Wie früher

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Niall versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Er wollte den Abend nicht kaputt machen, und schon gar nicht wollte er die frisch verliebte Stimmung zwischen Harry und Louis kaputt machen.
Dennoch spürte er, wie sich sein Herz schmerzhaft zusammenzog und sein Magen sich verkrampfte. Er griff schnellstmöglich nach seinem Bier und kippte es in wenigen Zügen hinunter, woraufhin er zwar einen skeptischen Blick von Liam erntete, sich daraus allerdings nichts machte.
Niall wusste, dass es absolut keinen Sinn hatte, mit ihm zu diskutieren; und obwohl er keine Ahnung hatte, wie sie um dieses Thema herumkommen sollten, nahm er sich vor, sich seine Gedanken darüber später zu machen.
Louis sah seinen besten Freund besorgt an. „Niall", sagte er schließlich, „Geht es dir gut?"
„Selbstverständlich", presste der Ire hervor und zwang sich zu einem Lächeln, das falscher nicht hätte sein können.
Louis wand seinen Blick zwar ab, spürte aber deutlich, dass etwas mit seinem besten Freund nicht stimmte. Allerdings wollte er dieses Problem nicht vor allen anderen ansprechen, und so entschloss er sich dazu, ihn in einem passenden Moment danach zu fragen.
Harry war unterdessen aufgestanden, um neues Bier zu holen. Natürlich war auch ihm die veränderte Stimmung zwischen Niall und Liam aufgefallen, weshalb er sich Sorgen machte, etwas falsches gesagt zu haben.
Allerdings konnte er sich nicht vorstellen, was das gewesen sein sollte. Immerhin hätte er nie absichtlich etwas gesagt, was einen von ihnen verletzt haben könnte.
So ging er mit vier frischen Flaschen Bier zurück zum Sofa und legte seinen Arm um Louis, der erleichtert aufatmete, als er bemerkte, dass die Mädchen endlich schliefen. „Na Gott sei Dank", seufzte er, „Ich dachte schon, sie schlafen nie ein. Morgen müssen sie immerhin wieder in den Kindergarten."
Harry nickte zustimmend, während er das Bier verteilte. „Irgendwann werden sie ja doch müde."
Louis schüttelte entschlossen seinen Kopf. „Amy sträubt sich teilweise stundenlang dagegen, ins Bett zu gehen."
Harry blickte ungläubig zu Louis hinüber. „Im Ernst?"
Niall senkte seinen Blick und überlegte, wie er der absolut unangenehmen Situation entkommen konnte. Jetzt, wo der Winter langsam kam, und alles näher zusammenrückte, spürte er erneut, dass er anders war.
Dass andere Leute mehr Glück gehabt hatten, als er.
Und auch Liam spürte die Kälte, die zwischen ihnen war, während der Streit des Vorabends noch immer zwischen ihnen hing. Unausgesprochene Wörter lagen zwischen ihnen in der Luft, während jeder aus ihnen ihre eigenen Schlussfolgerungen zog, ganz gleich, ob sie gerechtfertigt waren oder nicht.
Seit dem gestrigen Abend hatten sie kaum ein Wort miteinander gesprochen, ihre Konversation untereinander auf das nötigste beschränkt.
Niall hatte seit Tagen kaum mehr etwas von sich gegeben, schien in sich gekehrt, als würde er in seinem Inneren einen Kampf mit sich selbst austragen.
Und irgendetwas sagte Liam, dass es auch so war.
Selbstverständlich konnte er, wenn er ganz ehrlich zu sich selbst war, auch den Grund dafür ausmachen.
Immerhin hatte dieses Thema irgendwann aufkommen müssen.
Sie waren nun zusammengezogen, hatten mehr als genug Platz in Liam's Haus am Stadtrand und waren ein verdammt glückliches Paar. Sogar über eine Hochzeit hatten sie bereits gesprochen.
Und dann hatte Niall ihn eines Abends eiskalt erwischt; hatte ihn gefragt, wie er denn zu dem Thema Kinder stünde.
Liam war es kalt den Rücken hinuntergelaufen. Darüber hatte er noch gar nicht nachgedacht, obwohl das doch eigentlich ein Thema war, dass man vor dem Beginn einer Beziehung abgeklärt haben sollte.
Natürlich hatte er ihm gesagt, dass das für ihn nicht in Frage käme und er sich absolut nicht vorstellen konnte, ein Kind zu adoptieren. Immerhin war er Rechtsanwalt und konnte noch nicht einmal genug Zeit für einen Hund aufbringen - was also sollte er einem Kind schon bieten, abgesehen von finanziellen Mitteln?
Ein Kind brauchte mehr als finanzielle Sicherheit. Es brauchte Liebe, Zuwendung und Geduld, und das war etwas, was er im Moment einfach nicht zu genüge aufbringen konnte. Außerdem hatte er sich aufgrund seiner Homosexualität längst damit abgefunden, keine Kinder bekommen zu können.
Das Thema war für ihn praktisch erledigt gewesen.
Doch dann hatte er das Leuchten in Niall's Augen gesehen, den Funken Hoffnung und das freudige Strahlen, als er das Thema angesprochen hatte.
Und es hatte ihm Angst gemacht.
Er hatte mit einer dermaßen brutalen Ablehnung reagiert, dass Niall regelrecht zusammengezuckt war und das Thema gar nicht erst versucht hatte, zu vertiefen.
Niall hatte das Thema kein weiteres Mal mehr zur Sprache gebracht.
Das Ganze lag mittlerweile über vierundzwanzig Stunden zurück, und sie hatten seitdem kaum ein Wort miteinander gesprochen.
Es lag beiden schwer im Magen.
Niall verstand nicht, wie Liam so abweisend hatte reagieren können und Liam verstand nicht, weshalb Niall nicht früher gesagt hatte, dass dieses Thema für ihn überhaupt relevant war.
Wie selbstverständlich war er davon ausgegangen, dass Niall - wie er selbst - sich bereits längst von dem Gedanken an Kinder verabschiedet hatte.
Wie hatte er sich nur so täuschen können?
Louis prostete seinen Freunden zu und riss die beiden damit aus ihren düsteren Gedanken. „Wir sollten demnächst mal wieder zusammen in eine Bar gehen", richtete er sich an Niall, „Wie früher."
Niall nickte bloß und erwiderte zögerlich das Lächeln seines besten Freundes, ehe er an seinem Bier nippte und wieder in seinen Gedanken versank.
Dies war das Zeichen für Louis, der ganzen Sache auf den Grund zu gehen. Selten hatte er seinen besten Freund derart deprimiert gesehen.
Er stand also auf und warf Niall einen aufmunternden Blick zu. „Ich gehe eben in die Küche und bereite ein paar Getränke vor", kündigte er an, „Hilfst du mir dabei?"
„Aber Harry hat doch gerade eben erst ein paar Flaschen Bier gebracht", antwortete Niall verwirrt und deutete auf die Flaschen, die Harry vor wenigen Minuten an alle verteilt hatte.
„Willst du uns abfüllen?", kicherte Liam, woraufhin Louis erneut den unbehaglichen Blick in Niall's Augen bemerkte.
Er sah ihn bittend an. „Nun komm schon. Ich brauche deine Hilfe."
Obwohl das gelogen war, und Niall das ganz genau wusste, stand er auf und folgte seinem besten Freund in dessen Küche.
Dort angekommen zog Louis einige Gläser aus dem Schrank und stellte sie auf den Tresen. „Erzähl mir doch bitte, was mit dir los ist", bat er ihn und hielt einen Moment inne, um ihm tief in die Augen zu sehen. „Ich merke doch, dass etwas zwischen Liam und dir nicht stimmt."
Niall senkte seinen Blick und spürte, wie das düstere Gefühl sich wieder einen Weg durch seinen Körper bahnte.
„Ich weiß nicht, ob ich dir das erzählen soll", murmelte Niall und wich Louis' Blick aus, „Immerhin ist das doch etwas sehr intimes."

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