Mémoire 40

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Vanitas starrte auf den Teller vor sich. Es war kein angewiderter Gesichtsausdruck, aber zufrieden war er auch nicht. Währendessen strahlte Noé förmlich vor sich hin.

"Probiere es doch zumindest mal.", sagte ich, doch Vanitas schüttelte mit dem Kopf.
"Ich weiss wie das schmeckt. Und ich mag es nicht wirklich."

"Du hast diesen Tarte Tatin doch noch gar nicht probiert, vielleicht magst du ihn ja. Und sowieso: Wenn man zusammen isst, schmeckt es direkt besser. Also versuch es zumindest."

Vanitas seufzte. "Na schön, aber nur ein Stück, verstanden?"

Ich began zu lächeln. "Das wollte ich hören."

Noé und ich hatten uns zurück ins Hotel begeben, nachdem mir die Idee kam das wir uns den Tarte Tatin teilen könnten, als eine Art "Belohnung" für unsere Erfolge in den Katakomben. Ich war förmlich am sterben vor Hunger und auch Noé und Vanitas schien es ähnlich zu ergehen. Sie hatten seit wir die Katakomben betreten hatten keinen Bissen mehr gegessen.

Es war wirklich an der Zeit gewesen für eine ordentliche Pause sowie ein wenig Entspannung... und etwas zu Essen.

Während Noé und ich uns auf seinem Bett positioniert hatten, befand sich Vanitas Abseits von uns auf seinem Bett und betrachtete den Tarte Tatin vor sich.

"Ich dachte du wolltest probieren.", sagte ich nach einigen Sekunden die ich Vanitas beobachtete, als ich mir meine Gabel in den Mund stopfte.

Zögerlich ergriff der Schwarzhaarige seine Gabel und trennte ein kleines Stück des Tarte Tatin von seinem Hauptstück ab. Langsam führte er die Gabel zu seinem Mund und das Stück verschwand in seinem Mund. Er kaute einige Male, bis er letztenendes schluckte und sein Gesicht verzog.

"Hasst du Tarte Tatin wirklich so sehr?", fragte ich und Vanitas räusperte sich.
"Hassen wäre vielleicht der falsche Begriff, aber mir sagt es nicht wirklich zu. Noé kann mein Stück haben."

Sofort hob der Weißhaarige seinen Kopf und blickte freudestrahlend zu Vanitas.
"Vielen Dank!"

Während ich weiter an meinem Stück aß blickte Vanitas zu mir und beobachtete mich für einige Zeit, ehe er sich räusperte und somit meine Aufmerksamkeit erlangte.

"Was gibts?"

"Was hälst du von einen kleinen Spaziergang?"

"So spät noch? Die Sonne ist schon längst untergegangen und außerdem tun mir meine Beine weh vom ganzen laufen heute."

"Keine Sorge, es wird nicht lange dauern.", sagte Vanitas als er sich von seinem Bett erhob.
Ich schluckte mein Stück hinunter und reichte Noé meinen Teller, wo noch etwas Tarte Tatin übriggeblieben war. Es war wirklich Noé's Glückstag gewesen.

"Gut.", ich erhob mich ebenfalls und folgte Vanitas hinaus aus dem Zimmer.
Durch das Treppenhaus und die Eingangstür hindurch befand ich mich wieder auf den Straßen Paris. Die Laternen spendeten ein wenig Licht auf den Boden unter unseren Füßen und der Mond hatte sich großzügig über die Stadt erstreckt. Es war ruhig, als würde niemand in dieser Stadt leben. Niemand befand sich zu dieser Zeit mehr außerhalb des Hauses, zu groß waren die Gefahren die in der Dunkelheit lauerten.

Doch ich fühlte mich sicher.

"Gibt es etwas bestimmtes über das du reden willst? Du schlägst doch sowas nicht ohne Grund vor.", sagte ich als ich meine Arme vor meiner Brust verschränkte und zu dem Mann neben mir blickte. Vanitas nickte. "Tatsächlich gibt es etwas was ich dich fragen will."

Ich blieb stehen und auch Vanitas hielt inne.
"Wie groß ist dein Verlangen Blut zu trinken?"

"Entschuldigung?", ich blinzelte überrascht, doch Vanitas würdigte mich keines Blickes.
"Das letzte Mal das du Blut getrunken hast war, als du dich auf mich gestürzt hast. So war es doch, nicht?"

Mein Blick wanderte beschämt auf den Boden. "Das stimmt."
"Hattest du seitdem nicht mehr das Verlangen Blut zu trinken, oder hast du keine geeignete Beute gefunden?", Vanitas blickte zu mir und ich erwiederte seinen Blick.

"So tiefblau habe ich seine Augen noch nie gesehen.", dachte ich als ich ihn ansah.
Sie passten perfekt zu dem Mond über unseren Köpfen, als wäre er ein Geschenk des Mondes gewesen.

"Nunja, es liegt nicht an der Beute, immerhin will ich niemanden verletzen, aber...", ich schluckte schwer.

"Ich habe dieses unerträgliche Pochen nicht mehr an meinem Hals. Das war es was mich so gequält hat und dazu veranlagt hat zu beißen. Dieses Pochen hat mich dazu gebracht meinen Verstand und meine Kontrolle zu verlieren."

"Verstehe.", seine Augen wurden schmaler. "Sagen wir, wenn du jetzt jemanden beißen könntest, würdest du es tun?"

Ich schüttelte mit dem Kopf. "Wieso sollte ich-"

"Und wenn du dieses Pochen an deinem Hals hättest, würdest du dann jemanden beißen?"

Meine Augen weiteten sich und ich zögerte. Anscheinend zu lange, denn ein Grinsen legte sich auf Vanitas Lippen und er setzte sich wieder in Bewegung.

"Keine Sorge, das war lediglich eine Interessensfrage."

Ich blickte ihm einige Sekunden hinterher, bis ich meinen Mund öffnete.
"Warum diese Fragen, Vanitas? Das muss doch einen Grund haben, sowas fragt man doch nicht einfach so aus Spaß! Bist du sauer? Oder enttäuscht? Vielleicht aber auch irritiert oder verwirrt? Hör zu, ich wollte dich nicht beißen, wirklich! Ich-"

"Damit ich weiss was zu tun ist, solltest du ein weiteres Mal deinen Verstand verlieren.", antwortete Vanitas als er einige Meter vor mir stehen blieb. Doch er wandte sich mir nicht zu, alles was ich sehen konnte war sein Rücken. Weder seinen Gesichtsausdruck, noch seine Augen konnte ich sehen.

Stille legte sich wieder über Paris. Ich wusste nicht was ich hätte antworten sollen. Diese ganze Situation erschien mir so Surreal, so aus der Luft gegriffen. Warum interessierte sich Vanitas so dafür? In den Katakomben habe ich niemanden gebissen und auch in der Stadt hatte ich niemanden attackiert, egal ob ich mit Louanne unterwegs war oder mit Noé. Warum also fragte er so aus dem nichts heraus?
Ich war kein blutsaugendes Monster!

"Sag mir, Vanitas. Sollte ich meinen Verstand verlieren... wäre es möglich das Noé mir helfen könnte? Könnte ich dann von seinem Blut trinken?"

Ich hörte Vanitas seufzen.

"Möglich wäre es, aber ob er es zulässt ist etwas anderes. Du solltest dich nur davor in Acht nehmen sollte er dich beißen. Er ist ein Archiviste und damit in der Lage die Erinnerungen all jener zu sehen, dessen Blut er trinkt. Gibt es also etwas was tief in dir verankert ist - was er nicht sehen soll, würde ich dir empfehlen sich von ihm fernzuhalten."

Sofort fielen mir Noé's Worte wieder ein, welche er zu mir sagte am Abend unserer ersten Trainingseinheit.

"Durch das Blut einer Person kann ich in ihre Erinnerungen blicken und sie lesen. Ich sehe was sie gesehen haben... und auch was sie in diesem Moment gefühlt haben."

"V-Verstehe.", ich schluckte schwer.
"Ich erinnere mich, Noé hatte mir davon bereits erzählt. Aber ob er mir wirklich sein Blut geben würde? Vielleicht wäre dies eine bessere Lösung, als einen weiteren Menschen zu schaden."

"Kommt. Wir sollten zurück ins Hotel. Es ist schon spät und es steht Morgen garantiert einiges an Arbeit an."

Ich nickte bedrückt und folgte Vanitas zurück in das Hotel.

Bloodbound (Vanitas x Reader) [Vanitas no Carte/The case study of Vanitas]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt