Mémoire 6

843 48 7
                                    

Die Klingel über der Tür signalisierte einen neuen Kunden und sofort richtete ich mich auf um diesen begrüßen zu können.

"Guten Tag– Oh, was verschafft mir die Ehre?", aus meiner Begrüßung wurde Ironie als sich ein freches Grinsen auf meine Lippen legte.

"Und ich dachte schon ich würde dich nie wieder antreffen. Wo hast du den gestrigen Tag über gesteckt?"

Schnelle Schritte näherten sich mir, bis sie direkt vor mir verstummten und mir ein ebenfalls freches Grinsen entgegenkam.

Die Person vor mir war eine Freundin gewesen, um genau zu sein eine Freundin aus Kindheitstagen. Louanne Aveyron lautete ihr Name. Sie war ein wenig größer als ich und eine wahre Schönheit. In ihrer Begleitung fühlte ich mich jedesmal wie das fünfte Rad am Wagen, was mich jedoch keineswegs störte. Sie genoss die Aufmerksamkeit welche die Männerwelt ihr schenkte. Ich verhielt mich lieber unauffällig und still.

Mit den Schultern zuckend setzte ich mich wieder auf den Hocker und überschlug die Beine.

"Ich habe ein wenig die frische Luft genossen. Warum fragst du, gab es etwas wichtiges?"

"Wichtig? Hast du es nicht mitbekommen?"

Ich lehnte mich interessiert ein wenig nach vorne.
"Was nicht mitbekommen?"

"Gestern fand man eine Leiche, nur wenige Seitengassen weiter von hier."

Ich weitete meine Augen.
"Eine Leiche?"

Louanne nickte.
"Übersäht von Kratzspuren und Blut."

"Das konnten unmöglich Vanitas und Noé gewesen sein. Aber vielleicht würde es erklären wovor die Menschen so panisch weggerannt waren. Vielleicht war es nicht wegen der Auseindersetzung zwischen Vanitas, Noé, Jeanne und dem Kind gewesen, sondern wegen etwas ganz anderem... Dieser Mann der bei ihnen war und später verschwand... könnte er vielleicht–"

"Hallo? Erde an (Y/N). Aufwachen, du hast Kundschaft."

Ich schreckte auf als zwei Finger vor meinen Augen aufhörten zu schnipsen. Sofort blickte ich zum Eingang meines Geschäfts.

"Dominique de Sade?", fragte ich überrascht als sich meine Augen weiteten.
"Guten Tag."

"Was tun Sie hier? Ich dachte ich sei nicht erwünscht, ich–"

"Kommt, ich möchte Euch etwas zeigen."
Dominique kam mit einem breiten Grinsen auf mich zu, hakte ihren Arm in meinen zog mich vom Hocker auf meine Beine und ging mit mir Richtung Eingang. Stolpernd versuchte ich mit ihr schritt zu halten.

"Verdammt hat sie lange Beine!"

Ich blickte hilfesuchend hinter mich zu Louanne, welche nur mit den Schultern zuckte.
"Ich kümmere mich solange um das Geschäft, keine Sorge."

"Du hast was gut bei mir!", rief ich noch, bevor sich die Tür hinter uns schloss und ich zusammen mit Dominique vor meinem Geschäft stand.

Seufzend drehte sie sich zu mir als sie von meinem Arm abließ und mich stattdessen an meinen Schultern packte.

"Das ist gerade nochmal gut gegangen. Hört zu: Niemand muss davon erfahren das wir Vampire sind. Niemand muss wissen wer wir sind oder was wir wollen. Wir Co-Existieren mit den Menschen, unauffällig wie Ratten in der Kanalisation. Bitte, erwähnen Sie niemals Orlok, Noé oder mich. Die Panik die entstehen würde wäre sonst unser größtes Problem."

"Orlok... Das ist also dieser Mann von dem Vanitas sprach, als er Noé hinter sich her zog, jetzt verstehe ich."

Ich schluckte schwer. "Verstanden, aber... warum sind Sie hier und wie haben Sie mein Geschäft gefunden, ganz zu schweigen davon das ich nie erwähnte eines zu besitzen."

Nach einigen Sekunden began Dominique wieder zu lächeln und sie ließ von mir ab.

"Ich habe Sie beobachtet nachdem Sie gegangen sind. Ich finde Sie... interessant. Trotzdessen das Sie ein Mensch sind und Noé - einem Vampir - begegnet sind, haben Sie keinerlei Angst vor uns. Jeder andere Mensch wäre bereits vor Angst erstarrt oder hätte die Beine in die Hand genommen, nur Sie rennen nicht weg oder erstarren. Selbst eine gewisse Form der Panik konnte ich bei Ihnen nicht wahrnehmen."

"Nunja... Ich hatte auch Angst als ich Noé zum erste Mal begegnet bin. Aber Vanitas und Noé haben mir gezeigt das ich keine Angst vor Vampiren zu haben brauche, zumindest nicht vor jedem."

Dominique blinzelte einige Male erstaunt.
"Sie sind wirklich etwas besonderes, Mademoiselle."

"Bitte, nennen Sie mich doch bei meinem Namen. Förmlichkeiten liegen mir nicht wirklich."

Ich hob verlegen meine Hände und Dominique lachte.

"Gut, ich versuche daran zu denken. Das beruht dann auf Gegenseitigkeit.", ihr lachen verstummte nach einigen Sekunden und mit einem sanften Lächeln nahm sie meine Hand in ihre.

"Komm, ich möchte dir was zeigen."
Verwirrt folgte ich ihren schnellen Schritten, sie vorweg, ich stolpernd hinterher.
"Wohin gehen wir?"

"An einen Ort der dir sicherlich gefallen wird."

Ich ahnte übles. Die Verwirrung war mir ins Gesicht geschrieben. Wohin würde ein Vampir einen Menschen bringen wollen? Sicherlich nicht an eine Attraktion wie einem Theater oder eine Oper.
Doch was taten Vampire eigentlich in ihrer Freizeit? Waren sie dem Menschen ähnlich, oder gab es gravierende Unterschiede? Ob Vampire wohl auch die selben Hobbys wie Menschen ausübten?

"Da wären wir!"

Erstaunt verpufften meine Gedanken und ich blickte auf.
"Aber hier...", wir standen wieder vor dem Gebäude welches ich zwangsweise verlassen musste.

"Keine Sorge, wir laufen dem Orlok nicht über den Weg. Ich werde dafür sorgen das niemand dich rausschmeisst."

Dominique sprach mir gut zu, doch meine Angst - welche tief in mir verankert war - wurde nur noch größer. Nervosität stieg in mir auf und meine Beine wollten eigentlich alles, nur nicht weitergehen. Irgendetwas in mir schrie das alles was passieren würde, Konsequenzen tragen würde. Dennoch folgte ich, wenn auch zögerlich.

Wir betraten einen Raum. Es handelte sich um eine Art Bibliothek, in welcher ein älterer Herr stand, welcher allerdings nicht mit uns sprach. Lediglich sah er Dominique an, welche ihren Kopf leicht zur Seite neigte. Ich konnte nicht sehen was sie tat, doch der Mann nickte lächelnd, als sich in einer der Ecken des Raumes ein Bücherregal von der Wand schob und somit einen Durchgang freigab.

Langsam folgte ich ihr und hinter uns schloss sich langsam und bedrohlich der Durchgang.

"Jetzt gibt es kein Zurück mehr, oder?"

Langsam gingen wir durch einen langen Gang, welcher sich unter Paris erstreckte. Ich war fasziniert und blickte mich um. Rohre verliefen überall an den Wänden und Licht erhellte an einigen Stellen den Boden und die Wände, welches durch Gitter an der Decke in den Gang schien. Doch die Faszination war nur von kurzer dauer, als wir vor einer großen Metalltür zum stehen kamen.

"Dominique, bist du dir wirklich sicher das dies eine gute Idee ist?", zögerlich fragte ich. So sehr mich all dies auch zu faszinieren schien, blieb dennoch im Hinterkopf die Vernunft.

Ich konnte es schlichtweg nicht ignorieren.

Dominique seufzte.
"Ich hoffe doch wohl das du nicht denkst das ich dich absichtlich in Gefahr begebe, oder?"

"Nun... das nicht, aber all das wirkt so... erdrückend."

Dominique betätigte etwas an der Metalltür und langsam öffnete sie sich mit einem lauten zischen.

"Ich werde dafür sorgen das du es im Ganzen zurück schaffst.", sagte sie als sie sich zu mir drehte. Doch ich hatte keine Augen mehr für sie.
Was sich meinem Anblick bot hatte wohlmöglich noch nie ein normaler Mensch zuvor gesehen.

"E-Ein... Portal?!"

Mit aufgerissenen Augen betrachtete ich das was sich vor mir befand.

Dies war das Tor zur anderen Seite gewesen.
Ein Ticket in die Welt der Vampire.

Bloodbound (Vanitas x Reader) [Vanitas no Carte/The case study of Vanitas]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt