I'm a mother first

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H A R P E R

"Warum liest du das überhaupt noch? Warum hast du Instagram nicht gelöscht, so wie ich es getan habe?", fragte Daniel vorwurfsvoll und mit lauter, genervter Stimme.

"Das ist doch meine Sache", entgegnete ich sofort, "Und bitte hör auf mich so anzumotzen, ich hab dir nichts getan."

"Mir nicht, aber dir selbst tust du das an. Was bringt es dir, diese hasserfüllten Kommentare zu lesen? Warum quälst du dich absichtlich damit?"

"Weil ich wissen muss, wie viel die wissen!
Mittlerweile sind Fotos von Elliott und mir aufgetaucht, die an den Rennwochenenden gemacht wurden, zu denen wir eingeladen waren. Er trägt immer die Kappe und die Sonnenbrille, aber es ist trotzdem allen klar, dass das mein Sohn ist.
Und weißt du, was die Leute dazu schreiben?
Dass man euch vor mir retten muss, weil es mit mir sicherlich die Hölle ist und ich doch sowieso nur auf dein Geld aus bin.
Diese Menschen kennen mich nicht und trotzdem hassen sie mich abgrundtief und ziehen meinen Sohn da mit rein."

"Genau deswegen wollte ich nicht, dass du das weiterhin liest. Diese Kommentare sind das Letzte", entgegnete Daniel und ich schüttelte den Kopf.

"Es geht nicht um die Schmähkommentare oder die Leute, die mich hässlich und deiner nicht würdig finden. Es geht um die Leute, die meinen Sohn wegen seiner Mutter bemitleiden oder ihm wünschen, dass ich ihn weggebe und er von jemand liebevollerem adoptiert wird.
Ich bin deine Freundin Daniel, aber zuerst bin ich eine Mutter.
Elliott wird für mich immer das Wichtigste sein und daran werden meine Gefühle für dich niemals etwas ändern.
Ich bin zuerst eine Mutter."

Die Tränen, die sich in meinen Augen gebildet hatten, liefen mir längst über die Wangen und Daniel sah mich nur hilflos an.

"Was soll ich denn machen? Ich hab meine Meinung zu diesen Kommentaren gesagt und fast alle anderen Fahrer und Teams haben diese Meinung geteilt, aber dass das nicht alle zur Vernunft bringen wird, war von vornherein klar.
Wie soll ich es denn bitte schaffen, Elliotts und deine Privatsphäre zu schützen, wenn ich offensichtlich nichtmal meine eigene schützen kann?"

Erschöpft wischte ich mir über die Augen und biss mir auf die Lippe.

"Ich weiß es nicht. Und obwohl es nicht rational von mir ist, so zu denken, kann ich dich gerade nicht ausstehen, weil du eine Mitschuld an dieser Situation trägst.
Du hast vorgeschlagen unsere Beziehung zu veröffentlichen und ich hab mich überreden lassen. Dass ich eine Mutter bin, für die man sich schämen muss, ist meine eigene Schuld und glaub mir, ich hasse mich mehr dafür als all diese Menschen im Internet.
Also entschuldige mich bitte, ich muss mal an die frische Luft."

Bevor der Australier mich aufhalten konnte, war ich an ihm vorbeigelaufen, hatte mir im Gehen meinen Schlüssel genommen und verließ die Wohnung.

Während ich durch die eher trostlose Nachbarschaft lief, fragte ich mich, wie lange es wohl dauern würde bis irgendwer in der Umgebung von all diesen Dingen erfahren würde.
Der Vermieter zum Beispiel?
Eine ehemalige Prostituierte bei sich wohnen zu lassen empfand er sicher als Schande und da ich die Miete einige Male nicht ganz pünktlich oder vollständig hatte zahlen können, würde er mich vielleicht rausschmeißen.

Niedergeschlagen setzte ich mich schließlich irgendwo auf eine Bordsteinkante, umarmte meine Knie und legte meinen Kopf darauf ab.
Wie schnell sich doch alles geändert hatte.
Hinter mir lag eine Achterbahnfahrt der Gefühle, von der Panik wegen der Schwangerschaft über die gemeinsame Vorfreude mit Daniel, den furchtbaren Schmerz und die Trauer der Fehlgeburt, die Liebe und Nähe, die Daniel und ich anschließend wieder geteilt hatten bis hin zu der Scham und der Wut über die vielen bösen Kommentare und die Tatsache, dass es jetzt auch Elliott getroffen hatte.

Melt My Ice, Sunnyboy (Daniel Ricciardo FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt