Zurück in die Vergangenheit: (Teil 16)

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Heute hat er wieder genauso lange gearbeitet wie sonst. Trotz den wohltuenden Gesprächen mit seiner Seelenverwandten kann er wieder nicht schlafen, denn er weiß, dass sein Vater ebenfalls wach, und höchstwahrscheinlich wieder betrunken, ist. Wachsam lauscht er auf dessen Gepolter und Gegrunze und sitzt stocksteif da.
Heute jedoch ist die Situation anders, obwohl er sich wie sonst wieder in die übliche Ecke verkrochen hat und auf die Attacken wartet ist er wachsam und angespannt.
Ja, heute wird es anders...
Schon lange ist ihm seine eigene Stärke bewusst, denn die damalige Kraft seiner Vaters ist durch den Alkohol gänzlich aufgebraucht.
Diesmal wird er sich verteidigen!
Wie erwartet findet der alte Herr auch diesmal schnell den Weg in das "Zimmer" seines Kindes. Das Opfer kauert noch immer in der Ecke und erhebt sich ganz langsam. Als sich beide gegenüber "stehen" senkt der Junior scheinbar unterwürfig den Kopf. Der Senior übersieht den Kampfgeist des Jungen und torkelt weiter in seine Richtung.
Der Ältere reißt die Augen auf.
Erst ist es nur der Schock, dass ein spitzer Gegenstand in seine Schulter gerammt wurde, dann erkennt er die Waffe. Mit purer Panik im Blick starrt er seinen Angreifer an und gurgelt:
"Woher hast du das?!"
Kurz darauf geht er ohnmächtig zu Boden und bleibt liegen.
Angewidert betrachtet der jüngere diesen alte, stinkenden Mann, trotzdem versorgt er dessen Wunde und verschwindet anschließend von zu Hause. Er wollte ihn nicht töten, nur außer Gefecht setzen.
Das ist ihm gelungen...
Schnell packt er seine wenigen Habseligkeiten zusammen und entschwindet in der Nacht.
Schon bald plagen ihn Schuldgefühle, schließlich hintergeht er irgendwie seine Retterin, obwohl das mit dem Angriff ihre Idee war, denn anstatt sie ebenfalls zu befreien, flieht er alleine...
Trotzdem geht er weiter.
Die angenehme Luft beginnt ihn schläfrig zu machen und lässt seine Aufmerksamkeit schwinden. Zwar weiß er, dass er hier im Wald mehr Beute als Jäger ist, ändern kann er es trotzdem nicht. Die letzten Tage waren einfach zu anstrengend. Ihm bleibt keine andere Wahl: er muss sich schnellsten einen geschützten Schlafplatz suchen und stets den Dolch griffbereit haben. Schnell wird er fündig, wie als wäre er hier willkommen. Um Nahrung wird er sich nach seinem Erwachen. Als er sich endlich zusammenrollen kann, schließen sich seine Augen ganz von selbst.
Äußerst ungewöhnlich...
Ob er träumt, oder nicht, weiß er nicht. Nichtsdestotrotz fühlt es sich sehr real an:
Auch in seinem "Traum" liegt er zusammengerollt und schlafend in seinem behelfsmäßigen Versteck, doch er spürt, dass da noch jemand ist, vielleicht nicht sichtbar, trotzdem sehr präsent. Als wäre es ein unbewusster, nicht gekannter Instinkt weiß er auf Anhieb, dass ihm keine Gefahr droht...

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Der Vampir:

Als ich erwachte bin ich orientierungslos und weiß, dass das Mädchen nicht da ist. Ich bin alleine, wo immer ich auch bin.
Trotzdem ist jemand ganz in meiner Nähe, ich kann die Anwesenheit dieses Wesens spüren, wie etwas, dass die Luft elektrisiert. Da ist aber noch jemand, jemand menschliches aus Fleisch und Blut... Die gleichmäßige Atmung des Menschen deutet daraufhin dass er schläft. Zusammengerollt liegt er ganz in meiner Nähe.
Unerwartet bewegen wir uns gleichzeitig und schrecken ebenfalls gleichzeitig aus unseren Dämmerzuständen. Ich kann den gleichen Schreck und das gleiche Misstrauen im Gesicht meines Gegenübers sehen, dass er höchstwahrscheinlich in dem Meinem sehen kann, obwohl bei ihm eine Spur Verwunderung und Ungläubigkeit dazu gemischt ist.
Bei mir ist es Neugier.
Es passiert etwas Unerwartetes: mein Gegenüber scheint zu schrumpfen, bis er ein sechs-jähriger Junge mit tieftraurigen Zügen ist. Erschrocken weiche ich zurück und werde von Erkenntnis übermannt: das bin ich! Das ist das Kind, das mir damals im Bett seiner Mutter entgegengeblickt hat.
Aus dem Bett MEINER Mutter!
Wie als hätte mein jüngeres Ich meinen Gedankengang selbst gedacht wird seine Mimik umso trauriger. Mit tränenerstickter Stimme wispert er: "Sie ist tot."
In dieser Stimmungen krabbelt er auf allen Vieren in meine Richtung und bricht zusammen. Seine braunen Augen sind geschlossen. Vorsichtig und zärtlich lege ich seinen Kopf mit dem braunem Haar in meinen Schoß und beginne es behutsam zu streicheln. Schlafend oder bewusstlos bleibt er liegen und rührt sich nicht.
Währenddessen tritt das andere umso deutlicher in den Vordergrund. Ein leises, zischendes Kichern ist zu hören.
Wütend schnaube ich durch die Nase.
"Komm schon, sei mir nicht böse. Noch habe ich deiner Geliebten nichts getan."
Definitiv eine Lüge.
Die Stimme der Macht ist voller Heuchelei, man kann ihr nicht trauen und doch ist mir ihre Anwesenheit und ihre Stimme in meinem Kopf auf widerwillige Weise willkommen.
Es klingt freundlicher als gewollt als ich frage:
"Was willst du?"
Wieder kichert sie, doch dann wird sie ernst. Vertrauensvoll legt sie mir ihre formlosen Hände auf die Schultern und flüstert mir mit gedämpfter, einschmeichelnder Stimme folgende Worte ins Ohr:
"Jetzt liegt es in deiner Hand. Sieh dir dieses erbärmliche Häuflein verweichlichtem Menschleins an, so willst du sein? Hast du vergessen, was du bist?"
Sie schreit mich nicht an, obwohl deutliche Wut in ihrer Stimme mitschwingt, die sie schnell wieder unter Kontrolle bringt.
"Du hast die Wahl. Entsage dich dieser ekelhaften Weichheit und du wirst stärker sein als je zuvor."
Das ist es also was sie will.
Ich soll das Kind in meinem Schoß töten und höchstwahrscheinlich zu ihr zurückkehren... Es ist einladend und wäre so unglaublich leicht zu bewerkstelligen.
Aber unverantwortlich!
Mit zusammengebissenen Zähnen fauche ich:
"Du willst also, dass ich mich selbst umbringen?!"
Sie schweigt.
Dummerweise zögere ich tatsächlich und denke ernsthaft darüber nach, es doch zu tun... Dieser Gedanken, sei es, dass ich theoretisch bereit dazu wäre oder allein die Vorstellung, was dann aus mir wird, macht mir große Angst. Würde mich das Mädchen dann überhaupt noch wiedererkennen, wenn ich es wirklich tun würde?
Genauso vorsichtig und zärtlich, wie ich ihn gestreichelt habe, lege ich meine Hände langsam um den Hals des Kindes.
Es zuckt nicht einmal...
Urplötzlich kreischt eine unmenschliche Stimme:
"NNNNEEEIIINNN!"
Mir geht das Licht aus.

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Dieser markerschütternde Schrei weckt den Jungen. War das alles Traum oder Wirklichkeit? Wer war dieser Fremde in diesen merkwürdigen Klamotten?
Kopfschüttelnd legt er sich wieder hin und schläft ein weiteres Mal ohne Probleme ein.
Er hat keine Kraft mehr...

Seelengift *komplett fertig/wird überarbeitet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt