Jenny

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***Tyler***

Diese Augen. Sie wollten nicht aus meinen Gedanken verschwinden. Wie festgeklebt hatte musste ich ständig an diese Augen denken. Diese Augen, dessen Farbe man nicht definieren konnte. Sie hatten etwas braunes, etwas grünes, etwas blaues, etwas gelbes und sogar etwas rotes. Sie waren besonders. Aber ich hatte gesehen, das mehr dahintersteckte. Der Besitzer dieser Augen hatte eine Geschichte. Eine nicht so erfreuliche Lebensgeschichte.

Ich schrieb wieder mal in dem Tagebuch. Es war zu meiner Hauptbeschäftigung geworden. Meine Gedanken schweiften ab, doch dieses mal nicht ausschließlich in die Vergangenheit mit meinem Engel, sondern auch zu diesen Augen. Diese Augen, diese Haare, das selbstsichere Auftreten. Der typische Schlägertyp und doch machte er nicht den Anschein, als wäre er schon immer so gewesen. Da steckte mehr dahinter!

***

Das restliche Wochenende hatte ich geschrieben. Ich war viel am Strand gewesen und hatte in Erinnerungen geschwelgt, doch diese Augen waren wie festgesetzt. Ich glaubte sie überall zu sehen.

Ich stand auf und wusch mich. Ich machte mich fertig, denn heute würde ich zum ersten Mal in die neue Schule gehen. Seit diesen 6 Worten hatte ich wieder aufgehört zu sprechen. Ich setzte mich zu meinen Eltern. Diese zogen sich ebenfalls immer mehr zurück. Meine Mama stürzte sich in ihre Arbeit und mein Vater verkroch sich hinter Büchern. Ich hatte das Gefühl, das es ihn zerstörte, vor allem, weil ich ihnen mehr und mehr entglitt, doch es kam nicht infrage Selbstmord zu begehen, denn dann würde ich meine Versprechen brechen, die ich ja so schon nicht ganz einhalten konnte. Ich hatte sehr lange nicht mehr gelacht, oder auch nur irgendwelche Gefühle gezeigt.

Ich machte mich auf den Weg, in die neue Schule. Als ich davorstand wurde ich wieder angeglotzt und es wurde getuschelt, doch nicht so sehr, wie an der anderen Schule. Diese Leute kannten nur mein Äußeres, nichts von MIR. Und das sollte auch so bleiben. Ich machte mich auf den Weg zum Sekretariat. Auf einmal stand ein Mädchen vor mir. Sie hatte bunte Haare und sah auch so sehr verrückt aus. Sie war mir jetzt schon sympathisch. Sie war kein Abklatsch von jemandem, sondern sie selbst. Auch war sie nur leicht geschminkt. Sie war sehr hübsch, das musste man ihr lassen.

"Hey! Ich bin Jenny! Du bist neu hier oder? Komm ich zeig dir wo du hinmusst!" rasselte sie auch schon breit grinsend runter. Sie quasselte noch etwas von wegen, diese Schule wäre schon sehr alt. Ich hörte ihr nicht wirklich zu. Am Sekretariat angekommen bedankte ich mich mit einem Nicken bei ihr und ging hinein. Die grauhaarige Frau lächelte mich freundlich an und gab mir alles was ich in Zukunft brauchte und schickte mich wieder raus. Als ich den Raum verließ, empfing mich eine breit grinsende Jenny.

"Na! Zeig mal.." mit diesen Worten nahm sie meinen Stundenplan und quiekte plötzlich auf. "Wir haben fast alle Stunden gemeinsam! Komm ich bring dich zum Raum! Du redest nicht viel was?" quasselte sie weiter. Ich nickte nur und folgte ihr verhalten.

Sie machte den Raum auf und sofort lagen alle Augen auf uns. "Wen hast du denn da mitgebracht Jenny?" fragte die etwas ältere Lehrerin freundlich.

"Er redet nicht mit mir, deswegen weiß ich seinen Namen nicht, aber er ist Neu!" erklärte sie breit grinsend. 

