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Es verblüffte mich, wie sich Itachi seinem jüngeren Bruder gegenüber verhalten hatte. Zwar kannte ich die Hintergründe des Nuke-Nin, doch diese Bilder, dieser Blick. Als wäre er ein komplett anderer Mensch. Und doch erkannte ich die Sorge und die sofortige Reue in seinen Augen.

Die Menschen dachten, er wäre ein Monster. Sie fürchteten und verachteten ihn. Wie unwissend sie doch waren.

Dabei war er nie ein Monster. Er war einfach nur gebrochen.

Und so wie ich meine Hände von den Brüdern löste, fasste ich für mich selbst einen Entschluss. Diesen würde ich zuerst mit Tsunade absprechen müssen, jedoch würde es mich direkt zu Danzō führen und ihn mit seinen Schandtaten konfrontieren. Wenn die 5-Kage-Konferenz durch war, wollte ich die Ne-Einheit für mich beanspruchen. Und wenn ich um sie kämpfen musste.

Ich sah mich im Raum nach einer Lichtquelle um und erkannte die geschlossenen Fensterläden. Ohne weitere Worte ging ich auf sie zu und öffnete sie. Das Licht flutete den Raum und ließ das Ambiente direkt vollkommen anders aussehen. Wie erwartete war es sehr staubig, doch man konnte das wohnliche Dekor erkennen. Die beiden hatten es sicherlich nicht immer einfach, aber sie hatten ein Zuhause. Sie hatten Eltern, die sich um sie gesorgt haben, auch wenn es Differenzen gab. Und schlussendlich hatten sie einander. Dies durften sie unter keinen Umständen vergessen. Zudem sind nun auch Obito und ich in deren Leben getreten. Zumindest wir vier hatten eine Bindung zueinander und wenn es nur das Blut war, was durch unsere Adern floss oder die Beziehung, die Itachi und ich führten. Und selbst dann hatte der kleine Uchiha hier noch ein paar besondere Menschen, die auf ihn warteten.

"Ich weiß, dass ich mir kein Urteil darüber erlauben darf, was ihr erlebt habt. Rein theoretisch gesehen geht es mich nichtmal etwas an.", begann ich und wand mich den Uchiha Brüdern zu. "Ich möchte eure Gefühle und das Trauma auch absolut nicht runterspielen, schließlich habe ich selbst genug davon. Aber nehme es mit raus, von euch - uns allen - zu verlangen, dass wir miteinander kommunizieren. Kein Problem, kein Dilemma und keine schwierige Phase muss man mit sich selbst durchstehen. Schließlich sind dafür Freunde und Familie da. Ich möchte, dass wir ehrlich zueinander sind.", sprach ich nüchtern. Dabei verlangte ich keine Antwort. Und gerade, als ich mich zu Tsunade drehen wollte, ertönte die Stimme des kleinen Uchiha.

"Selbst nach deiner Entschuldigung und der kompletten Erklärung, fiel es mir etwas schwer den Hintergrund für deine Taten zu verstehen. Irgendwie hat es mich nur noch mehr verwirrt und ich denke viel darüber nach.", sagte er an seinen älteren Bruder gerichtet. "Je mehr Zeit ich mit dir und Kairi verbracht habe, desto deutlicher habe ich gespürt, dass du es wieder gut machen möchtest. Und jetzt, wo wir hier sind, fühlt es sich an, als könnte ich mit allem abschließen. Als würde ich nicht mehr den Geistern der Vergangenheit hinterher jagen müssen.", erklärte er ruhig. So hatte ich ihn bisher noch nie gesehen. Sasukes Züge waren entspannt, seine Worte ehrlich und seine Stimme entschlossen. Ich war stolz auf ihn, in jeglicher Hinsicht.

Die beiden Brüder begannen sich endlich ernsthaft auszusprechen, ohne dass es irgendwelche bittersüßen Nachgeschmäcker hatte. Die Verwirrung, der Hass und die Enttäuschung trugen nichts zu dieser Konversation bei. Ich deutete der Meisterin Hokage, Obito und dem Hatake an, dass wir die beiden allein lassen sollten. Sie stimmten mir wortlos zu, als sie mir aus dem Raum folgten und wir weiter über die Veranda gingen. Zwar schloss ich die Möglichkeit über ein erneutes aneinander geraten der beiden Uchiha Brüder nicht aus, doch ich hatte ein gutes Gefühl bei der Sache.

"Ich habe noch eine Bitte, Tsunade.", sagte ich, als wir langsam weiter gingen. Sie antwortete nicht, sah mich nur von der Seite an. "Ich möchte die Ne-Einheit übernehmen." Die Blonde lachte humorlos auf.

"Das ist ein bisschen weit vorgegriffen, meinst du nicht?", fragte sie rhetorisch.

"Durchaus.", antwortete ich. "Doch ich habe vielerlei Gründe dafür. Dabei ist der erste - und der wichtigste - dass ich Danzō nicht vertraue. Natürlich verlange ich es nicht, aber einen Blick würde ich trotzdem gern auf diese Einheit werfen.", ergänzte ich.

"Das ist mir bekannt.", kommentierte sie. "Weißt du Kairi, ich mag deine Zielstrebigkeit und deinen Ehrgeiz. Aber wozu brauchst du die Ne?", fragte sie berechtigterweise.

"Nun, zum einen möchte ich nicht, dass Danzō uns mit einer Intrige dazwischen funkt. Dies scheint nämlich sein Spezialgebiet zu sein.", begann ich. "Zum anderen wäre es nur profitabel, wenn diese talentierten Shinobi nicht ausgenutzt und manipuliert werden würden. Ich könnte die Organisation ausbauen, denn auch ich kann nicht überall gleichzeitig sein, und der Rest fließt mit in deine ANBU rein.", erklärte ich.

"Du willst neue Mitglieder rekrutieren?", hakte sie etwas skeptisch nach. Sie war nach wie vor etwas vorsichtig, was ich durchaus nachvollziehen konnte. Wenigstens waren wir uns darüber einig, dass keine von uns Danzō vertraute.

"Anders: Ich würde Vertreter und Vertreterinnen rekrutieren, keine Mitglieder. Sollten wir unser Hauptziel letztendlich erreichen, dann kannst du sie wieder in die ANBU eingliedern.", schlug ich vor. Tsunade überlegte.

"Ich kann dir die Ne nicht einfach überlassen, dazu bin ich nicht berechtigt.", sprach die Blonde. "Doch ich kann dir ein Treffen mit Danzō organisieren. Den Rest musst du mit ihm aushandeln.", erklärte sie. Dies reichte mir bereits. Stück für Stück erlangte ich mehr ihres Vertrauens.

"Perfekt.", kommentierte ich. "Ich habe noch eine kleine Bitte, aber dieses Mal an dich, Kakashi.", sagte ich und meine Mundwinkel zuckten kurz nach oben.

Wir befanden uns am Eingangsbereich des Anwesens und sprachen über weitere Kleinigkeiten, lernten uns so zu sagen etwas besser kennen.

"Entschuldigt das lange warten.", hörte ich dann den kleinen Uchiha sagen. Er schien so viel gelassener zu sein. Auch sein Chakra floss ruhig durch seinen Körper, als die beiden auf uns zu kamen. Itachi wirkte ebenfalls deutlich beruhigter. Das Gespräch verlief wohl noch besser als erwartet.

Ich sah sie neutral an und nickte. Besser hätte es nicht laufen können. Langsam, aber sicher, fanden die beiden Brüder zurück zu einander. Dies würde vieles nicht nur vereinfachen, sondern spornte sich noch mehr an.
Mir war bewusst, dass Itachi immer hinter mir stehen würde. Ich vertraute ihm bedingungslos. Die Art und Weise wie er mit mir umging verdeutlichte dies von Anfang an. Als hätte ich bei unserer ersten richtigen Begegnung bereits genau ins Schwarze getroffen. Immerhin war er derjenige, der mich so unbedingt beschützen wollte und mir sogar einen Doppelgänger bis nach Amegakure hinterher schickte. Auch er schöpfte neue Hoffnung, nachdem ich ihm sagte, dass er geheilt werden konnte.

Die Erinnerung an seine Sorgen bezüglich seines Bruders schienen nur noch ein leises Rauschen im Hintergrund zu sein. Man sah, wie erleichtert er war. Als hätte man ihm Balsam für seine Verletzungen gegeben.

Doch auch der kleine Uchiha machte große Fortschritte. Er begriff wohl allmählich, dass es nichts schlimmes war, anderen zu vergeben. Zwar musste ich zugeben, dass nicht jeder eine Vergebung verdient hatte, doch die, die bereit waren sich zu bessern, taten dies allemal. Doch vor allem, musste er sich lernen sich selbst zu verzeihen. Auch wenn er an der Beziehung zu seinem älteren Bruder arbeiten wollte, musste er sich selbst reflektieren. Möglicherweise vertrat er nicht mehr die gleichen Ansichten wie vorher, doch Sasuke klammerte sich noch immer an seiner Schuld fest. Er wollte es wieder gut machen, ließ die Schuldgefühle aber immer noch an sich heran.

Kakashi gesellte sich wieder zu uns, nachdem er meiner Bitte nachkam und informierte Tsunade und mich leise über seine Erkenntnisse. Ich legte den Kopf schief und sah dem kleinen Uchiha fest in die Augen.

"Zeigt ihr mir das Dorf? Ich möchte gern wissen, wo ihr eure Zeit verbracht habt.", bat ich die Uchiha-Brüder.

𝙋𝙧𝙚𝙩𝙩𝙮 𝙀𝙮𝙚𝙨 {𝙄𝙩𝙖𝙘𝙝𝙞 𝙐𝙘𝙝𝙞𝙝𝙖 𝙁𝙁}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt