Die Nacht ist hell und strahlend, der Vollmond leuchtet mir freundlich entgegen und zeigt mir mit seinem silbernen Licht den Weg.
Ich weiß nicht wo ich bin, geschweige denn wie ich dorthin gekommen bin. Offensichtlich stehe ich in der Türschwelle einer alten Holzhütte mitten im Wald, welche trotzdem der Stadt ganz nah ist in der ich lebe.
Seltsam... Ich sehe keinen ersichtlichen Grund wieso ich hier her kommen sollte... Und doch fühle ich eine unwiderstehliche Anziehungskraft, der ich mich nicht entziehen kann.
Ich zucke zusammen und sauge scharf die Luft ein.
In dem scheinbar leeren Raum ist jemand, gelbe Augen funkeln mich an, wie die einer Katze. Instinktiv weiß ich, dass ich genaustes beobachtet werde, ein Augenpaar liegt wachsam auf mir. Trotzdem ist mein keuchender Atem das einzige Geräusch, was ich höre, mein Herz rast, als wäre ich die ganze Zeit gerannt.
"Hallo?" Es klingt wie ein Hauch.
Irgendwie ist mir grade nach Lachen zumuten, angemerkt, ein leicht hysterisches Lachen, um die Stille nicht ganz so bedrückend zu lassen. Ich fühle mich sehr sehr unwohl, trotz dem winzigen Funken Neugier, der sich in mir regt.
Langsam werde ich ungeduldig: "Du kannst raus kommen. Ich verspreche dir, dass ich weder schreien noch wegrennen werde."
Immer noch Stille...
Dann steht er mit Abstand vor mir. Wachsam und ruhig mustert er mich, was auch ich tue. Unheimlicher Weise kommt mir dieses Szenario durchaus bekannt vor.
Moment, diesen Jungen kenne ich doch...: "Du bist der, der an mein Fenster geklopft hat und mich gefragt hat, ob ich ihn erkenne..."
"Ja". Seine Stimme hat einen frustrierten Unterton.
Ich lasse mich davon nicht beirren. "Irgendwie kommst du mir nun doch bekannt vor."
Beinahe unauffällig läuft ein Zucken durch sein Gesicht: "Ach wirklich?" Ein winziger Funken Hoffnung ist herauszuhören.
Ich antworte nicht, denn ohne es zugeben zu wollen beunruhigt mich der Gedanke, dass mich dieser für mich völlig fremde Mensch trotzdem kennt und wahrscheinlich mehr über mich weiß als ich selbst. "Du kennst mich anscheinend schon, also muss ich mich wohl nicht mehr vorstellen." Dieser Satz ist völliger Schwachsinn, denn wenn du selbst nicht weißt wer du bist, dann kannst du dich wohl kaum jemandem Anderen vorstellen...
Er scheint den ironischen Unterton mühelos herauszuhören, denn die Andeutung eines Lächelns formt seine Lippen.
Kurz angemerkt, es sind wirklich schöne Lippen, nicht zu voll, nicht zu schmal, in einem blassen Rot...
Auch wenn sein Lächeln etwas mehr zu einem richtigen Lächeln geworden ist, er scheint meine Gedanken gehört zu haben, sieht sein Gesicht traurig aus, als hätte er schon viel Schlimmes erlebt.
Urplötzlich scheint sich etwas in ihm zu lösen, denn er entspannt sich und lächelt nun wirklich. "Ja, wir sind uns schon begegnet. Ehrlich gesagt standen wir uns sogar sehr nah, deswegen habe ich an dein Fenster geklopft, um..." Er beendet den Satz nicht.
"Um zu sehen, ob ich immer noch so für dich empfinde?"
Seine Mundwinkel ziehen sich etwas nach unten. "Ja, genau." Sein Lächeln erreicht nicht mehr seine Augen.
Ein peinliches Schweigen entsteht.
Die Trauer und die Sehnsucht, die er meinetwegen empfindet sind unangenehm greifbar. Ich würde so gerne sagen, dass ich wieder weiß wer er ist und dass ich wieder so für ihn empfinde wie früher, leider wäre das eine Lüge, die ihm unnötige Hoffnungen machen könnte. Das will ich ihm nicht antun: "Es tut mir so leid, aber mehr als das mit dem Fenster weiß ich nicht mehr."
Er selbst scheint es nicht zu bemerken, jedoch sind seine Kiefermuskeln extrem angespannt und er beißt sich heftig auf die Unterlippe, sodass es eigentlich bluten müsste, aber es tut es nicht.
Etwas hat sich verändert. Die Luft ist drückender geworden und scheint wegen elektrischer Ladung zu vibrieren. Sofort bin ich sicher, dass es von ihm ausgeht, dass er plötzlich stärker ist als noch vor wenigen Sekunden. Jetzt hat er etwas an sich, etwas erschreckendes, etwas mächtiges, dass ich nicht benenne kann.
Ich beginne augenblicklich zu zittern. Mein Fluchtinstinkt ist geweckt und doch verhindert eine unerklärliche Verbundenheit mit ihm, dass ich mein Versprechen breche und wegrenne.
Auch ich reagiere seltsam, denn ohne mir dieser Bewegung vollends bewusst zu sein fasse ich mir an meine rechte Halsseite. Meine Fingerspitzen ertasten zwei winzige, verkrustete Wundmale, die ich mir nicht erklären kann.
Im Unterbewusstsein merke ich, dass sich sein Gesicht zu einer geqäulten Grimasse verzogen hat als er mit den Augen meinen Fingern folgt.
Mein Gesicht ist ruhig und ausdruckslos, meine Angst vergessen. Seine Anwesenheit ebenfalls. Ein seltsames Gefühl hat mich fest im Griff, beinahe wie ein unwirklicher Frieden.
Ohne dass ich es überhaupt mitbekomme steht er plötzlich ganz nah bei mir und schließt seine Arme um mich. Er hält mich so fest, als würde er fürchten, dass ich mich plötzlich in Luft auflösen könnte. Leise flüstert er: "Es tut mir so leid."
Verwirrt blinzle ich ihn an, ich spüre ihn kaum.
Immer noch leise redet er auf mich ein: "Ja, wir kannten uns. Ich habe dich so sehr geliebt... Du hast mir mein Leben gerettet, weißt du? Ohne dich hätte sie mich wahrscheinlich schon zerstört... Ich hatte so ein Glück...Ohne dich wäre ich schon längst verloren gewesen... Ich habe dir nie wirklich dafür gedankt... Das tut mir leid."
Ohne eine sichtliche Mimikregung schaue ich ihm weiterhin ins Gesicht. Seltsamerweise kommt mir dieser Anblick durchaus bekannt vor.
Niedergeschlagen vergräbt er sein Gesicht in meinen braunen Haaren und haucht mit tieftrauriger Stimme: "Nie wieder werde ich dich loslassen, nie wieder. Ich habe dich schon einmal verloren, das wird nie wieder passieren. Doch als ich sah, dass du mich nicht mehr erkennst, war das wie eine Klinge mitten ins Herz..." Er seufzt. "Bitte, tu mir das nie wieder an. Ohne dich kann ich nicht leben."
Auch wenn er meinem Gesicht ganz nahe ist, spüre ich keinen Atem darauf.
Zart und vorsichtig nimmt er meine Wange in seine Hand, dreht mein Gesicht zu sich und legt liebevoll seine Lippen auf meine.
Automatisch schließe ich meine Augen, trotzdem weiß ich nicht was ich fühle.
Wir stehen einander zugewandt ganz nah beieinander, er hat seine Hand an meiner Wange, ich meine an seiner Schulter. Unsere Lippen vereinen sich, als hätten sie nie etwas anderes gemacht. Seine sind nicht außergewöhnlich warm, sie sind eher kühl, trotzdem bilde ich mir ein den Geschmack von Salz auf ihnen zu schmecken, als hätte sich eine Schicht von Tränen auf die geschwungenen Linien gelegt...
Langsam öffnen wir beide die Augen. Sein Blick ist gesenkt, sein Gesicht seltsam verzerrt, als würde er leiden. Ohne ein Wort zu sagen weicht er einige Schritte zurück und dreht mir den Rücken zu, so als könnte er meinen Anblick nicht ertragen.
Meine "Starre" hat sich gelöst. Zu viele Gefühle und Gedanken stürzen auf mich ein.
Zögerlich strecke ich ihm meine Hand entgegen und trete unschlüssig von einem Fuß auf den anderen, trotzdem bin ich etwas beleidigt. Eigentlich müsste ich IHN ignorieren, denn schließlich war er es, der mich aus dem Nichts einfach so geküsst hat... Trotzdem hätte ich nie damit gerechnet, dass es mir gar nicht viel ausgemacht hat... Es hat sich sogar gut angefühlt... So vertraut... Ehrlich gesagt hat mich die Sehnsucht in seinem Kuss überrascht. Ich muss ihm viel bedeutet habe, obwohl ich ihm scheinbar noch immer wichtig bin. Ein zartes Lächeln stiehlt sich in mein Gesicht.
Vorsichtig fahre ich die Konturen meiner Lippe nach, als suche ich seine auf meinen...
Seit er mir nahe gekommen ist habe ich nichts gesagt. Mein Hals kratzt.
Ohne dass sich einer von uns bewegt, starre ich ihm Löcher in den Rücken.
Was kann ich tun? Was kann ich sagen? Er sieht so traurig aus...
Ohne ihn aus den Augen zu lassen setze ich mich auf den Boden, denn es ist spät geworden, ich werde langsam müde.
In einem Gefühl völliger Sicherheit, denn ich bin mir 100% sicher, dass er mich vor jeder drohenden Gefahr beschützt, lege ich mich hin, schließe die Augen und schlafe ein.
Mit einem halben Lächeln auf den Lippen dreht er sich um und betrachtet meine ruhende Gestalt. Er wacht tatsächlich über mich.
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Seelengift *komplett fertig/wird überarbeitet*
VampireAnfangs bin ich wie tot, ausgelaugt und geschwächt von den Kämpfen zwischen mir selbst und der Macht, die in mir haust und mich zu dem gemacht hat wer bzw. was ich jetzt bin - ein Vampir. Doch dann kam sie, meine Kerze, mein Licht in der Dunkelhei...