Stumm habe ich alles mit angesehen. Ein schmales, grimmiges Lächeln kräuselt meine Lippen. Jetzt zieht sie ab, mit Tränen in den Augen, von ihm verlassen, genauso wie ich.
Dann bin ich wieder alleine.
Ich spüre wie mir Tränen heiß in die Augen steigen, doch nichts fließt meine Wangen hinunter. Dann verliere ich die Beherrschung: schreiend schlage ich mit geballter Faust und voller Wucht gegen das Holz der maroden Hütte, der Hütte, die ICH ihm geschenkt habe! Wie kann er mir das nur antun!? Ich schwöre, wenn ich dieses Miststück das nächste Mal sehe bringe ich sie um! Dann hat er gar keine andere Wahl als wieder zu MIR zurückzukehren!
Ich bin so unbeschreiblich wütend und verletzt!
Meine ganze Wut liegt in meinen Schlägen und Tritten während ich mir vorstelle dass nicht nur das Holz splittert sondern Knochen, ihre Knochen.
Verzweifelt sinke ich auf die Knie, die Handflächen und die Stirn gegen das zertrümmerte Holz gelehnt. Ohne wirklich darüber nachzudenken erhebe ich mich wieder, wende mein Gesicht gen Himmel und schreie ihm meine ganze Wut und meinen vollen Hass entgegen während ich jeden verfluche der das Glück dieser verdammten Welt gefunden hat.
Auch wenn ich denke ich könnte in meinem Hass versinken lenkt mich ein plötzliches Stechen in meiner Brust ab. Überrascht fasse ich hin. Mein Herz will wohl auch einfrieren. Dieses Unbekannte meint es wohl wirklich gut mit mir, denn das alles tut so höllisch weh und dadurch lässt der Schmerz wenigstens etwas nach.
Mit meinen neuen Kräften könnte ich dieses Miststück einfach umbringen, ihn brechen sehen, doch noch nicht jetzt. Das Unbekannte hat mir versprochen dass bald die Zeit für meine Rache sein wird und er endlich wieder MEIN sein wird.
Jetzt habe ich Zeit zu warten, denn Zeit zählt für mich nicht mehr. Auch wenn ich immer noch nicht weiß was genau mit mir passiert ist, ich freue mich.
Kann man das wirklich Freude nennen?
Eigentlich ist es nur ein dumpfes Gefühl, wie jedes andere. Ganz kurz zweifle ich, doch die Dankbarkeit, dass mir das Unbekannte Rache und ein schmerzfreies Leben geschenkt hat, lässt meine Zweifel schlagartig verschwinden.
Kurz aufstöhnend halte ich inne und fahre runter. Jetzt heißt es warten, lauern, bis der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um endlich zuzuschlagen. Ich werde mich so sehr daran weiden ihr Blut auf dem Boden zu sehen und jede einzelne Sekunde verfolgen zu können wie seine ach so schöne, heilige Liebe in Scherben zerbrechen wird, wie sein dummes Herz, das dann ein für alle Mal NUR MIR gehören wird, in Stücke gerissen wird und der einzige, der ihn vor dem endlosen Sturz in das bodenlose Loch der Verzweiflung retten kann, ICH sein werde.
Aufgelöst renne ich einfach los in den Wald, doch dadurch merke ich nicht wie mein ganzer Körper wieder zu flimmern beginnt und ich mich nicht in einen 10-jährigen Jungen sondern in einen aus purem Eis bestehenden Schneeleoparden verwandle und statt auf zwei Beinen auf vieren weiterpresche. Mit stoßweiser Atmung beschleunige ich immer mehr und mehr, denn wenn mir eines aus meinem alten Leben geblieben ist, dann die Leidenschaft für Hochgeschwindigkeit. Berauschend spüre ich jeden meiner neuen, starken Muskeln, die ihr bestes geben und sich in Höchstleistung strecken und zusammenziehen. Ich achte auf nichts mehr, renne einfach ziellos geradeaus, nur am Rande bemerke ich den Wind und mein eigenes Blut, die mir in den Ohren rauschen. Alles arbeitet in ungewohnter, perfekter Harmonie: Herz, Lunge, Muskeln, nichts tut weh. Wäre da nicht dieser Schmerz den dieser Verräter hinterlassen hat!
Prompt werde ich langsamer.
Eisige Tränen durchnässen mein Fell an der Schnauze, mein Blick verschleiert sich, das Rauschen in meinen Ohren wird lauter, meine Atmung erschwerter. Bevor ich das Tempo bis zum Stehenbleiben verringere wechsle ich wieder unkontrolliert die Gestalt in mein 17-jähriges Ich, stolpere ein paar Schritte weiter und falle endgültig auf die Knie. Weitere Tränen laufen mir in Strömen die Wangen hinunter, mein Mund verzieht sich zu einer Grimasse, mein Kinn zittert, meine Zähne klappern, meine Hände graben sich in Erde und heruntergefallenes Laub. Heftige Schluchzer schütteln meinen Körper, ich zittere und wippe vor und zurück, mein Kopf steht gefühlt kurz vor der Explosion.
Wie konnte er mir das nur antun? Ich dachte er liebt mich...
"Er hat dich nie geliebt, du warst nur eine Ablenkung." Die Stimme in meinem Kopf ist wieder ihre, die des Unbekannten. Ganz sacht, wie ein Windhauch, spüre ich ihre tröstende Hand auf meiner Schulter. Gefangen in meiner Verzweiflung schmiege ich mich in die Arme der durchscheinenden Gestalt, fühle wie sie sacht mein Haar streichelt, wie langsam aller Kummer von mir weicht und der neuen Kälte Platz macht. Völlig leer und eingesunken lehne ich meinen hängenden Kopf gegen ihre Schulter bis auch das letzte Zittern erstirbt und auch die letzte Tränenspur gefriert. Eine dünne Eisschicht breitet sich Stück für Stück auf meinem Gesicht aus bis es von meinem ganzem Körper besitzt ergreift und mich eine bleierne Müdigkeit erfasst, so als würde ich einen Erfrierungstod sterben. Völlig kraftlos sacke ich mit meinem vollem Gewicht gegen sie. Als die Gestalt unerwartet verschwindet lege ich mich einfach auf den Boden, ziehe meine Beine ganz nah an den Körper und schließe meine Augen. Es ist alles verloren, ich kann nie wieder zurück, kann nie wieder meine Eltern sehen, sie nie wieder in den Arm nehmen...
Mehr und mehr trübt mein Bewusstsein ein, Gedanken kreisen zäh in meinem Kopf bis ich mich nicht einmal mehr an meinen Namen erinnern kann. Alles was vor jetzt war verschwimmt wie ein unscharfer Film, jedwege Erinnerung fließt in den Boden und verlässt meinen Geist bis ich nur noch ein unbeschriebenes Blatt bin.
Schon im nächsten Augenblick stemme ich mich in meiner Tiergestalt mit meinen Vorderbeinen hoch und verharre so einige Minuten, mein Blick ist völlig leer und stumpf. Knurrlaute rumpeln abgehackt in meiner Kehle. Mühsam stelle ich mich anschließend auch noch auf meine Hinterbeine und senke etwas orientierungslos die Nase auf den Boden um alle möglichen Gerüche zu inhalieren. Ohne auch nur daran zu denken dass ich etwas anderes als ein Tier bin tapse ich hinein in die Dunkelheit und folge dem Ruf meiner Herrscherin.
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Seelengift *komplett fertig/wird überarbeitet*
VampiroAnfangs bin ich wie tot, ausgelaugt und geschwächt von den Kämpfen zwischen mir selbst und der Macht, die in mir haust und mich zu dem gemacht hat wer bzw. was ich jetzt bin - ein Vampir. Doch dann kam sie, meine Kerze, mein Licht in der Dunkelhei...