35. Kapitel: (Das Mädchen)

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Ich schaue ihm tief in die pechschwarzen Augen. Sein Blick versucht dem Meinen auszuweichen, jedoch halte ich ihn fest. Scham und Wut auf sich selbst zeigen sich darin.
Mit Nachdruck wiederhole ich meine Worte, zu meinem Bedauern ist meine Stimme noch etwas atemlos: "Ich vertraue dir! Du hast mir nichts tun wollen, du hast schlicht und ergreifend reagiert."
Er bewegt sich nicht, vertieft nichtsdestotrotz ebenfalls den Blick in meine Augen.
Wie ein Kartenhaus klappt er plötzlich zusammen, bleibt aber bei Bewusstsein, und legt seinen Kopf an meine Schulter. Vorsichtig plaziere ich ihn in meinem Schoß. Zärtlich und liebevoll streiche ich dem Jungen über und durch das Haar. Er scheint dies sehr zu genießen, denn er hat die Augen geschlossen.
Langsam richtet er sich wieder auf, seine Lider öffnen sich nicht.
Wie magnetisiert finden sich unsere Lippen und liebkosen sich. Sie kämpfen nicht miteinander, bewegen sich trotz allem begierig und spielerisch. Währenddessen haben wir beide die Augen geschlossen.
Seine Hand liegt an meinem Hals und bedeckt die Wundmale...
Ohne merkliche Bewegungen ist er seine alte Lederjacke los und ich mein T-Shirt.
Es ist dunkel geworden, doch dank des Mondlichts kann ich alles an ihm deutlich sehen: sein Oberkörper ist muskulös, durchtrainiert, aber nicht übertrieben mit Muskeln bepackt, seine Haut ist schneeweiß, ein passender Kontrast zu seinen schwarzen, schulterlangen Haaren mit den roten Spitzen. Sein Gesicht ist markant, aber nicht zu sehr ausgeprägt, es ist perfekt und makellos.
Stück für Stück nähert sich seine nackte Haut der Meinen. Als wir aneinander gepresst da sitzen, verharren wir kurz. Erst vorsichtig, dann fordernder tasten sich unsere Hände gegenseitig ab.
Dann liege ich entkleidet rücklings auf dem Boden, er auf mir, dennoch nehme ich sein Gewicht kaum wahr, er fühlt sich sehr leicht an.
Leise raschelt das Laub bei jeder unserer Bewegungen.
Präzise arbeiten seine Schulterblätter, als er sich bei meinen Füßen beginnend in Richtung Gesicht vortastet. Auch die Meinen arbeiten, als ich ihm entgegenkomme.
Meine Finger verfolgen gespannt jede Tätigkeit seines Körpers. Ich kann es gar nicht erwarten. Vor Aufregung zittern meine Lippen. Voller Sanftheit küsst er sie.
Dann sucht sein Ohr meinen Herzschlag und lauscht ihm.
Ruhig atme ich ein und aus, meine Rippen dehnen sich gegen seinen Kopf und kehren in ihre Ursprungsform zurück.
Lange liegen wir so da. Keiner rührt sich, nichts stört die Stille. Und doch wird in jeder Sekunde die vergeht deutlicher, wie sehr wir uns lieben.
Dann endlich ist es soweit: zärtlich und vorsichtig gelang er in mein Inneres. Anfangs tut es sehr weh. Mein Körper will sich verkrampfen und den Fremdkörper loswerden, der Vampir jedoch küsst meinen Hals und meine Lippen und streichelt meine Haare und mein Gesicht und ich entspanne mich ein bisschen. Kurz zieht er sich aus mir zurück, um mir Zeit zu lassen, seine Finger fahren währenddessen, wie eine leichte Feder oder wie ein sanfter Windhauch, jede Kontur meines Körpers nach, als wolle er alles, was er jetzt fühlt, verinnerlichen.
Überall bekomme ich eine Gänsehaut. Ein wirklich gutes Gefühl.
Mein Verlangen wird größer.
Auch meine Finger lassen an seinem arbeitendem, geschmeidigem Körper nichts aus.
Flehender küsse ich ihn, bis er wieder in mir ist. Ich kann es nicht unterdrücken: erst einer, dann immer mehr Stöhner und Seufzer voll Lust und Leidenschaft entweichen mir. Kurz schäme ich mich dafür, dennoch scheint es ihn umso mehr anzufeuern, also lasse ich meiner Reaktion freien Lauf. Der Junge ist so gut zu mir, so fürsorglich und achtend. Er würde nie etwas tun, dass ich nicht will. Umso mehr hat er mein Vertrauen verdient.
Ich kann nicht sagen nach wie langer Zeit, und doch zieht er sich ein weiteres Mal aus mir zurück.
Beide sind wir erschöpft und völlig am Ende. Der Vampir sieht aber tausendmal schlimmer aus als ich: sein Haar ist schweißnass, sein Gesicht blasser und eingefallener als zuvor und doch scheint es ein zweiter Mond zu sein, so sehr strahlt es, und ist von Glück und Liebe erfüllt. Es trägt einen Ausdruck tiefen Friedens und Entspannung, wie bei einem Kind, das einen schönen Traum träumt.
Wieder liegt sein Ohr auf meinem Herzen, wieder streichle ich sein Haar und wieder sind seine Augen geschlossen.
In meinem zeigt sich ein glückliches und erleichtertes Lächeln.
Jetzt gehören wir für immer zusammen und nichts und niemand kann uns mehr trennen.
Als er seinen Blick hebt leuchten seine Augen wie zwei dunkle Sterne. Trotzdem haben sie eine Helligkeit, die mich beinahe blendet.
Im Prinzip ist alles an ihm ein einziger, gegensätzlicher Kontrast, und doch ist er einfach perfekt.
Ich habe Angst davor, was meine Augen ihm zeigen, denn als er einfach so bewusstlos geworden ist, habe ich mich tierisch erschreckt.
Es war so ähnlich wie bei unserer ersten Begegnung, denn wieder sah er aus wie gestorben und gleichzeitig von feurigem Leben erfüllt. Der Unterschied jedoch besteht darin, dass ich diesmal keine Angst VOR ihm, sondern UM ihn hatte.
Ich konnte nichts tun um ihn zurückzuholen, es war schrecklich. Wenn ich ihn nun doch verloren hätte...
Die Wundmale!
Meine Hand schnellt unter seinem Körper hervor und legt sich auf die kleinen, frischverkrusteten Punkte.
Ein kalter Schauer läuft mir das Rückgrat hinunter.
Beide haben wir uns aufgesetzt.
"Was ist mit mir passiert?" Nie würde ich ihn in so einer Situation: "Was hast du mit mir gemacht?", fragen. Wenn er mich beißt bzw. gebissen hat, hat er bestimmt einen guten Grund und allein schon an seinem verzogenem Gesicht und den zusammengepressten Lippen kann ich erkennen, dass er diesen auf alle Fälle hat.
Ich wiederhole meine Frage, diesmal mit beruhigender Stimme.
Mit unterdrückter Wut knurrt er: "Ich weiß es nicht.", und erzählt mir alles. Als er mir von dem "Ort" erzählt, wie er ihn bezeichnet, höre ich deutlich seine Sehnsucht danach, wieder dorthin zu gelangen. Auf seine Frage, ob ich während meiner "Ohnmacht" ebenfalls dort war, zucke ich leicht mit den Schultern. Ich habe keine Ahnung.
Uns beiden steht ins Gesicht geschrieben, wen wir für den Täter halten. Ich denke, ihr bzw. du, wisst bzw. weißt es auch.
Lange Zeit schweigen wir, jeder von uns beiden hängt seinen eigenen, finsteren und trüben Gedanken nach.
Ich bin mir nicht genau sicher, welche in meinem Kopf herum spuken, keiner tritt deutlich hervor.
Tränen füllen meine Augen und mein Herz beginnt ein weiteres Mal wie wild zu schlagen. Der Wunsch wird mächtiger ein weiteres Mal seine zärtlichen Finger überall zu fühlen, unsere Liebe ein weiteres Mal entflammen zu lassen. Er versteht und wir werden ein weiteres Mal eins.

Seelengift *komplett fertig/wird überarbeitet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt