49. Kapitel: (Seine Verwandlung)

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Wutentbrannt renne ich vor dem Mädchen davon und eigentlich auch vor mir selbst.
Eine weitere Vision, wie es zwischen uns beiden hätte laufen können, lässt mich innehalten:

Würgend und krampfend liege ich auf einer Rettungstrage, meine Augen sind glasig, meine Haut noch bleicher als sonst und meine Wangen fiebrig heiß und rot. Ich schwitzte meine braunen Locken nass und aus meinem Mund läuft gelber Schaum, zusätzlich muss ich mich oft heftig krampfend übergeben.
Wieso wissen nur die Ärzte, doch diese schweigen.
Das Mädchen weint um mich und macht sich große Sorgen.
Wir beide haben nur Cola getrunken, plötzlich ist mir schlecht geworden, bis ich schließlich zusammengebrochen bin.
Der Besitzer des Ladens hatte sofort den Notarzt angerufen, der mich so schnell wie möglich ins Krankenhaus gefahren hat, um mich da dann mit Infusionen zu versorgen.
Nur für kurze Zeit konnte das Mädchen meine Hand halten, doch dann hatte sie zusehen müssen, wie sich die Türen des Krankenwagens schlossen und ich anschließend weggefahren wurde.
Wie ich heiße, weiß sie noch nicht, aber ich hatte ihr versprochen, ihr bald meinen Namen zu nennen.
Zwar hatte ich ihr auch versprochen, die Schwelle des Todes NIE zu überschreiten, doch die Ärzte stellen eine sehr starke Vergiftung fest, die bei einem "normalen" Menschen nach wenigen Sekunden zum sofortigen Tod geführt hätten.
Das einzige, was sie wusste, war, dass mir der Magen ausgepumpt werden sollte und mehrere Antibiotika verabreicht werden...

Als ich wieder zurück in der Wirklichkeit bin, bewege ich mich immer noch nicht von der Stelle.
Um ehrlich zu sein: ich weiß selbst nicht was diese Fetzen zu bedeuten haben, oder warum das Mädchen und ich das gleiche gesehen haben.
Das Mädchen...
Doch etwas beleidigt verdränge ich den Gedanken an sie. Es ist nicht fair, dass sie mir vorwirft, dass ich sie nicht gesucht hätte. Das kann sie einfach nicht behaupten!
Gut, ich hatte was mit Likonell, aber das hat für mich keinen Abbruch in der Liebe zu ihr bedeutet.
Wieder halte ich inne, bin zwiegespalten zwischen Wut und Zuneigung...
Dann werde ich wieder aus der Realität gerissen:

Ich weiß nicht wo ich bin oder ob ich träume.
Als ich mich um mich selbst drehe erkenne ich nichts, denn der Raum, in dem ich mich befinde, ist weiß und leer.
Langsam schreite ich weiter und tatsächlich, da steht etwas: ein Ständer mit Opferkerzen.
Vorsichtig komme ich näher, die Kerzen brennen. Ich weiß nicht warum, jedoch ziehen mich die kleinen Flammen magisch an, ich kann es aber nicht verstehen.
Als ich meinen Blick in das Kerzenlicht vertiefe, vereinen sie sich zu einem flackerndem Bild.
Wie Nordlichter sehe ich unzählige, ausgefranzte Gestalten.
Eine mir unbekannte Stimme wispert:
"Aufgeregt folgen sie dem Ruf, wandern über einen ausgetretenen Waldweg, der von Bäumen gesäumt ist, die wie ein Tor empor ragen und blicken ehrfürchtig zum blauen Himmel auf.
Keiner kann ihm widerstehen. Egal wie weit weg sie auch sein mochten, alle haben sie ihn vernommen.
Der Wind weht, lässt die Blätter rascheln und flüstern während mehr und mehr dem Weg folgen, der so anziehend auf sie wirkt. Beinahe könnte man meinen, dass ihnen die Blätter tatsächlich leise den Weg weisen würden, ganz so als wären sie unzählige Münder der Gebieterin, die jeden Stern getötet zu haben scheint, denn kein einzelner zeigt diese Nacht sein strahlendes und funkelndes Antlitz.
Es ist der Anfang, der Beginn, der Fluch ist ausgebrochen."
Die Schattengestalten verschwinden wieder, die Stimme verstummt.
Trotzdem bin ich genauso planlos wie vorher.
Doch dann trifft es mich wie ein Schlag: die brennenden Kerzen stehen für die Vampire und zünden sich praktisch automatisch an, wenn ein Mensch seine Seele verkauft hat!
Ganz plötzlich, wie durch einen heftigen Windstoß, erlöschen alle Kerzen.
Völlig erschrocken taumle ich zurück.
Das sind wir! Wir sind die Kerzen die erlöschen, wir sind die Menschen die gestorben sind und dann als Vampire wieder auferstanden sind!

Auch diese Illusion ist beendet.
Als ich die Augen wieder öffne finde ich mich, warum auch immer, in einer alten, verlassenen Scheune wieder. Wachsam und angespannt schaue ich mich so schnell es geht um.
Von vielen Seiten gleichzeitig scheint es zu rascheln und zu klappern.
Jedes Geräusch wird sofort von mir aufgenommen und verfolgt.
"Du schon wieder."
Eher gleichgültig begrüße ich mit diesen Worten die junge Frau, die ich vor nicht allzu langer Zeit am Bach getroffen habe, denn sie steht urplötzlich hinter mir.
Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie sie erschrocken zusammenzuckt, als hätte ich sie bei etwas ertappt, doch schnell beruhigt sie sich und setzt ein feines, dünnes Lächeln auf, dass ihre hervorquellenden Augen nicht erreicht.
Sie sieht eher aus wie ein Frosch.
Völlig unerwartet legt sie bestimmend ihre zwei kalten Hände an meine Wangen und hält meinen Kopf fest.
Diese Berührung lähmt mich. Ich kann mich nicht wehren.
Plötzlich spielen sich zwei Szenen zeitgleich nebeneinander ab: in der einen ich, in der anderen wieder dieser undeutliche, kaum sichtbare Junge, der plötzlich zu brüllen beginnt:
"Du hast es versprochen! Dass du mir hilfst, wenn ich dich brauche!"
Die Stimme legt eine Pause ein.
"Bitte... Halte es."
Wieder eine Pause.
"Ich bin bereit!"
Eine dämonische Gestalt tritt mit einer Fratze voller Gier näher, legt dem Knaben eine Hand auf die Schulter und drückt ihn in die Knie, währenddessen tut die entstellte Frau das gleiche mit mir, in beiden Szenen nähern sich die hässlichen Münder unseren Schlagadern und beißen zu...

Seelengift *komplett fertig/wird überarbeitet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt