Yogalehrer

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Natürlich musste Louis das machen, und natürlich hatte Liam Mittel und Wege gefunden, ihm die Nummer dieses ominösen Yogalehrers zu besorgen.
Zwar hatte Louis fest damit gerechnet, dass er einem Gespräch niemals zustimmen würde, aber dann hätte er wenigstens nichts unversucht gelassen und konnte sich in Ruhe überlegen, wie sie weiter verfahren würden.
Allerdings hatte Lance dem Gespräch überraschenderweise tatsächlich zugestimmt - auch er war offensichtlich daran interessiert, die Sache fair mit allen Beteiligten aufzuklären, auch wenn Jane das aller Wahrscheinlichkeit nach nicht sonderlich gut gefallen würde.
Also hatten Lance und Louis sich noch am gleichen Wochenende in einem nahegelegenen Park verabredet, um unauffällig miteinander spazieren zu gehen. Harry hatte er erzählt, er würde sich mit einem Freund aus dem Kollegium treffen, um nach langer Zeit mal wieder zusammen einen Kaffee zu trinken. Harry hatte zwar nicht ausgesehen, als würde er ihm unbedingt glauben, was er da erzählte, aber er hatte auch nicht weiter nachgefragt. Vermutlich würde er das allerdings tun, wenn er wieder nach Hause kam.
Obwohl Louis sich noch immer nicht sicher war, ob das Ganze eine so gute Idee war, traf er sich am darauffolgenden Tag mit Lance.
Der Yogalehrer hatte eine so unauffällige, unschuldige Erscheinung, dass Louis sich sicher war, ihn unter anderen Umständen gut leiden zu können.
Unter den gegebenen Umständen allerdings war es vermutlich nicht schwer zu erraten, dass Lance bisher nicht besonders viele Sympathie-Punkte gesammelt hatte.
Die beiden Männer begrüßten sich, uns der Yogalehrer seufzte. „Danke, dass Sie sich so spontan Zeit genommen haben."
Louis seufzte ebenfalls. Als ob ich eine Wahl hätte, schoss es dem Lehrer durch den Kopf; allerdings behielt er diesen Gedanken lieber für sich.
Stattdessen lächelte er den eigentlich Fremden an und zuckte beide Schultern. „Ich danke Ihnen", entgegnete er, „Immerhin bin ich derjenige, der Harry von der Wahrheit überzeugen muss."
Lance beobachtete Louis dabei, wie er sich die tausendste Zigarette an diesem Tag ansteckte. „Ich nehme an, Harry ist Jane's Ex?"
Louis nickte.
„Dann sind Sie also der Lehrer?"
Der Lehrer.
Lance sprach es aus, als wäre das etwas schlechtes.
Louis wollte gar nicht wissen, was Jane ihm alles erzählt hatte; und das, obwohl sie eigentlich gar nichts von ihm wusste.
Einen Moment lang fand Louis es sogar ziemlich amüsant, dass er offensichtlich nur als Der Lehrer' bekannt war.
„Ja", antwortete er also und sah den Mann prüfend an. „Und Sie sind dann also ... Der Yogalehrer."
Louis betonte seinen Satz genauso, wie Lance es getan hatte, und musste über dessen Gesicht beinahe grinsen.
Natürlich hatte er gemerkt, dass Louis ihn ein wenig aufs Korn genommen hatte, aber das machte gar nichts.
Im Gegenteil.
Er schien ihre Begrüßung eigentlich ganz angenehm zu finden. Zumindest entstand dieser Eindruck bei Louis, als er ihn anlächelte und ihm schließlich seine Hand reichte. „Ich bin Lance."
„Louis", streckte er ihm schließlich ebenfalls seine Hand entgegen und war heilfroh, dass die Stimmung zwischen ihnen nicht so angespannt war, wie anfangs befürchtet.
Louis hatte die halbe Nacht kein Auge zugemacht, weil er sich alle möglichen Szenarien ausgemalt hatte, wie dieses Gespräch ablaufen konnte.
Und nicht alle von ihnen waren gut gewesen.
„Jane hat viel von Ihnen erzählt", bestätigte der Yogalehrer also, was Louis bereits befürchtet hatte, während der Lehrer einen tiefen Zug von seiner Zigarette nahm.
„Ach ja?", wollte er schließlich von ihm wissen, „Das ist witzig, denn so viel weiß sie eigentlich gar nicht über mich."
Lance ging neben Louis her den Weg entlang und kickte einen Stein vom Gehweg. „Sie ist nicht sonderlich gut auf Sie zu sprechen."
Louis lachte bitter auf. „Das kann ich mir schon vorstellen. Immerhin habe ich ihr einfach ihre Geldquelle geklaut..."
Louis biss sich auf die Unterlippe und schlug sich innerlich gegen die Stirn.
Das war zu viel des Guten gewesen - immerhin konnte er noch gar nicht abschätzen, welche Gefühle der Mann noch für Jane hatte und ob ein schlechtes Wort über sie nicht alles zunichte machten konnte.
Ganz abgesehen davon wollte er nicht so boshaft wirken. Er war eigentlich nur hier, um Harry zu helfen, und der Yogalehrer sollte nicht das Gefühl bekommen, er wollte Jane eins auswischen.
Obwohl das ein durchaus positiv zu betrachtender Nebeneffekt wäre...
Louis räusperte sich. „Jedenfalls kann sie so viel gar nicht über mich wissen."
„Naja", gab Lance zurück, „Sie scheint jedenfalls genug Ahnung zu haben um zu wissen, dass Sie ebenfalls eine Tochter in Victorias Alter haben."
Louis nickte. „Ja, das stimmt. Sie besuchen den gleichen Kindergarten. So haben Harry und ich uns kennengelernt."
Louis versuchte, so neutral wie nur irgendwie möglich zu klingen, auch wenn ihm das ziemlich schwer fiel.
„Und wann war das?"
Louis atmete aus und dachte einen Moment lang nach. „Vor etwas mehr als einem halben Jahr", gab er schließlich zur Antwort, nachdem er grob überschlagen hatte und trat schließlich seine Zigarette auf dem Boden aus.
Der Mann neben ihm nickte, und steckte die Hände in seine Jackentasche. Eine blonde Strähne hing ihm tief in die Stirn. „Jane hat erzählt, sie ist sich sicher, dass Harry niemals freiwillig etwas mit einem Mann anfangen würde."
Obwohl Louis keinen blassen Schimmer hatte, was das mit ihrem eigentlichen Gesprächsthema zu tun hatte, sah er sein Gegenüber irritiert an. „Was denkt sie dann, wie das abgelaufen ist? Dass ich Harry gefesselt und gezwungen habe, seine Frau zu verlassen?"
Lance musste lachen, obwohl die ganze Thematik eigentlich alles andere als witzig war. „So ungefähr", gab er belustigt zur Antwort, und Louis glaubte heraushören zu können, dass auch er nicht mehr so gut auf Jane zu sprechen war.
Was für ein Wunder.
Louis sah ihn einen Moment lang wieder etwas ernster an. „Ich bin nicht stolz drauf, etwas mit einem verheirateten Mann angefangen zu haben", stellte er schließlich klar und steckte sich die nächste Zigarette an. „Aber wenn ich Ihnen eines versichern kann, dann dass ich Harry mit Sicherheit nicht dazu gezwungen habe."
Allein der Gedanke daran war so absurd, dass Louis nun doch lachen musste.
Er dachte an den Zeltausflug, an Paris und an all die schönen Stunden, die sie miteinander gehabt hatten - und an Harry's Ausrutscher mit Jane, als er sich doch eigentlich längst von ihr hatte trennen wollen.
Er dachte daran, wie schrecklich er sich gefühlt hatte, wie gebrochen sein Herz gewesen war - und wie sie irgendwie trotz dieser Geschichte wieder zueinander gefunden hatten.
Nie hatte er auch nur den Gedanken gehabt, Harry zu irgendetwas zu zwingen - er hatte sich stets freiwillig für ihn entschieden, und Louis hatte ihn nicht großartig zu überreden brauchen, als sie das erste Mal miteinander geschlafen hatten...
Der Yogalehrer nickte und fragte sich vermutlich, ob Louis den ganzen Tag lang eigentlich auch andere Dinge tat, als zu rauchen. „Wissen Sie, es ist mir egal, aus welchen Gründen Harry Jane verlassen hat", erklärte er schließlich und stieß ein tiefes Seufzen aus. „Aber ich würde einfach gerne wissen, ob die beiden noch miteinander geschlafen haben, bevor... es auseinander ging."
Louis schluckte den Kloß herunter, der sich beim Gedanken daran in ihm bildete. „Haben sie", antwortete er wahrheitsgemäß, „Allerdings wird es schwierig sein, Jane davon zu überzeugen, uns ehrlich zu erzählen, wann sie mit wem geschlafen hat."
Lance strich sich die Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ich kann einfach nicht glauben, dass ich mich so in ihr getäuscht habe."
Louis fühlte sich fehl am Platz. Eigentlich sollte Harry an seiner Stelle hier sitzen und sich das Ganze anhören, immerhin war er derjenige, der nicht glauben wollte, was sich offensichtlich direkt vor seinen Augen abspielte.
Louis kannte die Geschichte, und Louis war nicht im Geringsten überrascht von den Dingen, die Lance gerade vor ihm ausbreitete.
„Da haben Sie war mit Harry gemeinsam", murmelte er, viel mehr zu sich selbst, als zu dem Yogalehrer neben ihm, der mit nach oben gezogenen Augenbrauen musterte, wie er sich innerhalb kürzester Zeit bereits die dritte Zigarette ansteckte. „Er weigert sich partout zu glauben, dass sie ihn betrogen hat und ganz genau weiß, dass Harry als Vater nicht infrage kommt."
„Das kann ich nicht beurteilen", gab der Yogalehrer zur Antwort und schüttelte hilflos den Kopf.
Nun war Louis derjenige, der seufzte. „Mein Freund Niall hat ein Gespräch zwischen Jane und Sophia belauscht, in dem sie ihr erzählt hat, dass sie lediglich versucht, Harry das Kind unterzuschieben, weil er finanziell besser aufgestellt ist. Also in etwa das, was sie Ihnen auch erzählt hat, soweit ich das mitbekommen habe."
Louis konnte seinem Gesprächspartner deutlich ansehen, wie unangenehm ihm diese Unterhaltung war, und vor allem, dass er sich ziemlich blöd vorkam.
Lance nickte. „Sie ist der Überzeugung, das beste für das Kind zu tun, wenn sie ihn weiterhin in dem Glauben lässt, dass er der Vater ist."
Louis schnaubte. „Natürlich. Es macht immer Sinn, das Leben eines Kindes auf Lügen aufzubauen."
Die Ironie in seiner Stimme kochte regelrecht über.
„Ich habe nicht das Gefühl, dass sie es wirklich zum Wohl des Kindes tut", gab Lance schließlich zu, „Ich denke viel mehr, sie will ihre eigene Haut retten."
„Natürlich will sie das", stimmte Louis ihm zu, „Aber es ist natürlich einfacher, sich auf das Kindeswohl herauszureden und sich selbst als rettenden Samariter zu präsentieren, als ganz einfach dazu zu stehen, dass man Mist gebaut hat."
Obwohl seine Worte hart und deutlich waren, stimmte der Yogalehrer ihm zu. „Da haben Sie recht."
Louis konnte an seinen Augen sehen, dass er noch Gefühle für Jane hatte. Es fiel ihm ebenso schwer wie Harry, zu akzeptieren, dass sie ein falsches Spiel gespielt hatte.
Nur mit dem Unterschied, dass Harry keine Gefühle mehr für Jane hatte - er wollte ganz einfach nicht wahrhaben, dass die Hälfte seines Lebens eine einzige Lüge war.
Dass die Mutter seiner Tochter ihn belogen und ausgenutzt hatte - obwohl er immer versucht hatte, ihr alles zu bieten, was sie hatte haben wollen.
„Er hat alles für sie getan", stellte er schließlich fest, „Und sie hat ihn zum Dank nur betrogen."
„Auch auf die Gefahr hin, dass Louis ihm widersprechen würde, hielt Lance einen Moment lang inne und sah den Lehrer an. „Ich sage es ja nur ungern", sagte er, „Aber in dem Punkt ist Harry keinen Deut besser als Jane. Er hat sie genau so betrogen, wie sie ihn."
Obwohl Louis der Gedanke nicht gefiel, musste er zugeben, dass der Mann Recht hatte.
So hatte er das nur selten betrachtet; im Endeffekt hatte auch Harry sich mehr als nur falsch verhalten, indem er sie mit Louis betrogen hatte. Auch er hätte ehrlicher zu ihr sein müssen.
Er hatte lediglich das Rückgrat, zu seinem Verhalten zu stehen. Mittlerweile.
Louis nickte und fuhr sich mit der Hand über das blasse Gesicht. „Da mögen Sie wohl Recht haben."
Nach einer kurzen Pause, die in ihrem Gespräch entstanden war, nahm Louis seinen Mut zusammen und sah den Fremden bittend an. „Ich brauche Ihre Hilfe."
„Ach ja?"
„Ja", antwortete Louis und machte seine Zigarette aus. „Würden Sie das, was Sie mir erzählt haben, auch Harry erzählen?"
Der Mann sah nicht aus, als würde ihn diese Idee überzeugen. „Ich weiß nicht...", murmelte er, und Louis konnte an seinem Blick sehen, dass er ziemlich verunsichert war. „Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist."
Am liebsten hätte Louis sich gegen die Stirn getippt und ihn gefragt, ob er eigentlich nicht sehen konnte, was Jane für ein Spiel spielte und weshalb um alles in der Welt er ihm nicht helfen wollte; dann allerdings besonnte er sich darauf, dass es absolut keinen Sinn hatte, Druck auszuüben und den armen Mann zu beleidigen.
Er war arm genug dran, genau wie Harry.
Im Grunde genommen saßen sie im gleichen Boot.
„Warum nicht?", fragte er also und sah sein Gegenüber fragend an, während er sich bemühte, sich seine innere Anspannung nicht anmerken zu lassen.
Lance blieb stehen und sah Louis zweifelnd an. „Ich habe Angst vor seiner Reaktion."
„Glauben Sie mir", antwortete Louis, „Ich auch."
„Warum? Denken Sie nicht, dass er mir glauben wird?"
„Doch. Aber ich glaube nicht, dass er die Wahrheit gut verkraften wird."
„Aber er wird die Wahrheit doch früher oder später ohnehin aus dem Vaterschaftstest erfahren."
Louis nickte. „Natürlich wird er das. Aber dann ist es doch viel zu spät. Er wird solange weiterhin eine Bindung zu einem Kind aufbauen, das nicht seines ist und Sie werden sich die ganze Zeit über fragen, wieso sie nicht einfach der Vater für ein Baby sein können, das Sie selbst gezeugt haben."
Der Yogalehrer schien einen Moment lang über seine Worte nachzudenken, noch immer mit sich zu ringen; doch dann nickte er und sah Louis verunsichert an. „Okay", willigte er schließlich ein. „Ich werde mit Harry sprechen."

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