10. Kapitel:

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Sie haben es vollbracht, sie haben nach so vielen Jahrhunderten mein Versteck vernichtet und es unbewohnbar gemacht.
Von dem alten, zerfallenen Haus ist schon bald nichts mehr übrig, denn es wird widerstandslos zu Asche...
Die Flammen blenden mich, trotzdem wende ich ihnen meinen Körper zu und vernehme die letzten Gedanken der Toten, die schon vor langer Zeit ihren letzten Atemzug getan haben.
Sie bekommen nichts mehr von den Verbrennungen, die ihrer Haut weitere Schäden zufügen, mit, das Mädchen jedoch hätte echte Quälen gelitten...

Unendlicher Selbsthass steigt in mir auf, der jede Faser in meinem Körper auszufüllen beginnt. Mondstrahlen beginnen sich daraufhin den Weg in mein Inneres zu suchen, um das aufgebrochene Schloss endgültig zu öffnen, um dem Fluch und somit der Macht freien Lauf zu lassen.
Ich bin wirklich geneigt dies zuzulassen, schließlich wäre es eine willkommene Abwechslung, um alles loszulassen und zu vergessen, um dieses verdammte Mädchen zu vergessen, denn sie ist eine große Gefahr für meine Gleichgültigkeit!
Wie kann ich diese verwirrenden, beängstigenden Gefühl von mir weg stoßen, die sie, warum auch immer, in mir ausgelöst hat?!
Die Antwort liegt auf der Hand.
Ich bin so nah dran meinen Kampf aufzugeben, um wenigstens für eine Nacht komplett abzuschalten, obwohl es mir durchaus bewusst ist, dass bei Vollmond eine richtig große Gefahr besteht, dass ich für immer meinen Willen verliere.
Ohne wirklich darüber nachzudenken ergebe ich mich.
Schlaff wiederhole ich die Geste des Mädchens: ich sinke auf die Knie, stütze mich mit den Händen ab und lasse ergeben meinen Kopf hängen. Triumphierend wacht die Macht auf, übernimmt meinen Körper und betäubt meine Gedanken.
Im Handumdrehen bin ich nicht mehr ich selbst.
Alles ist viel intensiver, meine Muskeln pochen und pulsieren da sie sich auf die bevorstehende Jagd vorbereiten. Jetzt sind meine Augen glühend rot, mein Mund lächelt, freundlich sieht es aber 100%ig nicht aus.
Ich nehme Witterung auf, jemand ganz in der Nähe ist verletzt, endlich wieder Beute schlagen.
Ein Knacken im Buschwerk lenkt mich ab.
Es sind Meinesgleichen. Sie prüfen mich genauestens und locken mich bei ihrer letzten Jagd diese Nacht dabei zu sein.
Der Anführer tritt aus den Schatten.
Als er vor mir steht rammt er mir die mit Krallen bestückte Hand in den Brustkorb, um zu prüfen wie es mit meinem Blutfluss und dem Herzschlag steht. Die Wunde, die er hinterlässt, hat die Form eines Bisses, sieht aber mehr wie ein harmloser Abdruck aus und hinterlässt keinen Schaden in meiner Haut, obwohl er sehr tief eingedrungen ist. Zufrieden nickt er mir zu, in seinen Augen bin ich würdig, an seiner Seite Leben auszulöschen.
Die Haltung, die ich als Schwächling hatte, war gebeugt und strahlte Angst aus, diese Haltung jedoch, die ich jetzt habe, ist stolz und aufgerichtet. Wie konnte ich so dumm sein mich an das Aussehen eines schwächlichen Menschen zu klammern, wenn ich diese Kraft haben kann?!
Ich bin kein Mensch mehr, ich bin ein Vampir!
NICHTS kann mir Konkurrenz machen, ich bin unbesiegbar!
Der Blutgeruch, der immer noch in meiner Nase haftet, macht mich rasend, die Energie in meinen Adern ist überwältigend.
Jetzt bin ich endlich im Einklang mit mir selbst, mit mir als Monster, als Vampir, als blutrünstige Bestie.
Es gefällt mir, ich bin endlich frei.
„Meine Freunde, diese Beute soll uns jahrhundertelang ernähren. Diesen Blutmond wird die Menschheit nie vergessen und uns auf ein Neues zu fürchten lernen!"
Das Oberhaupt hat wie wir alle eine grollende Stimme, die aber etwas Endloses und Mächtiges in sich hat.
Ich spüre sofort Respekt, jeder hat vor diesem Vampir Respekt. Wir rennen mit dem Wind und überholen ihn.
Wir sind gefährlich.
Die gefährlichsten Lebewesen die es je gab.
Der Geist aller ist in den Geist des Oberhaupts eingeflossen, wir sind wie wilde Hunde an der Leine und er ist der Jäger, der uns frei lässt. Jeder will ihm imponieren, trotzdem sind alle völlig neutral, alles funktioniert wie ein geöltes Uhrwerk.
Sinnbildlich sind wir schwarzpelzige Wölfe, blutrünstiger und wilder als ein gewöhnlicher Wolf, aggressiver als ein tollwütiges Exemplar. In einem großen Rudel streichen wir auf sachten Pfoten durchs Unterholz, senden uns leiseste Signale die wir sofort verstehen und ausführen. Gemeinsam ziehen wir in die Stadt um auch dort ein Massaker anzurichten.
Ich bin nicht bei Sinnen, keiner ist das.
Wir sind alle ein Körper, eine Seele und ein Geist.
Individuen existieren nicht mehr.

Seelengift *komplett fertig/wird überarbeitet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt