Am nächsten Morgen
Smudo's Sicht
Ich saß an Emelys Bett und starrte auf ihr regloses Gesicht. Die Maschinen neben mir piepten in einem monotonen Rhythmus, als wollten sie uns in falscher Sicherheit wiegen. Die Worte des Oberarztes klangen immer noch in meinen Ohren nach, während ich versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen.
„Emely hat innere Verletzungen an mehreren Organen, gebrochene Rippen und eine etwas tiefere Wunde am Bauch", hatte der Arzt gesagt, während er durch seine Akten blätterte. „Das Schädeltrauma ist nicht so schwerwiegend wie befürchtet, aber... das Trauma durch den Aufprall..." Er hatte gezögert, als wollte er mir das volle Ausmaß der Schäden ersparen. „Es ist schwer zu sagen, wann sie aufwacht. Es könnte heute sein... oder auch erst in einer Woche... vielleicht auch gar nicht. Wir wissen es nicht."
Diese Worte ließen mich schlucken. Der Arzt ging leise und ließ mich allein mit dem bedrückenden Gefühl der Ungewissheit zurück. Ich hielt Emelys Hand, die sich kühl und leblos anfühlte, und versuchte, mir vorzustellen, dass sie jeden Moment ihre Augen öffnen und mich wieder ansehen würde. Ich dachte ständig daran, wie enttäuscht sie sein wird, wenn sie irgendwann realisiert, dass das Halbfinale für sie gelaufen ist... genauso wie unsere Tour. Und sie hatte sich so sehr gefreut...Plötzlich hörte ich die Tür aufgehen. Michi trat ins Zimmer, seine Schritte waren langsam und vorsichtig, als würde ihm jede Bewegung wehtun. Er sah aus, als wäre er mit einem Fuß noch im Unfallwagen, sein Gesicht von Schmerz und Müdigkeit gezeichnet. „Morgen Smu" sagte er leise und versuchte ein schwaches Lächeln, das jedoch kaum seine Besorgnis überdecken konnte. „Morgen, Michi", erwiderte ich und musterte ihn aufmerksam. „Wie geht's dir? Konntest du überhaupt ein bisschen schlafen?" Er zuckte leicht mit den Schultern. „Ein bisschen... Krankenhausbetten sind nicht gerade bequem" beschwerte er sich. „Ja mein lieber, du bist ja auch total verwöhnt. Mich wundert es, dass doch noch keine extra Matratze hierher hast liefern lassen" schmunzelte ich leicht.
„Würde mir ähnlich sehen wah? Naja... aber ehrlich gesagt ist mir mein Schlaf momentan egal, ich bin einfach nur froh, dass wir endlich zu ihr dürfen." Seine Augen wanderten sofort zu Emely, und ich konnte die Erleichterung in seinem Blick sehen, als er sich an ihr Bett setzte und ihre Hand nahm. „ Ja, das Warten war nervig", sagte ich, seufzte und lehnte mich zurück. „Aber jetzt sind wir hier, bei ihr. Sie weiß bestimmt, dass wir da sind.... Hoffe ich" sagte ich und versuchte Michi etwas Mut zuzusprechen. „denkst du sie kriegt es unterbewusst mit?" „kann schon sein. Der Arzt meinte vorhin sie könne manche Gespräche oder die Worte, die wir zu ihr sagen aufnehmen. „Na dann versuchen wir mal unsere Glück" sagte Michi und drehte sich zu ihr.
„ Emely...", begann er mit leiser, rauer Stimme. „Bitte, du musst aufwachen." Seine Hand umschloss ihre, während sein Kopf leicht über ihre Finger geneigt war. „Du bist mir so wichtig, verstehst du? "
Michi schluckte hart, und ich konnte das Zittern in seiner Stimme hören. Ich legte meine Hand auf seinen Rücken und versuchte, ihn ein wenig aufzubauen. „Sie wird es schaffen, Michi", sagte ich sanft, obwohl ich mir selbst nicht sicher war, ob ich daran glaubte. „Könntest du uns für einen kurzen Moment alleine lassen?" fragte er auf einmal. Leicht verwirrt, jedoch zu zögern nickte ich und stand auf.Michi's Sicht
Als Smudo die Tür leise hinter sich schloss und ich allein mit Emely war, spürte ich eine Schwere in meiner Brust, die ich kaum aushalten konnte. Alles in diesem Raum wirkte so kalt und gab mir ein ungutes Gefühl. Wie sehr ich Krankenhäuser hasste. Doch aus irgendeinem Grund, glaubte ich daran, dass Emely mich wirklich hören könnte. Ich dachte kurz über meinte Worte nach, doch es dauerte nicht lang, da holte ich tief Luft, drückte ihre Hand sanft und begann zu sprechen, die Worte, die so lange in mir geschwelt hatten, endlich aus mir herauszulassen.
„Emely... du bedeutest mir so viel. Viel mehr, als ich es mir je eingestehen wollte. Wenn du jetzt gehst... wenn du es nicht schaffst, dann weiß ich nicht, wie ich damit klarkommen soll. Das würde ich mir niemals verzeihen. Und weißt du..." Ich musste schlucken, kämpfte gegen das Zittern in meiner Stimme an. „Ein Teil von mir... ein Teil von mir wünschte sich, dass wir damals, als wir uns das erste Mal begegnet sind, näher zueinander gefunden hätten... und ich meine nicht näher im Sinne von beste Freunde... sondern dass ich... an Samus Stelle wäre." Die Worte fühlten sich an, als würde ich mich selbst verraten, aber ich konnte sie nicht mehr zurückhalten. Es war die Wahrheit, und vielleicht die einzige Chance, sie überhaupt jemals zu sagen... bevor es vielleicht zu spät war. „Ich weiß, dass du mit Samu zusammen bist und ich würde nie dazwischen funken. Ich habe es akzeptiert. Aber trotzdem..." Ein bitteres Lächeln zuckte über meine Lippen. „Trotzdem wünsche ich mir manchmal, dass es anders gekommen wäre. Dass ich nicht auf der anderen Seite dieser Geschichte stehen müsste... dass ich mehr wäre als nur der beste Freund." Mein Blick ging zur Seite, während meine Erinnerungen hochkamen. Vor kurzem, als ich meine Frau verlassen hatte... es ging um keine Streiterin oder eine Affäre... nein es ging um dich. Und auch wenn ich wusste, dass daraus nie etwas werden würde, konnte ich ihr nicht mehr das geben, was sie verdient hatte, weil du durchgängig in meinem Kopf warst. Und jetzt..." Ich schloss die Augen, ein leichter Schmerz drang durch mein Herz. „Jetzt stehst du kurz davor, mir für immer genommen zu werden, und ich weiß, dass ich das nicht verkrafte. Also bitte... wenn du mich hören kannst Emely. Kämpfe für mich. Selbst wenn du meine Gefühle offensichtlich niemals erwidern könntest... Bitte du mir diesen Gefallen und sei stark!"
Ich nahm all meinen Mut zusammen und ließ die Worte endlich über meine Lippen kommen. „Ich liebe dich, Emely." Das Geständnis ließ eine unheimliche Stille zurück, nur unterbrochen vom beständigen Piepen des Monitors. Doch plötzlich bemerkte ich, wie ihr Puls auf dem Bildschirm leicht anstieg. Die Zahlen kletterten langsam höher, und ich starrte ungläubig auf den Monitor, während mein Herz raste.
„Hast du... hast du das gehört?" flüsterte ich, mein Blick immer noch auf das Flimmern der Zahlen gerichtet. „Emely... du bist hier, oder? Du... du hast das gehört."
Die Tür öffnete sich leise, und ich schreckte auf, gerade als Smudo zurück in den Raum trat – dieses Mal mit Samu an seiner Seite.
In dem Moment, als Samu den Raum betrat, stieg ein mulmiges Gefühl in mir auf. Mein Herz klopfte ein wenig schneller, und ich fragte mich, ob er vielleicht... etwas gehört haben könnte. Ich hatte es ihm nie gesagt und mir schon gar nicht vorgestellt, es Emely in diesem Zustand zu gestehen, nicht mit ihr im Koma, nicht mit ihm im Raum. Obwohl ich mich wahrscheinlich niemals dazu überwunden hätte, es ihr zu gestehen.
Samu wirkte jedoch weder misstrauisch noch wütend – nur besorgt und völlig aufgelöst. Es war ein kleiner Trost, aber dennoch spürte ich, wie meine Nervosität nur langsam nachließ.
Samu sah erschöpft aus, die Anspannung der letzten Stunden stand ihm ins Gesicht geschrieben. Man sah ihn an, dass er die letzte Nacht kaum oder eher gar nicht geschlafen hatte. Er trat langsam an Emelys Bett, seine Augen voller Sorge und Verzweiflung, als er sie betrachtete. Dann drehte er sich kurz zu mir und zwang sich zu einem matten Lächeln.
„Hey, Michi. Danke, dass du bei ihr bist", sagte er leise, fast flüsternd. „Ich war gestern nicht für sie da und das bereue ich zutiefst... sie kann von Glück reden, dass sie so tolle Menschen wie euch in ihrem Leben hat"
Ich nickte, lächelte leicht und senkte meinen Blick... unsicher, was ich sagen sollte. „Natürlich", murmelte ich schließlich und merkte, wie meine Hand immer noch die von Emely hielt. Ich ließ sie unauffällig los und wich ein Stück zur Seite, damit Samu neben ihr Platz nehmen konnte.
Smudo stand schweigend in der Ecke und musterte uns beide, ein schwer lesbarer Ausdruck in seinen Augen. Es war, als wüsste er, dass hier mehr unausgesprochen im Raum lag, aber auch, dass dieser Moment nicht der richtige war, um das alles ans Licht zu bringen. Er ließ uns einfach in dieser Stille, in der jeder seine eigenen Sorgen und Ängste mit sich trug.
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I Want You
FanfictionEmely, ein 16 Jähriges Mädchen fährt mit ihrer klasse nach Berlin auf „Klassenfahrt". Dies ist jedoch keine normale Klassenfahrt. Während der Zeit in Berlin lernt sie viele neue Leute kennen, die ihr in kürzester Zeit ziemlich schnell ans Herz wach...