Zweiter Fluchtversuch - Teil 2

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Sofort wandten sich Imani und Nadhari in die angedeutete Richtung um. Und tatsächlich: zwischen den Bäumen unweit des Flussufers, nicht weit entfernt von ihrer Position, kam eine Löwin zum Vorschein. Auf drei Pfoten humpelnd begann sie damit, sich den Hang hinaufzukämpfen. Es handelte sich zweifelsohne um Samaha. Selbst die alte Shahidi schien sie zu erkennen, da sie erleichtert aufatmete.

»Bei der großen Mutter, du hast recht«, staunte Imani. Dann wandte sie sich an Nadhari. »Komm, wir dürfen keine Zeit verlieren. Sie braucht Hilfe.«

Nadhari nickte zustimmend und so eilten die beiden Löwinnen hintereinander den Hang hinab, bis sie Samaha erreichten. Zu Imanis Schrecken sah ihre Freundin übel zugerichtet aus. Ihr Fell war an zahlreichen Stellen blutverklebt und die Haut über ihrem linken Auge war sichtbar angeschwollen. Ihre linke Pfote hatte Samaha angezogen und sie stützte sich vollständig auf die rechte, wodurch sie nur sehr langsam vorankam.

»Was ist geschehen?«, wollte Imani wissen, obwohl sie die Antwort bereits ahnte.

Samaha spuckte Blut aus und sah ihre Freundin grimmig an. »Dhalimu. Es hat ihm nicht gefallen, dass wir hinter seinem Rücken geredet haben. Ich bin froh, dass ich wieder einigermaßen laufen kann. Diese Nacht werde ich nicht so schnell vergessen.«

Imani gab der jüngeren und agileren Nadhari ein Zeichen, woraufhin diese die Flanke ihrer verletzten Freundin zu stützen begann. Gemeinsam setzten sich die drei Löwinnen in Bewegung.

»Das hast du nun davon, dass du dich immerzu mit alles und jedem anlegen musst«, sprach Imani, ein Lächeln zeigend, das jedoch nicht gänzlich frei von Sorge war.

»Du kennst mich doch«, erwiderte Samaha unter Anstrengung, während sie sich mit Nadharis Hilfe weiter den Hang hinaufarbeitete. »Ich bin unverbesserlich.«

Weit waren sie noch nicht gekommen, als Kimya plötzlich von oben herab zu rufen begann. Sie klang ausgesprochen dringlich, Furcht lag in ihrer Stimme. »Beeilt euch, sie kommen!«, rief sie und deutete nach Norden.

Sofort hielt Imani inne und warf selbst einen Blick in die angedeutete Richtung. Und tatsächlich, diesseits der Felsen, deutlich näher, als ihr lieb war, konnte sie einen Löwen ausmachen. Es war Dhalimu. Der Anblick genügte, um sie zur Eile anzutreiben.

»Sie dürfen uns nicht einholen«, sprach sie an ihre Freundinnen gewandt. Der Blick, den die bereits zutiefst erschöpfte Samaha ihr daraufhin zuwarf, gefiel ihr ganz und gar nicht.

»Lauft ohne mich«, forderte Samaha ihre Gefährtinnen auf. Um ihren Worten Ausdruck zu verleihen, blieb sie an Ort und Stelle stehen, ihr Gewicht mit ihrer unverletzten Vorderpfote mühsam abfangend. »Ich bin zu langsam, wir schaffen es nicht zusammen.«

»Sei still, du törichte Flusspferdkuh«, blaffte Imani sie streng an. »Es wird niemand zurückgelassen.«

Aber Samaha schien es ernst zu meinen. Und Imani wusste, wie stur sie sein konnte, wenn sie sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte. Die Löwin ließ ein genervtes Schnauben erklingen und sah sich erneut nach den näherrückenden Männchen um. Dhalimu hatte gedroht, Fluchtversuche mit dem Tod zu bestrafen. Wenn sie noch länger warteten, würde niemand von ihnen jemals das Plateau verlassen.

Da Imani mit ihrer Weisheit am Ende war, sah sie sich hilfesuchend nach Nadhari um. Die junge Löwin schien zu spüren, dass es an ihr lag, Samaha zum Weitergehen zu bewegen, weshalb sie ohne zu zögern das Wort ergriff.

»Wir sind ein Rudel«, sprach sie mit einer Einfühlsamkeit, zu der weder Imani noch Samaha jemals im Stande gewesen wären. »Entweder wir fliehen gemeinsam oder wir stellen uns gemeinsam. Wenn wir uns entzweien, tun wir den Brüdern nur einen Gefallen.«

Savanne in der AbendkühleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt