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Der Regen prallte, wie gewohnt, an die Fensterfront in meinem Schlafzimmer. Heute war er jedoch nicht so stark wie sonst. Schon am gestrigen Abend wurde es seichter, was ich auch sofort ausgenutzt hatte um Kakashi und Itachi jeweils eine Fledermaus zukommen zu lassen. Sie müssten die beiden Shinobi bald erreichen und ihnen meine Bitte, oder eher Anweisungen, überbringen.

Itachi wusste ohnehin schon, dass ich mich in zwei Tagen wieder zu ihm teleportieren würde, um ihn zu heilen. Wenn er also weitere Fragen hatte, würde ich sie ihm zu diesem Zeitpunkt direkt beantworten können. Leider schloss mein Plan ein kleines Opfer nicht aus, denn der Uchiha musste seinen Teampartner an einem sicheren Ort mit einem Genjutsu belegen. Irgendwelche Zwischenfälle mit Nicht-Involvierten wollte ich mir bei diesem Plan nicht leisten. Im Anschluss konnte ich Kisames Erinnerungen daran immer noch löschen.

Bis die nächste Behandlung des Schwarzhaarigen ansteht, würde ich Obito hier in Amegakure behalten und mit ihm trainieren. Selbst wenn er sich mal aus dem Staub machen sollte, würde er nicht lange weg bleiben. Immerhin bin ich seine Teampartnerin und rechte Hand - er würde also nie über einen längeren Zeitraum verschwinden.

Nachdem die Behandlung abgeschlossen sein wird, würde ich mit Obito aufbrechen. Wahrscheinlich würde er auch etwas Abwechslung brauchen und genau dann käme mein Vorschlag für eine neue Kopfgeld-Jagd. Das Opfer hatte ich mir natürlich schon ausgesucht und wenn alles nach Plan verlief, dann würde er zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein. Und das wäre dann irgendwo zwischen unseren Aufenthaltsorten gerade.
Natürlich war mir bewusst, dass dies ganz schön gewagt war, doch im schlimmsten Falle würden wir diesen Typen nicht erwischen und trotzdem mit Kakashi und Itachi aufeinander treffen. Dies war auch das Hauptziel und durch meine Laufbahn als Spionin, war ich eine verdammt gute Lügnerin.

Dadurch, dass wir diesem hypothetischen Ziel nachlaufen müssten, könnte Obito auch nicht sein Kamui einsetzten, denn ohne ein genaues Ziel zu haben ergab dies keinen Sinn.

Dann würden sich Kakashi und Obito endlich wieder gegenüber stehen. Ich hoffte nur, dass der Uchiha seinen ehemaligen Freund nicht direkt umbringen wollen würde und mich als Verräterin sah. Doch entkommen würde er definitiv nicht, dafür würde ich sorgen. So müsste er sowohl mir, als auch dem Hatake zuhören. Im besten Fall, käme er dann auch zur Besinnung.

So war zumindest der Plan.

Wie es sich dann in der Realität abspielen würde, war natürlich ein ganz anderes Lied. Doch einen Rückzieher würde ich auf keinen Fall machen. Die ersten Schritte waren auch schon eingeleitet und es konnte beginnen.

Ich machte mich also bereits auf den Weg zum Trainingsraum, in dem ich immer mit Nagato geübt hatte. Er befand sich ebenfalls in dem höchsten Gebäude, was sie damals eingenommen hatten, jedoch eben im Keller.
Nun gut, Keller konnte man es nicht nennen. Es war eine komplette Halle, die weit unter der Erde ausgebaut wurde. Was hier früher einmal drin war, wusste ich ausnahmsweise nicht. Doch ich vermutete, dass es auch eine Art Zufluchtsort sein sollte. Es hatte aber keinen weiteren informativen Wert für mich, weswegen ich es nie hinterfragte.

Zu meinem Erstaunen saß Obito fast mittig in dem Raum und meditierte. Mit seiner sonst aufgeweckten Art, die er durchblicken ließ, wenn wir allein waren, hätte ich das nicht von ihm erwartet.
Ich ging auf ihn zu und setzte mich gegenüber von ihm hin. Wie ein Spiegel amte ich seine Pose nach und begann ebenfalls gleichmäßig zu atmen. Durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus. Man konnte sagen was man wollte, aber Meditation brachte dem Körper nochmal eine andere Art von Ruhe.

"Wann hast du angefangen mir zu vertrauen?", fragte er nach einer Weile.

"Nachdem ich sechs Männer allein bekämpfen musste, weil du dich aus dem Staub gemacht hattest und dann anschließend realisiert hast, dass ich deine de-materialisierung stoppen kann.", antwortete ich wie auf Kommando. Der Uchiha lachte und selbst ich lächelte über diese Erinnerung.
"Ich glaube es fing langsam nach meiner ersten Bijuu-Extraktion an und steigerte sich von da an stetig. Aber so richtig erst, seit dem ich weiß, wer du wirklich bist.", erzählte ich ihm ehrlich. Wahrscheinlich hätte ich es ihm nie einfach so gesagt, wenn er nicht explizit danach gefragt hätte.

"Ich hatte nie wirklich eine Familie. Meine Großmutter hat mich groß gezogen, deswegen habe ich als Kind immer den Alten geholfen.", sprach er, in Erinnerungen schwelgend. Es war wieder ein Moment, in dem man erkannt, dass er in einem unglaublichen Zwiespalt steckte. Auf der einen Seite hatte er schreckliche Schmerzen erlitten, so wohl physisch, als auch psychisch. Auf der anderen Seite schien er immer noch so ein freundliches, sorgsames und aufgewecktes Gemüt zu haben.

Es kam mir nie in den Sinn, dass ich nach Yami nochmal so etwas wie eine Familie haben könnte. Egal ob es in einer Beziehung war oder jemand, der wie ein anderes Familienmitglied für mich hätte sein können. Aus vielerlei Hinsicht hatte ich diese Gedanken verworfen. Menschen in mein Leben zu lassen bedeutete auch immer ein Risiko einzugehen. Dies schürte meine Verlust- und Bindungsängste sehr. Ich isolierte mich, obwohl es Menschen um mich herum gab, die sich kümmerten. Und es wurden immer mehr.

Yami, Nagato, Konan, Itachi, Obito.
Sie sahen nie ein Monster in mir.

Mit größter Wahrscheinlichkeit hätte Obito mich auch auf irgendeine Art und Weise bekämpfen können, wenn er mir nicht vertraut hätte. Nach außen hin wirkte ich immer kühl, doch manche Menschen interessierten mich tatsächlich. Auch wenn ich anfangs nur Informationen sammeln wollte, um Nagato Bericht zu erstatten, hatte Obito mein Interesse an seiner Person geweckt. Wenn man genauer zuhörte, war es nämlich nicht schwer zu erkennen, was sich alles hinter unter der Maske anstaute. Dabei interessierte mich weniger wie er aussah, eher die Seele, die vielleicht noch geflickt werden konnte.

Ausgerechnet der Beitritt bei Akazsuki, der mittlerweile kriminellsten Organisation in der ganzen Ninja-Welt, brachte mich um meine Prinzipien. Es machte mich keineswegs schwach, eher im Gegenteil. Vielleicht würde es meinen Kämpfen etwas mehr Würze verleihen, wenn mir ein paar meiner Mitmenschen nicht egal waren.
Wahrscheinlich würde sich nichts an meinen Kämpfen ändern, wenn ich ehrlich war. Bisher war nur Nagato dazu in der Lage mich ins Schwitzen zu bringen.
Doch ich war auch Obito dankbar, dass er mir freiwillig half. Wie es ein älterer Bruder wohl machen würde.

"Ich bin jetzt deine Familie.", kam es so überzeugend aus meinem Mund, dass sogar mein rationales Ich keine Einwände hatte. Ich machte die Augen wieder auf und blickte in Obitos rechtes Auge. Er verharrte für einige Sekunden in seiner Position und musterte mich. Hörst du Yami, wir haben ein neues Familienmitglied.
"Und für das Wohlergehen meiner Familie kämpfe ich bis zum bitteren Ende.", fügte ich tot ernst an. Es war nicht nur eine Andeutung darauf, dass ich ihn nicht nur vor anderen beschützen würde, sondern auch vor ihm selbst. Obito hatte ja keinen blassen Schimmer, was noch auf ihn zukommen würde. Aber es war zu seinem Besten.

"Arigato. Das kann ich so nur zurück geben.", hauchte er schon fast. Der Uchiha wusste nicht wie es sich anfühlte Geschwister zu haben. Er kannte den Verlust nahestehender Menschen, doch nicht eine Verbundenheit wie diese. Das, was Yami und ich hatten. Doch ich würde es ihn schon näher bringen und er würde meine Entscheidungen im Nachhinein verstehen.

"Genug mit der Gefühlsduselei.", unterbrach ich diesen sentimentalen Moment. Zwar war ich entschlossen, dennoch musste ich mich an diese Schiene langsam ran tasten. Und gerade wurde es mir etwas unangenehm.
"Lass uns trainieren, Bruder."

𝙋𝙧𝙚𝙩𝙩𝙮 𝙀𝙮𝙚𝙨 {𝙄𝙩𝙖𝙘𝙝𝙞 𝙐𝙘𝙝𝙞𝙝𝙖 𝙁𝙁}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt