die Klippe des Engels

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***Tyler***

Ich führte ihn durch das Wäldchen und den Busch. Ich wusste, was gleich auf mich zukommen würde und doch ließ ich mich nicht beängstigen. Hier nicht. Hier war ich meinem Engel näher, als irgendwo sonst auf der Welt. Und jetzt teilte ich das mit Nikolas. War es die richtige Entscheidung? Ich wusste es nicht.

Als ich zu ihm sah, wusste ich er war geflasht. Wir standen auf der Klippe, wo wir die Beerdigung abgehalten hatten. Nikolas und ich konnten über die gesamte Stadt blicken. Es war einfach grandios, doch ich sah nicht zur Stadt. Ich sah in den Himmel darüber, stellte mir vor, wie es wäre, würde er wirklich von dort auf mich nieder sehen. All die Zeit, die wir zusammen verbracht hatten, schien winzig. Zu kurz, zu bedeutend. Diese Zeit prägte mein Leben. Mein ganzes bisheriges Leben, war auf ihn abgestimmt. Wären wir Systeme im Weltall, wäre er die Sonne, um die sich mein ganzes Leben drehte. Auch wenn ich nicht ständig bei ihm war und wir für 11 Jahre nicht mehr voneinander sahen, als jetzt, ging es in meinem Leben immer nur um ihn. Seine weichen Haare, die mich immer gekitzelt hatten, während wir uns umarmt hatten, fehlten mir. Niemals würde ich ihn vergessen! Er war, ist und wird immer mein Engel sein.

"Ich habe dich hier her gebracht, weil es mein Lieblingsort ist. Du hast mir deinen gezeigt und deine Geschichte erzählt und so will auch ich dir diesen Ort zeigen und dir mehr über mich erzählen." setzte ich an. "Dieser Ort ist mein Lieblingsort, denn mein Engel und ich haben hier früher immer viel gespielt. Es war unsere Klippe. Sie hatte einen hohen Wert für uns. Deswegen haben wir ihn einäschern lassen und haben ihn dann hier, an dieser Klippe in den Himmel fliegen lassen. Es war unser Ort und wir wollten schon immer hier beerdigt werden. Bei ihm musste so früh sein. Viel zu früh, als das es irgendjemand verdienen würde.

Ich ging näher an den Rand der Klippe und setzte mich. Einige Minuten später tat er es mir gleich.

In den Himmel schauend erzählte ich. Ich redete mir alles von der Seele und er hörte zu. Das Stechen in meiner Brust, nahm von Satz zu Satz zu. Meine Kehle schnürte sich zu und am Ende war es bloß mehr ein Flüstern, doch er hörte zu. Unterbrach mich nicht, sondern hörte lediglich zu.

"Ich hatte eigentlich ein ganz normales Leben. Bis zu unserem 6. Geburtstag. Ich hatte einen Zwilling. Er hieß Daniel. Um deine Frage zu beantworten, Daniel ist mein Engel. Jedes Jahr, an unserem Geburtstag, sind wir zum Park gegangen. Wir haben Verstecken gespielt, aber an dem Tag, bin ich gestolpert und habe mich hinter einem Baum, vor meinem Bruder versteckt. 2 Männer sind dann gekommen und meinten, sie wüssten ein Versteck, in dem er mich nie finden würde. Sie haben mich mitgenommen und in den Keller gebracht. Ich war 2 Jahre da unten, bis Jack auch hingebracht wurde. Mit ihm habe ich einen besten Freund und Zuhörer gefunden. Ich habe ihm alles anvertraut!..." Ich machte eine kleine Pause um tief durchzuatmen. "...Das was sie da mit uns gemacht haben, kann man sich gar nicht vorstellen. Täglich hat man uns geschlagen und uns vergewaltigt.-" Ein Keuchen kam von Nikolas und ich spürte seinen Blick auf mir, doch ich konnte ihn nicht ansehen. "Wir haben viel durchgemacht und Jack wollte mir helfen zu fliehen. Ich habe es aus dem Keller geschafft, bin dann aus einem Fenster gesprungen und habe fast das nächste Dorf erreicht, aber sie haben mich gekriegt. Sie haben mich gekriegt und wieder da rein gesteckt, aber niemand, von den Anderen war noch drin. Sie haben mich allein gelassen. Und weil ich versucht habe abzuhauen und ich nun der einzige war, den sie noch hatten, haben sie mich eine Woche lang, so sehr gequält, dass meine Seele und mein Herz zerstört wurden. Jack und die Anderen sind einen Tag vor meinem 10. Geburtstag entkommen und die ganze Woche danach, war fast das Schlimmste, was ich je im Leben durchmachen musste. Ich habe aufgehört zu reden und zu schreien. Auch davor hatte ich viele Schmerzen aushalten können, aber danach fühlte ich nur noch psychisch etwas. All der körperliche Schmerz blieb mir fern. Natürlich wurden die Anderen ersetzt, aber auch die Werter bis auf einen. Es war der Neuste, der mir laut Jack raushelfen sollte. Er sollte mir genügend Zeit verschaffen, um zu fliehen. Aber das hat er nicht. ... 7 Jahre später zu meinem 17. Geburtstag hat dieser eine Werter, der mir damals hatte helfen sollen, meinen Zwilling angeschleppt. Sie haben ihn da rein gebracht und deswegen ist er jetzt tot." beendete ich meinen Vortrag. Wieder hatte ich es nicht ohne zu heulen geschafft, aber das war nicht weiter wichtig.

Nikolas wusste jetzt bescheid. Er wusste so gut wie alles über mich.

"Ich muss dir etwas beichten..." hörte ich die schuldbewusste Stimme Nikolas'.

Stiller Schmerz (BxB) *Überarbeitung pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt