Anfang oder Ende

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***Tyler***

Ich war wieder bei Daniel. Wie jeden Tag. Der Arzt untersuchte ihn, um auf dem neuesten Stand seiner Gesundheit zu sein. Er wirkte konzentriert, während ich jede seiner Bewegungen genau beobachtete.

Nach 10 Minuten war der Mann fertig und wand sich strahlend zu mir um. Ein wenig misstrauisch beäugte ich ihn. Was würde denn jetzt kommen?

"Er ist soweit stabil. Ich denke nicht, dass er einen weiteren Krampfanfall bekommen wird, aber ich bitte sie trotzdem vorsichtig und einfühlsam zu sein. Ich denke, ich werde ihn noch heute aufwachen lassen können." Vor Freude, konnte ich nicht anders, als ihm um den Hals zu fallen, was wohl für ihn sehr komisch war. Ich entfernte mich von ihm und murmelte viele Entschuldigungen, doch er winkte lachend ab. 

Die nächsten Stunden war ich aufgeregt durch das Zimmer gelaufen, hatte Ballons besorgt und sie mit Helium gefüllt. Ich hatte das karge Krankenzimmer dekoriert, sodass jetzt überall Ballons und ähnliches waren. Ich freute mich darauf, meinen Zwilling endlich wieder in meinen Armen halten zu können. Es war schon ungefähr 2 Wochen her, seit ich ihn das letzte Mal im Arm gehalten hatte.

Noch ein paar Stunden und er würde seine dunkelbraunen Teddybär Augen wieder auf machen. Es hieß nur noch warten.

Meine Eltern waren auch gekommen, genauso wie Ruben und Sven. Sie alle hatten mir geholfen, Daniels aufwachen vorzubereiten.

Nun saßen wir hier. In freudiger Erregung, mit dem Gewissen, Daniel könnte jeden Moment seine Augen aufschlagen. 2 Wochen mit dem stetigen Piepen, als einziges Lebenszeichen von ihm waren genug! Ich konnte und wollte nicht mehr ohne ihn. Diese zwei Wochen, war das Piepen zu meinem Lebensinhalt geworden.

Ich saß neben dem Bett meines Zwillings und beobachtete ihn. Langsam fuhr ich mit meiner Hand über seine Wange, wie um mich zu versichern, dass ich nicht halluzinierte und er tatsächlich vor mir lag. Ich zitterte und weinte vor Anspannung. Immer noch, war der letzte Gedanke, er könnte nicht mehr aufwachen in mir.

Seine Wimpern zitterten leicht und sofort lag meine ungeteile Aufmerksamkeit auf ihm. Ein weiteres Zucken seiner Augen, und er schlug sie auf. Nur um sie im nächste Moment wieder zuzukneifen. Ich wäre ihm am liebsten um den Hals gefallen, doch erinnerte mich daran, dass er jederzeit einen erneuten Krampfanfall bekommen könnte.

Nach kurzer Zeit öffnete er die Augen erneut und schaute sofort in meine. Er schien kurz verwirrt, fiel mir dann aber um den Hals. Glücklich schlang ich meine Arme um meinen Bruder, zog ihn vom Bett auf meinen Schoß, vergrub mein Gesicht in seiner Halsbeuge und sog seinen Geruch ein. Ich konnte die Tränen nicht mehr stoppen, da die ganzen Sorgen der vergangen Wochen wie weggeblasen waren. Noch lange saßen wir einfach so da und hielten uns gegenseitig im Arm. Keiner wollte sich lösen, keiner wollte den Anderen loslassen. Es wäre eines Abschiedes gleich gekommen. Und das war das Letzte was ich wollten, doch ich hatte das Gefühl, er verabschiedete sich dennoch gerade von mir...

***

 Noch lange sagte keiner ein Wort und wir genossen einfach, dass Daniel wieder wach war. Dann erkundigte er sich aber doch, wie lange er im Koma gelegen hatte und wir erzählten ihm alles.

Ich verlor mich in der Erinnerung an die letzten 2 Wochen. Erzählte einfach drauf los, von allem was passiert war. Ich war so in meinem Redeschwall gefangen, dass ich nicht mitbekam, wie die Anderen den Raum verließen. Ich hatte angefangen zu weinen und die anfängliche Erzählung artete in einem Flehen aus. Ich flehte in an, mich nicht zu verlassen, bei mir zu bleiben und niemals zu gehen. Ich sagte ihm, dass er mein Leben war. Ich gab alle meine Gefühle wieder und eigentlich waren nur noch gewimmerte, unverständliche Worte zu hören. Er nahm mich in den Arm und tröstete mich, doch was mir auffiel war, dass er kein einziges Mal sagte er würde bleiben.

Er war noch sehr schwach, weswegen er sich noch einmal hinlegen wollte. Bevor er einschlief öffnete er nochmal seinen Mund und redete mir gut zu. Es war nicht wirklich verständlich für mich, denn es ergab einfach keinen Sinn.

"Versprich mir zu kämpfen!" flehte er mich an. Wovon redet er? "Versprich mir, dass du dir nichts antust!" befahl er mir. Was soll das? "Versprich mir, dass du weiterlebst!" ermunterte er mich. Er ist doch bei mir, warum sollte ich dann nicht weiterleben? Bestimmt hat er Angst, ich bekomme auch diese Anfälle. "Versprich mir, dass du dich jemandem anvertraust und dich nicht verschließt!" weinte er mittlerweile. Ok, jetzt bin ich verwirrt! Ich habe doch ihn, was soll das?

Nach diesen verwirrenden Worten richtete er sich noch einmal auf, umarmte mich, küsste mich auf die Wange und legte sich wieder hin. Eine Träne rann aus seinem Augenwinkel und er murmelte: "Es tut mir so leid!". Dann war er auch schon eingeschlafen.

Was hatte er nur? Wieso benahm er sich so seltsam? Hatte es mit dem Koma zu tun?


Was denkt ihr? Was hat Daniel? War das ein Abschied, oder doch nicht?

Ich weiß, das Kapitel ist extrem kurz! Es tut mir leid. Aber ich wollte den Cut unbedingt da!

Stiller Schmerz (BxB) *Überarbeitung pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt