Vertrauen muss man sich verdienen,...

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Die 2 neuen Werter hatten sich als Thomas und Andreas vorgestellt und hatten den Alltag schnell aufgegriffen. Ich wurde nun jeden Tag unterrichtet, da es ja nun 2 gab die mir etwas beibringen konnten. Ich war sehr glücklich darüber, nur konnte ich in der Zeit meinen Bruder nicht beschützen was mich wahnsinnig machte, da sie es fast immer ausnutzten.

Mein Zwilling und ich wuchsen zusammen, als wäre wir ein Wesen, ein Mensch, ein Junge. Damit verstärkte sich auch mein Beschützerinstinkt, der vorher ja schon heftig war, aber jetzt fast unerträglich. Es tat unglaublich weh ihn nachts weinend einschlafen zu sehen. Er war so unglaublich empfindlich und zerbrechlich. Ich hoffte nur das er mich nicht verließ. Das würde ich vermutlich nicht überleben.

Ich enttäuschte ihn immer wieder, weil ich unterrichtet wurde und ihn nicht beschützen konnte.

Auch die Hoffnung hier rauszukommen, hatten wir bereits längst alle aufgegeben. Ich konnte es nicht ertragen nachts die Schluchzer der Anderen zu hören. Die Werter zerstörten alles an uns. Keinen einziges Stück unserer Seelen ließen sie ganz. Sie zerrissen uns von Grund auf an. Leider konnte ich sie nicht alle retten und sie hier raus bringen.

Ich hatte ständig Schuldgefühle, ich hatte sie enttäuscht. hatte das getan wovor ich Angst gehabt hatte. Die Hoffnung hatte sie noch weiter zerstört, zerrissen.

Immer wenn ich sie so sah, egal wen von ihn, sah ich so viel Schmerz. So viel Schmerz!

Oft schon hatte ich versucht Daniel mit mir in den Unterricht zu nehmen, aber geschafft hatte ich es nie.

So kam auch heute Thomas wieder in das Zimmer, das so dreckig, feucht und nur durch eine schwache Glühlampe erleuchtet war. Er betrat diesen Ort der Verzweiflung und lief zu mir, machte mich los und brachte mich in den Unterrichtsraum.

Der Unterricht war gut, ich lernte viel und er belästigte mich nicht, aber trotzdem war es die schlimmste Zeit in dieser Hölle, denn es war die einzige Zeit in der ich meinen Bruder, meine bessere Hälfte, nicht beschützen konnte. Sonst konnte ich ihn von diesem ganzen Scheiß fern halten, wodurch ich es für mich natürlich nicht gerade besser machte, aber es tat nicht so weh, wie zu wissen, was meinem zweiten Ich gerade angetan wurde.

Das war er, ein zweites Ich, aber doch war er so ganz anders, er redete mit den Anderen, ich nur wenn ich ihn oder die anderen beschützen wollte. Er ließ seinen Gefühlen freien lauf, ich fraß sie in mich hinein. Er war aufgeweckt und wäre sicher sehr fröhlich, wenn wir nicht hier wären. Ich dagegen war gebrochen, zerrissen, was niemand mehr flicken können wird. Nicht mal er.

Thomas brachte mich nach dem Unterricht zurück und ich bemerkte eine Gefühlsregung über sein Gesicht huschen, doch es war so schnell wieder verschwunden, wie es gekommen war. Halluzinierte ich? Schuld? Es war unmöglich das er so etwas wie Trauer und Schuldbewusstsein empfinden konnte, oder? Er schleppte mich in den Raum voller trauernder, zerstörter und gebrochener junger Männer und mein Blick glitt sofort zur Seite, wo mein Zwilling an seinem Ring sitzen sollte, doch dort war niemand.

Ein Feuer entfachte sich in mir. Die Wut und der Schmerz ließen meinen Kopf pochen, sodass ich Angst hatte ich würde entweder platzen oder in Flammen aufgehen und verbrennen.

Die Anderen warfen mir mittleidige Blicke zu und auf dem Gesicht von Ruben konnte ich eindeutig Schuldbewusstsein sehen. Er hatte es sich zur Aufgabe gemacht meinen Zwilling zu beschützen, wenn ich es nicht konnte. Dafür war ich ihm so unendlich dankbar.

Während Thomas mich wieder an meinem Ring befestigte, flüsterte er mir Worte zu, die ein Gefühlschaos entfachten. Sollte ich ihm vertrauen? Schließlich war er ja einer von ihnen. Ein Entführer. Ein Straftäter. Ein Vergewaltiger. Da um uns zu brechen, unsere Seele auseinanderzureißen bis wir den Wunsch hegen, nicht mehr auf dieser Erde zu weilen. Nicht mehr diese Qualen erleiden zu müssen, nicht mehr diese Schmerzen aushalten, nicht mehr so gedemütigt werden. Wir wollen aus diesen schmutzigen rissigen 4 Betonwänden, aus unserer eigenen Haut, weil wir uns zu schmutzig fühlen, als dass man uns je wieder säubern könnte. Ich würde über das Leben der anderen entscheiden. Allein! Ich konnte sie nicht noch einmal enttäuschen, konnte sie nicht noch einmal so verletzen, also würde ich ihnen nichts von seinen worten erzählen.

Weiter konnte ich nicht darüber nachdenken, denn da wurde die schwere quietschende Eisentür schon aufgestoßen und ein weinender, gebrochener Daniel reingestoßen. Sein Anblick entfache erneut dieses Feuer in mir, von dem ich dachte, dass es meinen Körper schon längst gegaart haben müsste. Er hatte rote Stiemen auf dem Oberkörper, würgespuren am Hals und einen blau angelaufenen Schwanz. Sie mussten ihn ihm gequetscht haben. Nichts was ich nicht auch schon hinter mir hatte, aber das war mein Engel, etwas vollkommen anderes!

Dieses Feuer gab mir die Kraft mich von meinen Fesseln zu befreien, die ziemlich locker saßen. Scheinbar hatte Thomas Mitleid mit mir gehabt. Ich stürzte auf ihn zu und sah noch wie die Tür schnell zugezogen wurde, doch ich interessierte mich im Moment nicht dafür.

Ich nahm meinen kleinen Engel in den Arm und zeigte ihm somit, dass er nicht allein war.
Als ich seinem Blick begegnete lief es mir kalt über den Rücken und ich sah förmlich wie das Feuer zischend verschwand.

Pure Angst ergriff mich. In seinem Blick lag so viel Schmerz, Trauer und leider der Wunsch von dieser Erde zu verschwinden. Ich drückte ihn noch näher an mich und versuchte ihm mit all meiner Liebe zu zeigen, wie sehr ich ihn brauchte. Ich würde es nicht aushalten, wenn er von mir gehen würde. Ich bin mir ziemlich sicher das ich das überleben würde. Mir blieb nichts anderes übrig. Ich musste es ihm sagen. Ich hoffte, er würde so bei mir bleiben. Er durfte mich nicht verlassen.

Also zog ich ihn mit an die Wand, an di ich mich anlehnte und ihn auf meinen Schoß zog. Es störte schon lange niemanden mehr von uns, nackt zu sein. Wir hatten größere Sorgen.

Nah zog ich ihn an mich und sagte mit trockenem und kratzendem Hals die Worte vor denen ich mich gesträubt hatte. Manchmal musste man leider auch zwischen Zwillingen Worte benutzen.

"Thomas hat mir noch etwas gesagt." Meine Stimme war sehr leise und fast wünschte ich, sie hätten mich nicht gehört. Doch natürlich war der liebe Gott mal wieder nicht Gnädig zu mir.

"Was hat er denn gesagt?" Sven war immer noch sehr neugierig und ich hoffte, dass sie ihm das nicht nehmen könnten, aber ich zweifelte sehr daran.


Ich drückte Daniel einen Kuss auf die Haare bevor ich wieder zu sprechen begann. "Er hat gesagt, dass sie unseren Plan, hier wegzukommen mitbekommen hätten und er und Andreas deswegen hier wären. Außerdem meinte er noch ich sollte ihm davon erzählen, damit er uns hier raushelfen könnte." Mehr als ein Piepsen wollte nicht aus meiner Kehle entschwinden.

Ihre Antwort waren stille, hoffnungsvolle Blicke, vor allem von Andy. Er schien ihm zu glauben.

"Glaubst du ihm? Vertraust du ihm?" warf nun Ruben hinein, ach in seinen Augen lag das selbe Glitzern, wie bereits vor ein paar Wochen.

Vorsichtig um niemandem zu nahe zu treten und sie nicht zu enttäuschen murmelte ich "Ich weiß nicht. Immerhin ist er einer von ihnen.".

Auch darauf gab es nur Schweigen. Andy schien hoffnungsvoller zu sein als ich dachte, denn er sagte "Aber ich hab schon mitbekommen, dass er Mitleid zu haben scheint!" Ich durfte sie nicht enttäuschen. Ich durfte und konnte es einfach nicht, doch im Moment hatte ich darauf keinen Einfluss, denn sie nickten zustimmend. Sie hatten sich entschieden und ich konnte nichts mehr dagegen sagen.

"Ok ich werde mit ihm sprechen, aber ich will dich hier nicht allein lassen!" Mit diesen Worten drückte ich meinen Engel noch näher an mich, vergrub meinen Kopf in seiner Halsbeuge, atmete seinem Geruch ein und schloss die Augen. Er lehnte sich ebenfalls zurück und gab mir einen Kuss auf die Wange. Er war voller Liebe, Dankbarkeit und Glück. Auch ich empfand diese Gefühle und war mal wieder überrascht, dass ich wie es aussah, doch gute Gefühle in dieser Hölle empfinden konnte.

"Ich werde auf ihn aufpassen. Versprochen!" versprach Ruben mit einer solchen Entschlossenheit in der Stimme, dass ich ihn dankbar anlächelte. Auch die anderen nickten zustimmend.

Ich genoss die Nähe meines Bruders, seinen Geruch, sein Körper, der mich daran erinnerte das ich nicht halluzinierte, und sein Lächeln, welches sein Gesicht zierte.

Meine Glieder wurden schwer und ich rutschte mit Daniel in den Armen auf den Boden, wo ich mich auf die Seite legte und meinen Bruder an mich drückte. Ich würde nicht mehr zulassen, das ihm etwas geschah. Ich wollte ihn nicht enttäuschen. Und mit diesen Gedanken schlief ich letztendlich ein. 

Stiller Schmerz (BxB) *Überarbeitung pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt