mädchen sehen, ich uns Popcorn mache und wir versuchen, hier ein bisschen Ruhe hereinzubringen?".
Bei dem Gedanken an einen gemütlichen Fernsehabend erwärmte sich Harrys Herz, weshalb er begeistert nickte und sich vom Sofa erhob.
Mulmig sah er zur Kinderzimmertür und Louis verstand. Er drückte dem Anwalt erneut einen Kuss auf die Lippen und verschwand dann in der Küche, während Harry zögerlich das Kinderzimmer betrat.

Vicky saß schniefend auf dem Bett ihrer besten Freundin, während Amy einen Arm um sie gelegt hatte und auf sie einredete. Als die Mädchen den Anwalt erblickten, sprang Amy vom Bett und verließ ohne ein weiteres Wort das Kinderzimmer.
Dieses kleine Mädchen hatte ein unheimlich gutes Feingefühl. Harry würde Louis später noch loben und ihm sagen, wie gut er seine Tochter erzogen hatte.
"Liebling", hauchte der Anwalt leise und setzte sich neben seine Tochter auf das Bett. Vic sah ihren Vater nicht an und das versetzte Harry einen tiefen Stich ins Herz.
Seine Tochter hatte noch nie abweisend auf ihn reagiert.
"Schatz"; versuchte es Harry erneut, als ein lautes Schluchzen ertönte und sich Victoria unweigerlich in die Arme ihres Vaters schmiss.
Überfordert und mit blutendem Herzen drückte der Anwalt seine Tochter fest an sich. Immer wieder küsste er ihre Schläfe, versuchte sie zu beruhigen und merkte, wie nun auch bei ihm die Tränen flossen.
Er konnte seine Kleine noch nie weinen sehen, es ging ihm schon immer nahe und sie so am Ende zu sehen, dass brachte ihn einfach an seine Grenzen.
"Du bist nicht daran Schuld, Prinzessin", versicherte Harry und löste seine Tochter ein klein wenig von sich, damit er sie anschauen konnte. Verweinte Augen sahen den Lockenkopf an und die Kleine schniefte einmal, ehe sie nickte.
"Deine Mommy und ich haben dich sehr lieb, dass weißt du doch, oder?".
Wieder nickte das kleine Mädchen. "Und ich habe Mommy auch noch lieb, aber eher wie du Amy lieb hast, verstehst du wie ich das meine?".
Das er Jane gerade eigentlich die Pest an den Hals wünschte, dass sagte er seiner Tochter lieber nicht. Es sollte keine Schlammschlacht geben, auch wenn ihm sein Gefühl sagte, dass Jane das alles etwas anders sah. Sie würde Harry auseinander nehmen, da war er sich sicher.
"Ich kenne den Unterschied zwischen Liebe und Freundschaft", erklärte Vic leise und schniefte erneut. Verwundert hob der Anwalt seinen Blick, war verblüfft über die Worte seiner Tochter.
Sie war doch erst Fünf.
Es blieb eine Weile still zwischen den Beiden, als Louis vorsichtig den Kopf in das Kinderzimmer steckte und sanft lächelte.
"Amy und ich haben Popcorn gemacht und möchten einen Film schauen. Wie sieht es aus? Habt ihr Zwei auch Lust?".
Harry sah fragend zu seiner Tochter, die unsicher nickte. Louis lächelte, verschwand wieder und Harry zog seine Tochter zurück in seine Arme.
"Du bist das Wichtigste in meinem Leben, Liebes. Und auch wenn Louis und ich uns lieben, wird sich das nicht ändern."
Victoria nickte erneut, wischte sich die letzten Tränen von den Wangen und sah ihren Vater an.
"Und natürlich darfst du Mommy immer sehen, wenn du möchtest. Nur weil wir jetzt bei Louis und Amy wohnen, heißt das nicht, dass du sie nie wieder sehen darfst."
Die Kleine zögerte einen Moment, ehe sie schuldig auf ihre Finger schielte.
"Also eigentlich bin ich viel lieber hier als bei Mommy."

Zu Viert saßen alle dann gemeinsam auf dem kleinen Sofa, schauten sich einen Disneyfilm an und aßen Popcorn. Während Amy und Vic wie gebannt auf den Fernseher schauten, hatte Harry sich an Louis' Schulter gekuschelt und genoss die Streicheleinheiten, die Louis mit seinen Fingern in Harrys Nacken ausübte. Der Lockenkopf neigte seinen Kopf, sah seinen Freund lächelnd an und hauchte ein stummes "Danke". Er wüsste nicht, was er jetzt ohne Louis tun würde.
Der Lehrer lächelte, sah kurz zu den Mädchen und beugte sich dann etwas nach unten, damit er Harry einen schnellen Kuss geben konnte.
Lächelnd schaute das Paar dann wieder auf den Fernseher und beide fühlten, dass sich das hier so unendlich richtig anfühlte.
Hier auf dem Sofa, Arm in Arm mit ihren Töchtern war genau das, was sie wollten.
Und wer weiß, vielleicht würden sie irgendwann eine richtige, kleine Familie werden.

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