7. Kapitel:

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Der Schlaf hat das Mädchen längst übermannt, ihr Atem ist inzwischen gleichmäßig, ihre Gedanken haben sich in einem wirren Traum verloren.
Völlig entkräftet beobachte ich sie.
Meine Augen sind das einzige was mir noch gehorcht. Die Anderen haben schon vor langer Zeit fette Beute gemacht, aber es reicht ihnen nicht, sie wollen mehr. Bei ihnen beginnt zwar der Jagdtrieb nachzulassen, aber sie wissen, dass er mich zu kontrollieren beginnt. Das Mädchen könnte meine Beute ein, sie ist so hilflos und wehrlos, jedoch ist der Abstand zu groß um sie angreifen zu können. Schade, der Biss wäre meine Erlösung gewesen...
Was rede ich da!? Nie könnte ich ihr so etwas antun, selbst wenn mein Leben davon abhängen würde.
Sie lassen mich nicht in Ruhe, bedrängen mich weiter und spalten meinen Geist. Es sind tausende! Viel zu viele! Weiterhin brüllend winde ich mich am Boden, ich bin zu schwach, habe keine Kraft mehr..., aber diese verfluchte Macht hindert mich daran aufzugeben und zu fliehen. Die anderen sind allesamt ausgeruht und vollgefressen, ich hingegen habe Jahre lang nichts mehr zu mir genommen, bin müde und schwach. Wegen dieser vermaledeiten Schwäche bin ich doch erst zu einem Vampir geworden! Geschämt habe ich mich dafür und deswegen wollte ich eines der mächtigsten Wesen werden. Ich war dumm und naiv!, war genauso wie alle anderen blind gegenüber dem Preis, dachte wahrscheinlich das die Macht kein Tribut fordern würde. Jetzt leiten sie meinen Geist, zeigt ihm Bilder und Erscheinungen die es gar nicht gibt, verwirren ihn und wollen ihn in die Irre führen. Alle Vampire treiben ihre Spielchen mit mir, nutzen ihre Kräfte um mich zu demütigen.
Kurz schaffe ich es die Kontrolle über meinen Körper zurückzugewinnen, jedoch verliere ich sie schnell wieder.
Jedes Mal versuche ich mich aufzurichten, vergeblich. Alle Wehr ist vergebens und völlig sinnlos. Die Stimmen raten mir flüsternd mich endlich zu ergeben. Warum tue ich es nicht einfach? Ich wäre nicht mehr allein, ich würde endlich wieder zu meinen vollen Kräften kommen und kein Schwächling mehr sein. Ich hätte eine neue Familie, wäre zwar leer und gebrochen, aber ich müsste mich nicht mehr verstecken und wäre frei.
Frei...
Wie ein Blitz treffen mich die Gedanken des Mädchens. Ihr verschlungener Albtraum bildet einen Schutzschild um meinen Geist und bewahrt ihn vor dem Schlimmsten. Trotzdem wird mir alles zu viel und ich werde ohnmächtig, was schon lange nicht mehr passiert ist.
Als ich wieder zu mir komme ist alles still und düster, eigentlich alles wie immer.
Sie schläft noch...
Wachsam schaue ich mich um. Sie sind weg. Alleine sind wir aber nicht. Überall sind Leichen, frische Leichen deren Blut den Boden tränkt und aus allen Körperöffnungen strömt. Sie haben keine Augen mehr, manchen fehlen alle, anderen nur ein paar oder gar keine Körperteile. Ihre Leiber sind geschunden und baumeln an Haken von der Decke oder den Wänden.
Der intensive Geruch ist nicht auszuhalten!
Halb nackt leisten sie dem leichten Wind Widerstand.
Schreiend und noch teilweise im Halbschlaf erlebt das Mädchen den Schock ihres Lebens. Voller Panik und Angst hat sie ihre Augen aufgerissen und betrachtet erschrocken jedes einzelne Vollmondopfer. Auch ihr wird es zu viel und krampfend übergibt sie sich mehrmals und lauscht den stummen Schreien, die die aufgerissenen Münder ausgestoßen hatten. Tränen des Grauens laufen ihr über die Wangen, Schauer schütteln sie und ihr Mageninhalt vermischt sich ein weiteres Mal mit den Blutlachen am Boden. Wieder stehe ich vor der Frage wie ich sie beruhigen und trösten kann, diesmal jedoch bin ich nicht mehr so ruhig wie vorher. Auch ich bin geschockt und könnte mich durchaus ebenfalls übergeben, aber es geht nicht, die Erleichterung von der Last ist mir verwehrt. Wer das Massaker angerichtet hat ist überaus deutlich, die Spuren sind nicht versteckt und offensichtlich. Ich denke nicht mehr, stehe einfach nur da und starre in die Finsternis während das Mädchen mich aus leeren Augen anstarrt. Als sich unsere Blicke treffen bewegen sich ihre Lippen als wolle sie etwas sagen, aber nichts zerstörte die drückende Stille. Auch bei ihr herrscht Stille, kein Gedanke ist zu vernehmen. Ohne Vorwarnung umarmt sie mich und drückt ihr verweintes Gesicht an meine Schulter. Ich lasse es zu, rühre mich aber nicht. Ich kann sie nicht trösten, sie nicht beschützen. Wir sind beide alleine, umzingelt von den Opfern meiner Sippe.
Langsam gleitet sie zu Boden und landet an mich geklammert auf ihren Knien. Ich folge dieser Geste und knie somit ebenfalls im Blut. Es macht mir nichts aus, die Macht bleibt ruhig in meinem Innern verschlossen. Ich weiß ganz genau, dass sie immer noch da sind und uns beobachten, auch wenn sie nicht mehr um mein Versteck stehen. Es ist klar, dass sie mir von nun an auf Schritt und Tritt folgen werden und dem Mädchen die schlimmsten Dinge antun, wenn ich sie nicht beschütze. Einerseits geht sie mich nichts an, sie ist ein Mensch und ich ein Verlorener für den es keine Hoffnung mehr gibt. Andererseits könnte ich nicht zulassen, dass sie genauso Leben muss wie ich, ich wäre ein Monster!
Bin ich das nicht schon?
Im Prinzip kann sie mir völlig egal sein. Ich könnte sie benutzen, sie könnte der Schlüssel sein der die Tür öffnet die mich von denen trennt die mein Versteck in ein Blutbad verwandelt haben. Nie mehr fliehen...
Ich weiß nicht was ich tun soll! Richtig und falsch, Gut und Böse..., alles ist so verworren, undurchschaubar und verschlungen! In dieser Hinsicht bin ich blind geworden und mein Blick stumpf. Die Wärme, die ihr Körper meinem schenkt, brennt auf meiner Haut, doch sie lässt mich nicht los, weint immer weiter und übergibt sich wieder.
Unsere Kleidung hat sich inzwischen vollgesogen, ihr Herz rast. Die Dunkelheit meines Verstecks beginnt mich auszufüllen, weckt die Trostlosigkeit und führt mich näher an den Abgrund. Ich sehe mich an einer Klippe, taumle wie in Hypnose an den Rand und starre nach unten.

Ich höre Schreie, verzweifelte Schreie voller Angst und Schmerz

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Ich höre Schreie, verzweifelte Schreie voller Angst und Schmerz. Es ist ihre Stimme, es sind ihre Schreie. Sie bringen mich wieder in die Wirklichkeit zurück, lassen mich erzittern. Der Grund für ihr Schreien liegt vor unseren Füßen. Eine Leiche ist herab gestürzt. Schwungvoll springe ich mit ihr von der Mitte des Foyers in Richtung Treppe und renne dann auf den Innenbalkon.
Das war die erste und letzte Warnung, es wird keine mehr geben.

Seelengift *komplett fertig/wird überarbeitet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt