»Wenn du so genau weißt, was zu tun ist, dann sag es uns doch! Na los, erhelle uns! Worauf wartest du noch?«
Kaum hatte Samaha die Worte ausgesprochen, da bereute sie sie auch schon. Es war eine hohle Provokation, nichts weiter. Sie wusste, dass sie in ihrer Position über derartigen Unfug hätte erhaben sein müssen, anstatt das Feuer weiter zu schüren. Aber in ihrer momentanen Verfassung war sie schlicht und ergreifend nicht in der Lage, im Zeichen der Vernunft zu handeln, so wie ein Vorbild es hätte tun sollen. Nein, Samaha bebte förmlich vor Wut und das zeigte sie den anderen deutlich.
Die Gruppe von Jägerinnen verharrte in betroffenem Schweigen. Selbst Falsafa, die ansonsten so schlagfertig daherkam, hatte offenbar nicht mit einer so direkten Reaktion ihrer Kontrahentin gerechnet. Sie musterte Samaha, vermutlich abschätzend, ob es ratsam war noch weiter zu gehen.
Der Morgen hatte sich für die Löwinnen zu einem wahren Desaster entwickelt. Trotz einer Vielzahl erfolgsversprechender Gelegenheiten war es ihnen bislang nicht gelungen, Beute zu machen. Als Samaha der Reihe nach in die Gesichter ihrer Gefährtinnen blickte, wurde ihr das wahre Ausmaß ihres Versagens bewusst. Ernüchterung und Erschöpfung waren allgegenwärtig. Die Jägerinnen waren körperlich am Ende und die Verzweiflung nagte an ihrem Willen. Wenn es noch etwas gab, das sie vorantrieb, dann war es der bloße Hunger. Der kleine Erfolg des Vortags, der sie alle hatte Hoffnung schöpfen lassen, war nun wieder vergessen. Mit aller Wucht hatte die Realität zurückgeschlagen und mit ihr die entscheidende Frage: wenn ihnen die Jagd schon jetzt ernsthafte Probleme bereitete, wie würde es erst in der Trockenzeit werden, wenn die Herden sehr viel ausgedünnter waren? Daran wagte Samaha im Augenblick nicht zu denken.
Zu allem Überfluss hatte sich Tambua während ihres letzten Jagdversuchs auch noch eine ihrer Vorderpfoten verletzt, sodass abzusehen war, dass sie für die nächsten Tage ausfallen würde. Bereits kurz nach dem Vorfall hatten Falsafa und Imani damit begonnen, harsche Kritik an Samahas Vorgehensweise zu üben und die anderen Löwinnen waren entweder zu schwach, um ihnen zu widersprechen oder sie erkannten tatsächlich Wahrheit in ihren Worten. Falsafa war der festen Überzeugung, dass Samaha den jungen Löwinnen der dritten Generation zu viel Verantwortung zukommen ließ. Sie seien nicht reif und erfahren genug, zentrale Positionen in der Jagdlinie zu übernehmen, so Falsafas Aussage. Davon abgesehen wählte Samaha ihrer Meinung nach grundsätzlich die falschen Ziele für die Jagd.
Auf diese Anschuldigungen hin hatte Samaha sich vehement zur Wehr gesetzt, das hatte der Stolz ihr geboten. Ob ihr Verstand es ihr geraten hätte, wusste sie nicht.
»Noch jemand, der etwas an meiner Handlungsweise auszusetzen hat?«, fragte Samaha unter Anspannung in die Runde, nachdem klar war, dass Falsafa ihren Worten nichts mehr hinzuzufügen hatte.
Die übrigen Löwinnen, mit Ausnahme von Falsafas Schwester Imani, wichen Samahas Blick aus. Die meisten von ihnen hatten sich in den Halbschatten der Bäume begeben, um der aufkeimenden Hitze zu entgehen.
Samaha schnaubte aufgebracht.
»Da das nicht der Fall zu sein scheint, sollten wir nicht länger unnötig Zeit verlieren. Je höher die Sonne steht, desto kräfte-zehrender gestaltet sich die Jagd für uns. Also los, auf die Beine!«
Nur einige wenige Löwinnen rührten sich, allen voran Ardhi. Die schlaue Löwin war eine gute Freundin Samahas, die ihr in der Vergangenheit schon oft in schwierigen Situationen mit Rat und Tat zur Seite gestanden hatte. Nachdem sie sich erhoben hatte, trat sie an Samaha heran.
»Sieh dich um, Samaha«, sprach sie leise, um die Ältere nicht vor Falsafa und den anderen bloßzustellen. »In diesem Zustand wird niemand von uns auch nur eine einzige Gazelle fangen. Wir alle müssen erst durchatmen und Kräfte sammeln. Auch du.«
Aufgebracht wie sie war, musste Samaha ein gutes Maß an Beherrschung aufbringen, um Ardhi ihre Worte nicht augenblicklich um die Ohren zu hauen. Doch hinter ihrer Maske aus Zorn wusste die Löwin nur zu gut, dass ihre langjährige Freundin recht hatte. Es ergab einfach keinen Sinn, unausgeruht weiterzumachen. Sie würden nur umso kläglicher scheitern, was der Moral weiter schaden würde. Es mochte ihr nicht gefallen, aber sie würde sich gedulden müssen.
»Na schön«, entgegnete Samaha grimmig. »Wir warten ein wenig ab, bis die Herde sich wieder verteilt hat. Dann schlagen wir zu.«
Ohne eine Antwort von Ardhis Seite abzuwarten, wandte die Löwin ihr und den anderen Jägerinnen den Rücken zu und trabte hinüber zu einer Ansammlung bunter Beerensträucher, zwischen denen sie sich niederließ, nicht ohne dabei ein genervtes Schnauben erklingen zu lassen. Sollten die anderen doch zusehen, wie sie an Beute kommen würden. Sie würde im Zweifelsfall auch sehr gut alleine zurecht kommen. Davon war Samaha überzeugt.
Ardhi blickte der Löwin hinterher, unsicher, ob sie ihr folgen sollte, um ein paar Worte mit ihr über die momentane Situation des Rudels zu wechseln. Schließlich entschied sie sich jedoch dafür, ihrer Freundin ein wenig Ruhe zu gönnen. In diesem Gemütszustand war ohnehin nicht gut mit ihr zu reden. Dafür würde es später noch genug Zeit geben, wenn ihr Kopf sich ein wenig abgekühlt hatte.
Das wenige, was Ardhi von der einzigen Beute des Vortages ergattert hatte, hatte nicht ausgereicht, um sie auf längere Zeit zu sättigen. Im Gegenteil, es war vielmehr, als hätte der kleine Happen Fleisch ihren Magen an seine Aufgabe erinnert. In der Hoffnung, vielleicht irgendwo in der Nähe ein paar genießbare Wurzeln aufzuspüren, die ihren gröbsten Hunger stillen würden, entfernte Ardhi sich von der Gruppe der Jägerinnen. Wenn man wusste, wo man zu suchen hatte, konnte man sich mit Wurzeln und Beeren erstaunlich lange über Wasser halten, diese Erfahrung hatte die Löwin in der Vergangenheit bereits gemacht. Dadurch wusste sie auch, wo sie zu suchen hatte.
Mit gesenktem Kopf schob Ardhi sich durch eine Ansammlung hochgewachsener Sträucher, bis sie eine Stelle fand, die ihr für eine genauere Untersuchung geeignet erschien. Gerade wollte sie damit beginnen, mit ihren Pfoten in der halbtrockenen Erde zu graben, da vernahm sie auf einmal ein aufdringliches Flüstern. Es war ohne Zweifel Nias Stimme.
»Ardhi! Hier bin ich!«
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Savanne in der Abendkühle
ФэнтезиDies ist meine Geschichte. Eine Geschichte voll Trauer und Schmerz, vom Blut, das den Savannenboden rot färbte und von der unstillbaren Gier und dem Durst nach kalter Rache. Aber es ist auch eine Geschichte von Freundschaft, Liebe, Mitleid und der H...