"Ok. Na dann setz dich mal Jenny. So und zu dir: Wer bist du?" fragte sie nett. Ich jedoch reichte ihr nur den Zettel und schaute in die Runde aus neugierigen Jugendlichen.

"Ach ja! Stimmt! Du bist dann wohl Tyler stimmt's?" fragte sie, worauf ich nickte. Mein Gesichtsausdruck änderte sich nicht, er blieb kalt wie sonst auch. "Kannst du dich vielleicht vorstellen?" hakte sie vorsichtig nach. Ich überlegte kurz, doch es musste niemand etwas über mich wissen, außer meinen Namen. Als ich grade verneinen wollte, sah ich diese Augen wieder. Sie sahen mich neugierig an und ich konnte nicht anders, als anfangen zu sprechen.

"Mein Name ist Tyler und wir sind umgezogen, weil mein Vater mit seiner Trauer nicht anders klar kam. Bis auf schreiben und neuerdings Kickboxen habe ich keine Hobbys." sagte ich leise und mit tiefer Stimme. Nun erreichten mich verwirrte Blicke, doch ich würde meine Worte nicht erklären.

"Gut. ... Dann setz dich doch neben Jenny oder hat noch jemand Fragen an Tyler?" meinte die Lehrerin verwirrt. 

Ein Mädchen meldete sich. "Was meinst du mit Trauer?" fragte sie irritiert, doch ich sah sie nur kalt an, setzte mich dann in Bewegung und ließ mich neben Jenny fallen.

Auch sie beobachtete mich neugierig und als dann die Stunde begann schob sie mir einen Zettel rüber.

Wie meintest du das? stand darauf.

Ich nahm einen Stift und schrieb zurück, denn ich hatte das Gefühl ihr vertrauen zu können.

Mein Zwilling ist gestorben.

Als ich ihn wieder zu ihr schob hörte ich wie sie scharf die Luft einzog.

Was ist passiert?

Ich las die drei Worte oft durch, doch ich wollte ihr nicht zu viel von mir offenbaren, aus Angst sie wäre angeekelt.

Vieles...

Auf einmal hörte ich ein Schniefen von meiner Seite und sah wie die, bis eben breit grinsende, Jenny weinte. Ich hob die Hand und wartete bis mich die Lehrerin beachtete. Ich deutete nur auf Jenny und verließ dann mit dieser den Raum.

"Was ist denn Jenny?" fragte ich etwas entsetzt, da sie immer mehr weinte. Ich überwand meine Ängste und nahm sie tröstend in den Arm.

"Es ist nichts nur... Naja mein Bruder hatte vor 2 Jahren einen Motorradunfall und.. naja ich bin halt immer noch nicht drüber hinweg!" schluchzte sie, während sie sich an mir festkrallte.

"Er ist immer bei dir. ... Mein Zwilling hatte Panikattacken, wegen unserer Vergangenheit und durch seinen Herzfehler hat er es nicht überlebt..." erzählte ich ihr. Auch mir liefen Tränen über die Wange.

"Wie lange ist es her?" fragte sie geschockt.

"Noch nicht mal einen Monat...." brachte ich unter Tränen raus. Es tat gut, mich ihr anzuvertrauen. Sie tat mir gut. Sie fiel mir um den Hals und so saßen wir auf dem Gang und hielten uns in den Armen, während wir weinten. Ich hatte einfach das Gefühl, se schon ewig zu kennen. Zwischen stimmte einfach die Chemie. Noch nicht mal ein Tag, den wir uns kannten und schon wusste sie so viel von mir. Ich war mir sicher ihr auch alles andere anvertrauen zu können, ohne das sie mich verurteilen würde.

Ich fühlte mich gut bei ihr. Ich konnte zwar meinen Engel nicht vergessen, doch ich wollte sterben, sobald ich ihn vergessen sollte, denn er war mein Lebensinhalt, auch nach seinem Tod noch!

Wieder etwas kürzer. Sorry deswegen! Was haltet ihr von Jenny?

Stiller Schmerz (BxB) *Überarbeitung pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt