11-jähriger Psychotherapeut

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***Nikolas***

"Äh... Ähm... Bist du dir sicher? Ich will nicht, das du es bereust oder noch einen Anfall bekommst!" Er sollte es wollen. Sollte es nicht aus irgendeinem Pflichtgefühl heraus machen, sondern es wirklich wollen! Ich beobachtete ihn, um seine Reaktion deuten zu können. Er wurde etwas nervös und war unsicher. So wurde das nichts!

Schweren Herzens brachte ich die nächsten Worte über die Lippen, auch wenn ich ihn so sehr wollte. Es war für ihn. Ich wollte nicht, dass das einen Rückfall in seinem Vertrauen in mich sein würde. Tyler sollte sich gut fühlen!

"Wir sollten erst reden. Wenn du mir vertraust und mir alles erzählen kannst, erst dann werde ich zulassen, dass du so etwas machst." Ich war fest entschlossen und wollte auch nicht, dass er mir widersprach, denn würde er es tun, wäre es um mich geschehen und ich würde keine Rücksicht mehr auf seine Vergangenheit nehmen und das wollte ich ihm nicht antun! Ich wollte ihn so sehr, aber nur wenn er es genießen konnte und nicht, weil er dachte er müsse es aus irgendeinem Grund als Gegenleistung machen.

Dankbarkeit machte sich in seinem Blick breit, doch auch ein schlechtes Gewissen. Es versetzte mir einen Stich, dass er mir noch nicht vollkommen vertraute, aber was erwartete ich denn?

"Nikolas. ..." Wie er meinen Namen aussprach, war einfach himmlisch! "Du verstehst eine wichtige Sache nicht." Er verwirrte mich. Was für eine Sache, konnte ich dabei nicht verstehen?

"Vertrauen ist etwas, dass NIEMALS einseitig sein kann! Du erwartest von mir, mich dir zu öffnen, aber damit ich das kann, musst du mir vertrauen entgegenbringen. Damit ich etwas aus meiner Vergangenheit erzählen kann, musst du auch etwas aus deiner preisgeben." Mit diesen Worten gab er mir einen Kuss auf die Wange, stand auf und ging.

Was war DAS denn gewesen? Das war mal ein Abgang. Er ließ mich einfach allein!

Hatte er recht? Musste ich mich öffnen, damit ich es von ihm verlangen konnte? Noch nie hatte ich jemandem von meiner Vergangenheit erzählt! Niemand außer mein kleiner Bruder wusste bescheid, aber auch er wusste nicht alles! Könnte ich es? Könnte ich ihm davon erzählen?

Noch immer sehr verwirrt ging ich nach Hause, um mit Fynn zu reden. Zwar war er erst 11, aber er war doch schon wesentlich reifer als so manche Jungs mit 15. Als ich nach Hause kam, fand ich meinen kleinen Gnom vor dem Fernseher vor. Ich setzte mich zu ihm und wand mich ihm zu.

"Hey Kleiner." sagte ich nachdenklich.

"Was ist denn los?" Er kannte mich gut. Immer erkannte er, wenn ich Sorgen hatte.

"Tyler hat gesagt, damit er sich mir anvertraut, müsse ich es ebenfalls tun, da Vertrauen nichts einseitiges ist." gab ich niedergeschlagen zurück und hoffte mein kleiner Bruder könnte mir helfen.

Fynn schaltete den Fernseher aus und sah mich an. "Erzähl mal was alles passiert ist." forderte er. Er war wie mein persönlicher Psychotherapeut.

Ich erzählte ihm alles, ohne etwas auszulassen. Er war schon 11 und wusste wie sowas funktionierte, also musste ich nichts 'vertuschen' oder verschweigen.

Als ich fertig war, legte er los.

"Also erstmal. Wow. Das er dir das angeboten hat, aber wer weiß wie seine Vergangenheit aussah. Auf jeden Fall nicht allzu gut! Du musst ihm Zeit lassen! Er ist es scheinbar nicht gewohnt, dass jemand auf ihn acht gibt. Zeig ihm, dass er dir vertrauen kann! ... Außerdem hat er recht! Vertrauen geht von 2 Seiten aus. Du kannst nichts von anderen erwarten, was du nicht selbst bereit bist preis zu geben. Vielleicht tut es dir ja auch mal ganz gut, dich jemandem anzuvertrauen! Du sagst doch, du hast dich in ihn verliebt, also wieso zeigst du es ihm nicht? Ich meine nicht, ihn zu küssen oder sonstiges, sondern beweis es ihm. Erfülle ihm seine Wünsche, fahre mit ihm zum Rummel. Zeig ihm, dass er dir wichtig ist und ... so schwer es dir auch fällt, ihm geht es sicher genauso, also vertraue auch du dich ihm an." beendete er seinen Vortrag. Wie kann ein 11-jähriger Junge so weise sein?

"Danke!" sagte ich ihm.

Der Fernseher wurde wieder eingeschaltet und wir sahen uns gemeinsam den Film an, der dort lief. P.S. Ich liebe dich Obwohl es ein Schnulziger Film war, sahen wir ihn gern, denn es gehörte zu unserer Geschichte. Als Mom und Dad noch da waren, hatten wir uns bei Familienabenden immer diesen Film angesehen, da Mom meinte, es wäre gemein, dass wir Männer in der Überzahl waren. Also durfte sie aussuchen und jedes Mal fiel ihre Wahl auf diesen Film. P.S. Ich liebe dich ist zu unserem Familienfilm geworden. Und auch nach dem Tod von 2 Dritteln der Familie, war es Tradition, die wir fortsetzten.

Ich überlegte noch lange darüber nach, was er mir geraten hatte. Ich würde es versuchen. Ganz gewiss.

Stiller Schmerz (BxB) *Überarbeitung pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt