Wir müssen hier weg.

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***Nikolas***

Eine Frau kam auf uns zu. Ich hätte sie einfach ignoriert, hätte ich nicht gewusst, dass sie wahrscheinlich mehr über Tylers Gesundheitszustand wusste. Sie wirkte verzweifelt, was mich immer panischer werden ließ. Er konnte mich nicht verlassen. Er durfte mich nicht verlassen! Wieso tat er mir das an? Im Auto hatte ich ihm doch meine Liebe gestanden. Ich wusste noch nicht einmal wie er darauf reagiert hätte. Gespannt sah ich sie an und spürte den Druck der sich mehr und mehr auf mein Herz legte.

"Also ich darf euch eigentlich keine allzu genauen Angaben machen, denn diese dürfen nur die angehörigen Familienmitglieder erhalten, aber ich will trotzdem, dass ihr wenigstens wisst, dass er es überlebt hat. Seine Eltern sind bei ihm und Fynn, dein Freund sitzt in der Cafeteria und wartet, dass du kommst. " sagte die Frau leise, sodass ich sie fast nicht verstand. Sofort machte mein Herz einen Satz. Er lebte! "Wissen sie ob er wach ist? Kann ich zu ihm?" ballerte ich mit meinen Fragen auch gleich auf sie ein. "Es tut mir leid junger Mann, aber diese Auskunft darf ich ihnen leider nicht geben. Wenn er selbst es wünscht oder seine Eltern es erlauben, werden sie über seinen Zustand informiert und dürfen eventuell auch zu ihm, aber nicht, solange er auf der Intensivstation ist." erwiderte sie ruhig. Es machte mich rasend mit dieser Ungewissheit zu leben. Das Blut kochte in meinen Adern verseuchte mein Herz mit rasender Wut. Wut auf diejenigen, die beschlossen hatten, ich dürfte nicht zu meinem Freund. Ich hatte das Bedürfnis gerade alles zusammenschlagen, doch hielt ich mich zurück. Fynn hatte nun mal recht. Ich musste nun stark sein und Tyler halt geben, den er vorher ebenfalls durch mich verloren hatte. Das würde ich mir nie verzeihen! Niemals!

Nun mussten wir also noch länger warten. Noch längere Zeit in der ich über Sachen nachdenken konnte, die mich weiter zerstörten. Noch längere Zeit in der ich nur wusste, dass er lebte und nichts mehr. Aber das war immerhin schon besser als vorher, wo ich noch nicht einmal das wusste. Ich hasste Ungewissheit. Hatte es immer schon getan. Meine Gedanken schweiften zum Unfall. Es ging alles so schnell! Ich konnte mich nur noch an den unsagbaren Schmerz in meinem linken Bein erinnern, nachdem ich versucht hatte, das Auto noch aus der Schusslinie auf die andere Seite zu befördern. Ob Jenny wusste, was passiert war? Sicherlich. Es musste ja in der Zeitung gestanden haben, doch warum war sie dann nicht da? Aber ich wollte jetzt nicht über sie nachdenken! Mein Blick wanderte durch das Zimmer und blieb an einem Stuhl hängen. Darauf waren meine Sachen, die ich bei dem Unfall angehabt hatte. Ich sah an mir hinunter und bemerkte erst jetzt das Krankenhaushemdchen, welches meinen Körper bedeckte. Vorsichtig versuchte ich mich aufzurappeln und sah, das Fynn gegangen war. Sicherlich zu Leon. Mit eingegipstem Fuß und somit humpelnd, schleppte ich mich die 2 Meter bis zum Stuhl. Als ich die Sachen durchsah, erkannte ich, dass jemand sie gewaschen haben musste, doch das Blut war nicht ganz heraus gegangen. Am linken Hosenbein war noch immer ein dunkel verfärbter Fleck, der in der Mitte aufgeschnitten war. Die Hose war dahin, doch das störte mich nicht, denn mein Hauptaugenmerk lag auf der Jacke, in dessen Jackentasche ich ein Busch sah.

Es war Tylers Tagebuch, welches ich, seit ich es bekommen hatte, immer mitgeschleppt hatte. Ich war bis zu der Stelle in seinem Leben gekommen, an der er meinen Bruder kennengelernt hatte und ihn augenscheinlich auch noch gemocht hatte. Da ich mich gerade sowieso ablenken wollte und Zeit hatte, fing ich an zu lesen.

Meine Beine konnte ich kaum noch spüren, mein Unterleib brachte mich beinahe um, die Wunden auf meinem Oberkörper hatten gar nicht die Chance zu vernarben, da sie immer wieder aufgerissen wurden, mein Kopf pochte, als würde jemand mit einem Hammer an meine Schläfe schlagen und mein Körper fühlte sich so dreckig an, dass ich ihn am liebsten Stundenlang unter heißem Wasser abgeschrubbt hätte, bis sich meine Haut begann abzulösen. Wieder einmal lag ich in Jacks Armen, wodurch er mir Kraft gab. Die Kraft weiterzumachen. Immer wieder flüsterte er mir zu ich solle stark sein, denn sonst würde ich meinen Zwilling vielleicht noch in die selbe Situation bringen wie mich. Er hatte recht. Ich schuldete es Daniel so für ihn da zu sein, wenn ich es schon nicht körperlich konnte.
"Tyler. Wir wissen beide, dass wir, vor allem du, es nicht mehr lange aushalten werden. Wir werden hier nur verrückt und zerbrechen. Wir müssen hier weg." flüsterte er in mein Ohr, damit es niemand mitbekam. Meine Augen weiteten sich. Meinte er das ernst? Würden wir hier wirklich rauskommen? Mein Herz machte einen Sprung und eine Wärme breitete sich darin aus und erfüllte nach und nach schwach meinen gesamten Körper. Dieser kleine Hoffnungsschimmer fraß sich durch mein Herz und verseuchte es. Uns war klar, dass es sehr unwahrscheinlich war, vor allem gemeinsam, also heckten wir die nächsten Tage einen Plan aus, durch den wir beide entfliehen können würden, aber nicht gemeinsam. Wir würden uns draußen wiederfinden. Jack wollte den neuen Werter anschwärzen, der immer etwas Mitleid mit uns, ins besondere mit mir, zeigte. Er war unser Schlüsselpunkt, wodurch wir uns erhofften hinaus zu kommen.
Die Nacht über konnte ich nicht schlafen und musste immer wieder an unseren Plan denken. Wir hatten die anderen noch nicht eingeweiht, doch das würde Jack morgen noch machen hatte er gesagt. Ich fühlte mich schlecht, weil er alles machen musste, doch ich wusste auch, dass es besser so war. Täte ich es, würde es in einer Katastrophe enden. Irgendwann fielen mir endlich die Augen zu und ich konnte schlafen.
Am nächsten Morgen wachte ich auf und fand wie immer Jack neben mir, doch heute war etwas anders. Alle waren aufgeregt und nervös, woraus ich schloss, dass Jack es ihnen bereits gesagt hatte. Als die Tür dann aufging, nickte mir Jack noch einmal lächelnd zu und ich erwiderte es. Aaron holte mich ab, band mich aber wie immer recht locker, wofür ich ihn abknutschen könnte. Er schleppte mich mit sich, an anderen Wertern vorbei und als wir auf der Höhe, der Treppe nach oben waren, riss ich mich los, wie Jack es mir gesagt hatte, riss die Tür auf, stürmte mit klopfendem Herzen die Treppe hinauf und lief dann zum Fenster, da ich wusste, dass ich nicht die Tür benutzen konnte. Mein Herz lief einen Marathon, ich zitterte am ganzen Leib und das Adrenalin spritze nur so durch meine Adern. Die Werter waren bereits hinter mir her, doch ich vertraue auf Aaron, der sie etwas zurückhalten sollte, sodass ich entkommen konnte. Ohne weiter darüber nachzudenken sprang ich gegen das Fenster, die Arme vor dem Gesicht, um dieses zu schützen. Ich kam auf dem Boden an und ein stechender Schmerz zuckte durch meinen Knöchel und mein Bein hinauf, doch ich musste weiter, also versuchte ich zu rennen, was aber wegen des Knöchels nicht sehr gut gelang, doch ich hatte keine andere Wahl. Ich rannte durch den Wald, immer mit dem Wissen, dass sie mir folgten und mich wieder da reinstecken würden, würden sie mich kriegen. Langsam lichtete sich der Wald und ein kleines Dorf kam in Sicht, doch bevor ich endgültig aus dem Dickicht kam, wurde ich umgeschmissen und auf den Rücken gedreht. Eine Hand presste sich auf meinen Mund und der Werter über mir grinste mich dreckig an. "Hast du ernsthaft gedacht du würdest uns entkommen? Dein lieber Freund Jack hat dich doch nur als Köder benutzt, damit er mit den anderen fliehen kann. Was hast du dir nur dabei gedacht ihm zu vertrauen. Er ist 7 Jahre älter als du und augenscheinlich seeeeeehr viel schlauer." raunte Aaron mir zu. Hatte Jack mich wirklich nur ausgenutzt?


Stiller Schmerz (BxB) *Überarbeitung pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt