Warm und Kalt

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***Nikolas***

"Kanntest du Jack?"

Er hielt die Luft an, schien Erinnerungen zurückdrängen zu wollen. Völlig schockiert und tatenlos, konnte ich nur zusehen, wie er wie zur Statue erstarrt, ohne Luft zu holen in die Leere starrte. Nach mehreren Minuten, in denen ich mir echt sorgen um ihn machte, erwiderte er mit einem simplen, emotionslosen "Ja."

Obwohl ich ihn danach gefragt hatte, hatte ich dennoch nicht damit gerechnet, dass er wirklich ja sagte. Es war, als hätte mir seine Antwort, die Luft zum Atmen genommen. Es war doch bereits 9 Jahre her, seit Jack entführt worden war! Wie war es da möglich, dass er ihn kannte? Um sicher zu gehen, dass er den meinte den ich meinte, fragte ich: "Du kanntest meinen Bruder?"

In seine ausdruckslosen kalten Augen traten erneut Emotionen und zum ersten Mal sah ich, was sich in seinem Inneren abspielte. Er offenbarte sich mir durch seine Augen. Sie strahlten nun eine solch Wärme aus. Es war das erste Mal, dass seine Augen warm zu sein schienen. Er öffnete sich mir! Scheinbar war mit meinem Bruder bei ihm sehr viel Schmerz verbunden. Er hatte ihn enttäuscht, hatte ihn verraten. Es war das erste Mal, dass ich sah, was in ihm vorging, obwohl mir klar war, dass es nicht alles war, doch mehr, als er mit Worten hätte ausdrücken können. Er senkte seinen Kopf, sah so erschöpft aus. Erneut richtete er sich auf, lenkte seinen Blick auf mich.

"Ja." War die erneute Antwort. "W-wie? E-Er i-ist d-doch sch-schon l-lange t-to-tot." stotterte ich kraftlos. Erschrocken wandte er sich mir zu. "Er ist tot?" fragte er getroffen. Jack hatte ihm viel bedeutet. Das sah ich, doch was hatte er getan, dass Tyler so viel Schmerz mit ihm verband.

Ohne auf seine Frage einzugehen lenkte ich das Thema geschickt um. "Wie hast du ihn kennengelernt?" fragte ich neugierig. Ich wollte alles über die Zeit wissen, die er mit meinem Helden verbracht hatte.

Er schien zu überlegen, ob er es mir anvertrauen konnte, setzte dann aber zu einer Antwort an.

"Wie viel weißt du über deinen Bruder?" fragte er mich vorsichtig. Verwirrung machte sich in mir breit. Was hatte das mit ihrem kennenlernen zu tun?

"Naja. Vor 9 Jahren wurde er entführt und wurde umgebracht, als meine Eltern ihn suchen wollten hatten sie einen Autounfall." gab ich verwirrt preis.

Er kniff fest die Augen zusammen und richtete sein Topas dann auf mich. "Du weißt sehr wenig, oder willst einfach nicht mehr sagen. Auch egal. Jack wurde nicht entführt um umgebracht zu werden." Für mich redete er in Rätseln, doch ich sagte nichts und hörte weiter zu. "Ich wurde vor 11 Jahren von den selben Männern entführt, wie auch dein Bruder. Ich war also 2 Jahre da, als Jack gebracht wurde. Wir haben uns in dem Keller kennengelernt." "Keller?" fragte ich irritiert, doch bekam nur einen mahnenden Blick von ihm. "Ja Keller. Wir waren auf einem Sklavenmarkt." erschrocken sog ich zischend die Luft ein. "Alle die verkauft wurden hatten Glück, doch die 'Schätze'-" dabei machte er Gänsefüße in die Luft. "-haben die Werter als Spielzeuge behalten. ... Wir waren solche Spielzeuge. ..." Er holte tief Luft und sammelte sich einen Moment. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie schwer es für ihn sein musste, das zu erzählen.

"Was haben sie da mit euch gemacht?" fragte ich vorsichtig. Ohne etwas zu sagen zog er sich einfach den Pullover aus. Erschrocken hielt ich mir die Hand vor den Mund. Tränen traten in meine Augen, als ich die vielen Narben auf Tylers geschundenem Körper sah. Ich betrachtete ihn eingehend. Die Narben machten seinen einzigartigen Körper besonders. Sein dünner Körper hatte durch das wenige Kickboxen an Muskelmasse gewonnen. Anscheinend hatte er zuhause trainiert. Er hatte zwar kein Sixpack, doch er war wunderschön. Aus Scham wahrscheinlich hielt er seinen Kopf gesenkt. Als ich den ersten Schock überwunden hatte, überbrückte ich die letzten Meter und setzte mich an den Bettrand. Vorsichtig hob ich sein Kinn mit meinem Daumen und Zeigefinger an, damit er mich ansah.

Topas traf auf bunt und wir starrten uns Ewigkeiten in die Augen. Ich versank völlig in den tiefen seiner Augen. Ihm schien es da nicht anders zu gehen. Als ich seine Narben berühren wollte, zuckte er zurück und ging wieder mehr auf Abstand.

"Was haben sie euch nur angetan?" fragte ich immer noch schockiert. Er hatte Berührungsängste, das hatte ich vorher schon mal mitbekommen! Was war nur in diesem Keller passiert?

"Sehr viel.." war seine ausweichende Antwort, doch das ließ ich nicht auf mir sitzen. Ich wollte eine genaue Antwort, aber dazu musste er mir vertrauen. "Du kannst mir vertrauen!" versuchte ich ihn zum reden zu bringen.

Seine bis eben warmen Augen, wurden nun wieder ausdruckslos und kalt. Kälter und abweisender, als jemals zuvor. "Das hat er auch gesagt und dann ist er abgehauen und hat mich diesen Monstern überlassen. Hat mich einfach allein gelassen!" Seine Augen wurden noch kälter und er versperrte sich wieder vollkommen gegen mich.

Noch ein Kapitel! Und was sagt ihr dazu?

Diese Widmung war längst überfällig oder?

Stiller Schmerz (BxB) *Überarbeitung pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt