check mate

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H A R P E R

„Anscheinend hab ich euch beide verloren."

Der gebrochene Klang von Daniels Stimme wäre mir unter anderen Umständen wohl durch Mark und Bein gegangen, aber jetzt prallte er einfach nur an mir ab.

"Es sieht ganz so aus", murmelte ich und der Australier biss sich auf die Lippe und nickte dann schwach.

"Wenn das so ist, hab ich hier wohl nichts mehr zu suchen."

Er hielt noch einen Augenblick inne, als ob er von mir erwarten würde ihn aufzuhalten, dann schob er sich an mir vorbei und verließ das Wohnzimmer. Ich blieb einfach stehen, hörte wie er zu Elliott ins Zimmer ging und sich von ihm verabschiedete, dann das Rascheln im Badezimmer und der Küche und schließlich das Zuknallen der Wohnungstür.

Irgendwo tief in meinem Inneren regte sich etwas, irgendein Gefühl, aber bevor ich es näher bestimmen konnte, hatte ich es bereits unterdrückt und atmete tief durch.
Also dann, ich musste eine Menge erledigen und bei der Arbeit anrufen, um zu fragen, was ich für meine Rückkehr vorbereiten sollte.

~~~

"Mum?", fragte Elliott und zog dabei das "u" in die die Länge.

"Ja?"

"Können wir Lauren fragen, ob wir am Sonntag wieder bei ihr das Rennen schauen und Daniel anfeuern können?"

Ich schluckte.

Genauso wie bei Daniel hatte ich auch bei Lauren versucht, sie auf Abstand zu halten.
Bei ihren Besuchen im Krankenhaus hatte ich immer behauptet müde zu sein, weshalb sie nie lange geblieben war und seit ich wieder zu Hause war, hatte ich sie nur einmal kurz besucht, um mich zurückzumelden und mich dann wieder damit herausgeredet, mich ausruhen zu müssen. Wenn wir mehrere Stunden bei ihr verbrachten, würde sie sicher einen Weg finden, um ein Gespräch mit mir zu führen, das ich auf keinen Fall führen wollte.

Ich kam gut klar, es war alles okay.
Ja, ich hatte eine Fehlgeburt gehabt, aber sowas kam vor.
Eine von sieben Schwangerschaften weltweit endete mit einer Fehlgeburt, eine von zehn Frauen hatte in ihrem Leben mindestens eine Fehlgeburt. Das waren Fakten und ich war nur ein winziges Puzzlestück in dieser Statistik.

Und was sollte es bringen sich deswegen von Gefühlen überwältigen zu lassen?

Es ließ sich nicht ändern, jetzt musste ich nach vorn schauen und so schnell wie möglich wieder Geld verdienen. Dass ich im Krankenhaus gewesen war und man mich noch bis Ende nächster Woche krankgeschrieben hatte, hatte Mrs. Frier natürlich überhaupt nicht gefallen und ich würde eine Menge Überstunden machen müssen, um sie wieder halbwegs zu besänftigen.

"Mum?"

Verwirrt schüttelte ich den Kopf und erinnerte mich daran, dass Elliott mir ja eine Frage gestellt hatte.

"Ich frag sie, okay?"

"Okay."

Zufrieden widmete der Kleine sich wieder seinem Essen, während ich auf meinen Teller starrte, von dem ich bis jetzt nur etwa fünf Nudeln gepickt hatte.
Ich hatte keinen Hunger.
Schon seit Tagen nicht.
Aber das war doch auch egal, oder?

Alles war irgendwie egal, es spielte keine Rolle.
Ich spielte keine Rolle in diesem Universum und das Baby spielte auch keine Rolle in diesem Universum. Wir waren alle nur Schachfiguren des Zufalls und ich war Matt gesetzt worden.

Aber wie hatte Isaac Asimov einmal geschrieben?
Im Unterschied zum Schach, geht im Leben das Spiel nach dem Schachmatt weiter.
Also machte ich weiter.





Melt My Ice, Sunnyboy (Daniel Ricciardo FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt