Mein Bewusstsein kommt so heftig zurück, dass es sich so anfühlt, als würde mein Körper mit voller Wucht auf dem Boden aufschlagen.
Ich reiße meine Augen auf und suche sofort nach Orientierung.
Sie sind schwarz und kalt, voll von Hass.
Ich weiß, dass mir das Mädchen gestohlen wurde. Sie ist weg!
Ich will schreien, brüllen, mir die Haare raufen, irgendetwas kurz und klein Schlagen, meiner Wut freien Lauf lassen, aus mir selbst heraus Chaos und Vernichtung bringen.
Doch ich bleibe liegen, meine Fäuste sind geballt, jeder Muskel wie eine Bogensehne gespannt.
Was mich davon abhält, meinen Gefühlen freien Lauf zu lassen ist, dass wieder das Fremde in mir zu wachsen beginnt und mich zu verändern scheint. Diese schwarze, dunkle Aura dieses Etwas umgibt mich wie eine zweite Haut.
Meine Kiefer sind fest, meine Zähne aufeinander gebissen.
Alles an und in mir kämpft gegen dieses machtvolle an, bis es sich schließlich wieder zurückzieht.
Bebend Knie ich mich hin, stützen mich auf meinen Fäusten ab und habe den schweißnassen Kopf gesenkt.
Dieses Unbekannte ist im Mindesten so stark wie die Macht, wenn nicht sogar stärker, da es mehr als die Macht ein Teil von mir zu sein scheint.
Aber was ist es?
Aufschreiend löse ich meine Fäuste vom Boden, richte meinen Oberkörper auf und lege meinen Kopf in den Nacken.
Prompt verstummen ich, denn ohne Vorwarnung taucht das Gesicht des Mädchens vor meinem geistigen Auge auf.
Ausdrucklos und doch voller Schmerz starre ich es an bis es verschwimmt und schließlich verschwindet.
Wieder steigen Wut und Hass in mir auf.
Ich muss sie finden!
Nur mit Mühe kann ich das Bild des Mädchens aus meinen Gedanken verdrängen, sie sieht aus wie ein Geist, da und gleichzeitig nicht da, mit Angst im Gesicht. Das schlimmste an dieser Vision war, dass sie mich nicht erkannt hat und ANGST VOR MIR hatte.
Wie ein Mantra versuche ich mir einzureden, dass das alles nicht echt ist und nur von meinen tiefsten Ängsten gründet und doch beschleicht mich Zweifel.
Die einzige Möglichkeit, um Gewissheit zu erlangen, ist die Spur des Mädchens zu verfolgen und zu überprüfen, ob sie mich erkennt oder nicht.
Dabei sind meine scharfen Vampirsinne sehr nützlich, denn als wäre sie mit Farbe auf dem Boden aufgemalt, ist ihre Geruchsspur unkompliziert nachzuvollziehen. Ich brauche ihr nur zu folgen und alles wird wieder gut. Sie wird sich an mich erinnern, wenn sie mich sieht. Ganz bestimmt! Nicht die Hoffnung aufgeben!
Ich klammere ich daran wie ein Mensch...
Angewidert verziehe ich meinen Mund, ändere aber nichts daran. Ich hoffe weiter...
In meinem Geist reift das Bild wie mir das Mädchen freudestrahlend um den Hals fällt und ich ihrem Schwung nur mit Mühe standhalten kann. Mit ihrer süßen Stimme wird sie sagen: "Ich habe gewusst, dass du mich findest" und wir uns zärtlich küssen. Ja, so wird es sein. Nicht anders!
Da ich wegen des unerwarteten Bildes stehen geblieben bin, setze ich meinen Weg mit festen, lautlosen Schritten fort, obwohl man es beinahe trampeln nennen kann. Wenn man es so will kann man sich mich wie einen wutschnaubenden Bullen vorstellen, der mit kräftigen Schritten seinem Gegner gegenübertritt.
Als ich auch noch den Geruch eines Artgenossens wahrnehme, der sich eindeutig mit dem Ihren vermischt, werde ich rasend.
So ist das also... Die Macht will Rache. Die soll sie haben!
Schnell und gleichmäßig renne ich den beiden hinterher. Wenn ich diesen Verräter in die Finger kriege, reiß ich in den Kopf ab, egal ob männlich oder weiblich.
Anstatt über diesen Gedanken geschockt zu sein und deswegen stehen zu bleiben, verinnerliche ich ihn und stelle mir mit Vorfreude vor, wie die Angst und die Qual alles an und in meinem Opfer beherrscht.
Diese Gedanken und Wünschen nach Blut, Brutalität und im Prinzip nach Mord und Qualen kommen von mir. Ich habe nicht mehr die Macht als Ausrede.
Nein, nicht mehr.
Es sind meine Wünsche und Gedanken.
Es sind meine.
Mit voller Absicht ignoriere ich den starken Geruch des Mädchens, sondern verfolge stetig den meines Feindes. Rache ist das einzige, an das ich momentan denken kann.
Nun lässt mich doch etwas innehalten. Der Geruch hat sich verändert und gleichzeitig auch nicht.
Ein hämisches, unmenschliches Lachen unterbricht die nächtliche Ruhe.
Hyäne!
Aus dem Lachen wird ein gefährliches Knurren.
Erst verstehe ich nicht, warum dieses schwarzpelzige Tier den Geruch des anderen Vampirs hat, doch jetzt weiß ich es. Die Hyäne ist der Charakter des Vampires bzw. der des Menschen, der mein Gegenüber einst war: gierig, grausam, heimtückisch.
Ohne zu zögern wird mich mein Feind zerfetzen.
In meiner Wut ist mir das Einerlei, denn ich kann das dunkle Tier ebenfalls in Stücke reißen.
Das Etwas kommt wieder in mir auf.
Ein tiefes, bedrohliches Knurren vibriert in meiner Brust und grollt in meiner Kehle.
Die Hyäne gibt einen erschrocken Laut von sich und weicht ein paar Schritte zurück.
Ich weiß nicht wie es passiert, geschweige denn was überhaupt passiert.
Als ich meine geschlossenen Augen öffne sind sie gelb. Es sind Katzenaugen, Raubtieraugen, schwarze Panther-Augen, denn genau das bin ich: ein pechschwarzer Leopard.Meine scharfen Krallen sind ausgefahren, meine Zähne sind gefletscht, mein langer Rücken gestreckt, meine Muskeln zum Sprung gespannt, meine Ohren fest an den Kopf gepresst, mein Kopf angriffsbereit gesenkt, mein Maul geöffnet.
Wieder fauche ich und schleiche mich an meinen Feind an, wie an eine Beute.
Jetzt ist mein Knurren wie ein Schnurren, es rollt sanft.
Ich denke nicht mehr an das Mädchen, ich denke nicht mehr an Rache, ich denke nur an Beute machen und jagen.
Verwirrt und eingeschüchtert zieht die Hyäne den Kopf ein und will fliehen, jedoch wissen wir beide, dass ich schneller und stärker bin als sie.
Nervös lacht sie wieder und pendelt mit Kopf und Vorderbeinen hin und her.
Mein fauchender Schrei ist das Letzte dass sie hört als ich mit voller Wucht in sie hineinspringe, mich in ihrer Kehle festbeiße und ihr das Genick breche.
Ich werde wieder zum Vampir, denke aber noch wie ein Tier, ramme meine Zähne in die Kehle meines Opfers und sauge es bis zum letzten Blutstropfen aus.
Mein ganzes Gesicht ist von der roten Flüssigkeit beschmiert, meine Augen haben die gleiche Farbe, so wie damals...
Ich weiß nicht was es ist, jedoch ist der Laut den ich jetzt ausstoße irgendwie eine Mischung aus schreien, lachen und gurgeln.
Ich starre den Himmel mit aufgerissenen Augen und Mund an.
Als Panther bin ich nicht mehr als ein todbringender Schatten, näher an meinem Tod dran als je zuvor.
Und doch ist es verlockend und anziehend mit Adrenalin aus Mut, Stärke und Mordlust, anstatt mit Adrenalin aus Angst und Hoffnungslosigkeit am Abgrund zu stehen und herausfordern anstatt ängstlich in die Tiefe zu blicken.
Mein Opfer zuckt nicht mehr.
Mein Opfer lebt nicht mehr.
Es ist tot.
Schreiend und brüllend lege ich den Kopf in den Nacken und lass es in die Nacht schallen. Echte Tränen rinnen meine Wange herunter. Letztendlich lache ich erstickt, dann wimmere ich nur noch und verstumme schließlich.
Wie unter Zwang trete ich den totem Tiere den Schädel ein und renne besinnungslos von mir selbst davon.
Einfach weg, einfach weg...
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Seelengift *komplett fertig/wird überarbeitet*
Ma cà rồngAnfangs bin ich wie tot, ausgelaugt und geschwächt von den Kämpfen zwischen mir selbst und der Macht, die in mir haust und mich zu dem gemacht hat wer bzw. was ich jetzt bin - ein Vampir. Doch dann kam sie, meine Kerze, mein Licht in der Dunkelhei...