you have a beautiful smile

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H A R P E R

Die erste Novemberhälfte verging wie im Flug und am 3.11. mussten wir uns schon wieder von Daniel verabschieden, der zu den Rennen nach Mexiko, Brasilien und Katar flog und zwischendurch nicht nach Hause kommen würde.

Wir telefonierten fast jeden Tag und besprachen alle möglichen Ideen, die wir zur neuen Wohnung hatten oder redeten stundenlang über Gott und die Welt und wie sehr wir einander vermissten.
Außerdem begannen wir uns wieder jeden Morgen gegenseitig Selfies zu schicken, um uns zu sehen und die Distanz zwischen uns für einen Augenblick vergessen zu können.

Elliott kam währenddessen in eine Art kurze Trotzphase, die mich immer wieder innerlich zum Kochen brachte. Ich befürchtete, dass es daran lag, dass er innerhalb weniger Tage zwei der wichtigsten Menschen in seinem Leben "verloren" hatte, weil Theo ausgezogen und Daniel weggeflogen war.
Mir tat es genauso weh wie ihm, aber es ließ sich nichts an dieser Situation ändern und ich versuchte einfach, meinem Sohn verständnisvoll zu begegnen.

Und dann kam schneller als erwartet mein erster Arbeitstag in Woking und die Aufregung und Nervosität, die mich während der Hinfahrt begleiteten, wurden innerhalb der ersten halben Stunde zunichte gemacht. Meine Kollegen waren alle wahnsinnig nett und herzlich und mein Chef war ebenso freundlich und aufgeschlossen, was mir nochmal aufs Neue vor Augen führte, dass ich mit Mrs. Frier einfach wahnsinniges Pech gehabt hatte.

Zwar gab ich im neuen Job alles und wollte mich gut präsentieren, aber die Arbeitsmenge war absolut in der regulären Zeit zu schaffen und ich häufte keinerlei Überstunden an, was sich irgendwie seltsam anfühlte.
Wenn ich am frühen Abend zurück nach Hause kam, konnte ich für Elliott und mich zu Abend kochen, ihm bei den letzten Hausaufgaben helfen und dann gemeinsam mit ihm noch irgendwas machen, worauf er Lust hatte bevor es Zeit fürs Bett wurde.

Bei meinen Telefonaten mit Daniel sagte er mir immer wieder, wie viel fröhlicher ich mich anhörte und aussah und wie sehr er sich darüber freute. Ich stimmte ihm zu, gleichzeitig fragte ich mich, ob ich wohl noch schwanger wäre, wenn ich früher den Job gewechselt und eine solche Stelle gehabt hätte.

Im Krankenhaus hatte man mir damals gesagt, dass ich die Infektion zwar früher hätte bemerken können, es dann aber trotzdem schon zu spät für unsere Tochter gewesen wäre. Mein Stress hatte das ganze jedoch beschleunigt und verschlimmert und das würde ich mir selbst wohl niemals ganz verzeihen können.

Überhaupt erwischte ich mich in letzter Zeit immer häufiger dabei, wie ich an das Baby dachte und mich fragte, wie es jetzt gerade wohl wäre, wenn ich noch schwanger wäre. Wir hätten vielleicht eine andere Wohnung genommen, in der etwas mehr Platz für ein weiteres Kinderzimmer wäre und Elliott würde im Januar an der neuen Schule allen voller Stolz erzählen, dass er bald großer Bruder werden würde.

Aber all das war nur ein Traum, ein Hauch von einer Illusion, der sich aus der Sehnsucht nach etwas ergab, was niemals sein würde. Egal wie oft ich mich daran erinnerte, dass es nur ein Wunschtraum war, ich konnte nichts gegen diese Gedanken tun und gegen die Trauer, die mich jedes Mal überfiel, wenn ich wieder daran dachte.

Aber unsere Tochter war gestorben, das war ein Fakt und genauso war es ein Fakt, dass ich mit Elliott einen Sohn hatte, der mich brauchte. Und genau dieser Sohn saß gerade in seinem Zimmer über den Hausaufgaben während ich ihn vom Türrahmen aus beobachtete.

Nach kurzer Zeit bemerkte er mich und sah mich fragend an.
"Was ist los, Mum?"

Lächelnd schüttelte ich den Kopf.
"Gar nichts, Krümel. Ich wollte nur fragen, ob du Hilfe brauchst."

"Brauch ich nicht. Ich bin auch gleich fertig."

"Cool. Wollen wir dann was schönes zusammen machen? Etwas spielen oder einen Film schauen oder-"

Melt My Ice, Sunnyboy (Daniel Ricciardo FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt