Leise öffne ich die Türe des Sekretariats und bekomme sofort die volle Aufmerksamkeit der Sekretärin, die auf einem Stuhl vor ihrem Schreibtisch sitzt.
Sie scheint so um die 50 Jahre alt zu sein, ihre schwarzen Haare hat sie zu einem ordentlichen Dutt zusammen gebunden und ihre Lippen sind mit einem dunkelroten Lippenstift verziert. Sie sieht für ihr Alter echt gut aus.
"Kann ich dir irgendwie helfen?" fragt sie mich freundlich.
Sie schiebt ihre große Brille mit dem Zeigefinger auf der Nase etwas nach oben. Langsam nicke ich und schlucke leicht.
"I-ich wollte sie b-bitten, mich für h-heute vom Unterricht zu befreien." stammele ich unsicher.
Ich bin immer noch total aufgelöst von gerade eben. Ji-Hu's kalte Blicke, seine aggressive Stimme und sein abweisendes Verhalten, all das hat mich so fertig gemacht. Wenn mich eine fremde oder mir persönlich unwichtige Person anschreit oder einfach nur dumm anmacht, macht es mir normalerweise kein bisschen etwas aus. Allerdings sieht das bei meiner Familie und Freunden komplett anders aus.
Das trifft mich dann unglaublich hart.
"Wieso soll ich dich denn befreien, ist irgendetwas passiert?" fragt sie besorgt.
Wenn ich ihr die Wahrheit sage, lässt sie mich sicherlich nicht gehen. Ich bin mir nämlich ziemlich sicher, dass man nicht wegen einem Streit vom Schultag befreit wird.
"Mir ist total schlecht, ich habe mich gerade eben sogar auf der Toilette übergeben." lüge ich sie deshalb an.
Eventuell kauft sie mir das sogar ab, denn es ist gut möglich, dass ich blass im Gesicht bin, nach dem Streit gerade eben mit meinem besten Freund.
"Ich weiß zwar, dass du mich anlügst, aber ich will mal nicht so sein. Du wirst bestimmt einen guten Grund haben. Ich werde das alles regeln und du darfst jetzt nach Hause gehen. Ich hoffe dir geht es, in welcher Sicht auch immer, bald besser."
Gutmütig lächelt sie mich, woraufhin mir meine Kinnlade etwas runterfällt. So eine nette Person trifft man wirklich selten im Leben. Mit soviel Verständnis habe ich nicht gerechnet.
"Vielen Dank!" murmele ich überwältigt.
Ich gehe aus dem Sekretariat und laufe die langen Gänge meiner Schule entlang. Zum Glück treffe ich auf dem Weg nach draußen keine meiner Mitschüler, denn jeder ist gerade im Unterricht. Vor meiner Schule fällt mir allerdings auf, dass ich ja jetzt irgendwie nach Hause kommen muss. Mein Bus fährt leider erst wieder nach der Schule und zu Fuß ist es eindeutig zu weit.
Seufzend hole ich mein Handy aus meiner Jackentasche und öffne meine Kontaktliste.
Normalerweise würde meine Wahl sofort auf Seungri fallen, jedoch bezweifle ich, dass das eine gute Idee ist. Immerhin macht er sich eh schon von Anfang an viel zu viele Gedanken um mich, vor allem wegen seiner Arbeit als Idol. Das ganze hier würde seine schlechten Vermutungen nur noch bestätigen und er würde sich riesige Vorwürfe machen und das will ich ganz und gar nicht. Leider kenne ich aber sonst einfach nicht wirklich viele Leute, die ein Auto haben.
Mein Blick bleibt bei einem ganz besonderen Namen hängen.
Jiyong.
Kann ich ihn eventuell bitten mich abzuholen?
Grübelnd wippe ich mit meinem echten Fuß und starre ununterbrochen auf seinen Namen.
Ach, was soll's, ich kann sonst eh niemanden fragen.
Allerdings kann ich ihn nicht einfach anrufen, denn Seungri könnte gerade bei ihm in der Nähe sein.
Ji-yun: Was machst du gerade?
Ich verweile in seinem Chat und bekomme kurz darauf eine Antwort von ihm.
Jiyong: Nichts besonderes, ich muss erst heute Abend auf die Arbeit, deswegen entspanne ich solange noch ein bisschen Zuhause. Sage mal, hast du nicht gerade Unterricht?
Ji-yun: Deswegen schreibe ich dir, kannst du mich jetzt eventuell von der Schule abholen? Bitte.

DU LIEST GERADE
Annyeong, i'm G to the D.
FanfictionJi-yun hat Mist gebaut. Ordentlichen Mist. Deswegen wurde sie von ihren Eltern rausgeschmissen und sitzt jetzt auf der Straße. Zu wem soll sie gehen? Sie kennt nicht wirklich viele Leute in Seoul. Einzig und alleine fällt ihr, ihr großer Bruder ein...