Prolog:

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Schon seit unzähligen Jahrhunderten lastet dieser Fluch auf meiner "Familie". Viele von Meinesgleichen würden ihn als Segen betrachten, da sie nur die ihnen verliehene Macht wahrnehmen und nicht das Leid, das sie anrichten.
Unsichtbar wandeln wir unter den Lebenden, fürchten uns vor der verbrennenden Wirkung der Sonne und dem widerlichen Geruch von Knoblauch.
Wirklich?
Wer sagt, dass es nicht möglich ist unsterblich und gleichzeitig völlig normal zu sein?
Gut, es ist sehr schwer der Kraft dieser Macht zu widerstehen, da keiner von uns seinen ganzen freien Willen besitzt, und doch ist es möglich für wenige Stunden frei zu sein.
Wer sagt, dass wir Schwächen haben müssen?
Wer sagt, dass wir nicht vollkommene Wesen ohne Fehl und Tadel sein können?
Diese Macht, die in uns haust, verleiht uns unvorstellbare Kräfte, jedoch frisst sie uns innerlich auf, zerreißt die Moral unserer Seele und taucht sie in zähe, giftige Schwärze.
Nicht zuletzt ist der Stillstand unserer Herzen dafür verantwortlich, dass wir weder Liebe noch Glück, oder sonst irgendeine Art von Gefühlsregung spüren können.
Wir verlieren uns mehr und mehr, vergessen wer wir sind und waren, ebenfalls unser vorheriges Leben und es gibt kein Zurück mehr, nie wieder.
Unverwundbarkeit und Unsterblichkeit. Ist das nicht das was sich die Menschheit seit jeher sehnlichst wünscht? Verflucht sollen sie sein, diese naiven Idioten! Sie haben keine Ahnung von dem Preis den sie bezahlen! Jahrhunderte und Jahrtausende vegetieren wir vor uns hin, überdauern unsere vergessenen Verwandten, Angehörige und Freunde, überdauern diejenigen die wir einst liebten oder hassten. Verflucht sollen die sein die denken sowas sei Glück! Es ist die pure Hölle! Auch wenn wir das "Glück" haben in dieser Macht zu ertrinken und alles zu vergessen, was dem Rest unserer Seele Qualen bereiten könnte.
Das ist der einzige Segen den dieser Fluch uns schenkt!
Die Gründe, warum sich die Menschen auf diesen Pakt mit dem Teufel einlassen sind sehr unterschiedlich, denn niemand treibt die gleiche Qual oder die gleiche Gier nach Macht.
Warum ich mich dem einst hingab, vergaß ich schon vor langer Zeit.
Auch wenn ich immer noch im Körper eines 16. jährigen Jungen verweile, leide ich schon seit geraumer Zeit unter diesem Fluch.
Nie war es für mich irgendwie berauschend oder befreiend!
Ich muss zugeben, anfangs jedoch war ich sehr glücklich, teilte die Meinung derer, die alles was damit zu tun hat befürworten. Ich konnte tun und lassen was ich wollte, war stärker als jedes Tier, fühlte mich unbesiegbar und unantastbar.
Meine, man kann es fast schon Wiedergeburt nennen, war größtenteils sehr angenehm und für einen naiven und abenteuerlustigen Jugendlichen wie mich ein lockender Kick. Wie genau ich zu meinem neuen Dasein kam habe ich leider ebenfalls vergessen, doch in Beobachtung derer, die wir verwandelten und ihnen so diese "Gabe" schenkten, kann ich es mir bildhaft vorstellen.

Meine Erinnerung existiert nur noch in Fetzen wie alles was mit meinem alten Leben zu tun hat.
Ob mich die Menschen aus meinem alten Leben vermisst hatten als ich so plötzlich verschwand?
In der Zeit, in der ich mit meiner Verwandlung zu leben begann, war mir dieser Gedanke einerlei. Was scherten mich, einen unbesiegbaren Vampir, sterbliche Schwächlinge?! Mit einem leichten Händedruck am Hals hätte ich sie ersticken können, ihr Genick wäre eine Kleinigkeit für meine Kraft. Die Vorstellung, wie sie in diesem Griff langsam und qualvoll ersticken, schürte mein Selbstbewusstsein wie nichts auf der Welt, deren angstverzerrtes Gesicht ließ mein Herz schneller schlagen und vor Freude hüpfen. So kam es, dass ich mich mit einer Bande Vampirjungen verbündete um genau dieses Gefühl an irgendeinem schwächlichen Menschen auszuprobieren. Des Nachts schlichen wir uns in unsere ehemalige Heimat, entführten Opfer und spielten unser blutiges Spiel mit ihnen, bevor wir ihnen den Gar ausmachten, statt sie zu unseres Gleichen zu machen. Wir mussten unseren Hunger und Durst an ihnen stillen, sonst würden wir sterben.
Es entspricht zwar nicht ganz der Wahrheit, ist aber eine akzeptable Ausrede für all diejenigen, die es noch immer belastet.
Jeder tötet schließlich um zu überleben, warum wir nicht?
Wegen der zahllosen Toten wurden in der mittelalterlichen Stadt viele Aufrufe gestartet, unzählige Steckbriefe nach einem oder mehreren Unbekannten zierten die Mauern, die Täter wurden (selbstverständlich) nie gefasst, egal wie sehr die Polizei die Vorsichtsmaßnahmen verschärfte. Fast jede Nacht wurde ein neuer Toter begraben (meist blutleer und bis zur Unkenntlichkeit zerfetzt). Ein angenehmer und lockender Angstgeruch breitete sich über der ganzen Stadt aus was nicht nur die Neulinge zur Jagd bewegte.
Die Menschen wollten fliehen, raus aus dieser Stadt, doch die Beamten und andere hochgestellte Persönlichkeiten schlossen die Tore und ließen niemanden hinaus.
Eine leichte Beute für die Jäger der Nacht.
Kinder weinten, wir hörten Schreie von Angst und Verzweiflung in den Gedanken der Menschen. Oh, wie betörend diese Melodie für meine Ohren war. Lieblich klang es, wie ein schön gesungenes Lied.

Komisch, nicht? Wie verdreht alles auf einmal war...
Schönes wurde für mich beinahe unerträglich, schreckliches hingegen hatte eine Anmut die mich schaudern ließ. Mit hell und dunkel war es das Gleiche: früher liebte ich die Sonne, spielte gerne in ihren wärmenden Strahlen und flüchtete vor den Schatten. Jetzt fürchte ich mich vor der Helligkeit die in meinen Augen und auf meiner Haut brennt.
Meine Augen...
Einst hatten sie ein warmes braun, jetzt sind sie pechschwarz oder ab und zu so rot wie das Blut von dem ich mich ernährte. Meine Haut ist blass, gezeichnet von den Kämpfen zwischen mir selbst oder anderen Vampiren.
Heute hungere ich lieber, statt wie damals mit "wahren" 16 Jahren Menschen dafür zu benutzen meine Kräfte auszuprobieren. Jetzt lebe ich alleine und verstecke mich vor allen möglichen Gefahren. Früher hätte ich mich selbst so sehr dafür gehasst, dass ich mir Wunden zugefügt hätte die mich in meinem alten Leben, in meinem Menschsein, zweifellos umgebracht hätten. Eine Zeitlang floss sogar noch Blut aus diesen Wunden, doch es wurde immer zähflüssiger und hörte schließlich ganz auf. Nicht einmal ein einziger Tropfen entfloss meinen Adern, denn ich hatte nun kein Blut mehr in mir.
Wie auch?
Manchmal wünsche ich mir, dass es noch ginge und ich Schmerz spüren könnte, denn alles, was ich damals tat, ist für den winzigen Teil meiner übriggebliebenen Seele unerträglich. Die Schreie, die meine Opfer ausgestoßen hatten, hallen von den Wänden meines Verstecks und verfangen sich in meinen Gedanken.
Ein Biss..., ein einziger Biss in das zarte Fleisch eines Menschen würde all das auslöschen und mich wieder in das Monster verwandeln gegen das ich all die Jahrhunderte gekämpft habe...
Manchmal, wenn ich es einfach nicht mehr ertrage, wüte ich in meinem Versteck, vergesse, wie in alten Zeiten, wer ich bin und zerstöre alles was sich mir in den Weg stellt. Wenn ich wieder zu mir komme bin ich mehr als erleichtert, dass ich meiner Kraft nicht freien Lauf gelassen und nicht wieder ein neues Opfer auf dem Gewissen habe...

Damals konnte ich zwar auch nicht schlafen, aber wegen des starken Blutverlusts ins Koma fallen, jetzt sitze ich still in einer dunklen Ecke des verstaubten Dachbodens und versuche krampfhaft an nichts, rein gar nichts zu denken.
Sonst werde ich total wahnsinnige!
Zum Glück schaffe ich es wenigstens ein bisschen abzuschalten...

Seelengift *komplett fertig/wird überarbeitet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt