***Tyler***
Ich schlug meine Augen auf und sah eine Aussicht, die mir sehr bekannt vorkam. Weiß, alles weiß. Erneut lag ich im Krankenhaus. Kurz schloss ich meine Augen wieder, da ich an meinen Engel denken musste, der oft mit mir, diese Aussicht 'genossen' hatte. Die letzten Monate seines kurzen Lebens zogen wie ein Zeitraffer an mir vorbei. Die vielen Male, die ich dachte, es würde alles wieder gut werden. Nur um enttäuscht zu werden. Ein Schmerz breitete sich in meinem Herz aus. Die vielen Male, die ich meinen Engel bluten gesehen hatte. Sie zerrissen mich. Es war, als würden Klauen, die Wunden in meinem Herzen brutal wieder aufreißen. Mein Körper lag völlig still auf der Liege, ließ niemanden von Außen erahnen, was ich im Inneren fühlte. Eine einzelne Träne schlich sich aus meinem Augenwinkel über meine Wange. Suchte sich ihren Weg auf die Decke.
Die vielen Male, die er gekrampft hatte, so wie ich es heute auch getan hatte. Ich hatte Angst! So viel Angst, denn ich wollte mein Versprechen nicht brechen, wollte aber auch zu ihm. Ich hatte ihm versprochen weiterzuleben. Ich durfte ihn nicht enttäuschen, nicht erneut! Bereits zu oft, hatte ich ihn enttäuscht, hatte meine Versprochen gebrochen, wie Jack damals. Ich war besser als Jack! Tausend mal besser! Ich würde weiterleben!
Mir fiel der Auslöser des Krampfes wieder ein und mein Blick glitt durch den Raum, doch Nikolas war nicht hier, so wie ich es erwartet hatte. Einerseits war ich erleichtert, andererseits auch enttäuscht. Er wirkte immer so einfühlsam! Daniel hatte von mir verlangt mich jemandem anzuvertrauen. Vielleicht war er die richtige Person dazu. Doch wie konnte die richtige Person, Jack so ähnlich sein?
Ich schreckte auf, als die Tür geöffnet wurde. Vor mir stand eine blonde Krankenschwester, die mich musterte und dann das Wort erhob. "Schön das sie aufgewacht sind, Herr Gadt. Es ist jemand da, der sie gerne sehen würde. Er wartet schon seit einer Stunde darauf, dass sie aufwachen." sie klang so schwärmerisch, als würde sie sich wünschen, auch jemanden zu haben, der auf ihr Aufwachen wartete. Als wäre es das beste Liebesgeständnis, dass man jemandem machen konnte. Zu warten.
Irritiert konnte ich sie nur anstarren. Wer würde denn so lange warten, bis ICH aufwachte? Ich war nun wirklich niemand, für den sich das warten lohnte. Ich hätte am ehesten noch Jenny erwartet, doch sie hatte eindeutig gesagt, dass es ein Mann war. War es jemand, der mich in den Keller zurückbringen würde? Panik stieg in mir auf, doch es war vorbei. Ganz sicher! Meine Eltern sicher nicht, denn die waren noch in ihrer tiefen Trauer versunken und dachten nicht mehr daran, dass sie auch noch ein anderes Kind hatten, dass ihre Unterstützung benötigte. Vielleicht war es ja einer meiner 3 Freunde? Vielleicht war es Sven oder Ruben. Vielleicht auch Andy?
Auf meinen irritierten Gesichtsausdruck hin, sagte sie: "Es ist ein Herr Nikolas Johnson. Wünschen sie ihn zu sehen?" Sie war sichtlich verunsichert von meiner Reaktion.
Nikolas? Er wartete eine ganze Stunde auf mein Aufwachen, obwohl er in der Schule sein sollte? Damit hatte ich nicht gerechnet. Wärme füllte mich aus, doch ich wusste nicht, ob ich ihm vertrauen konnte, schließlich war er Jack so ähnlich. Aber er war schließlich nicht Jack. Ich nickte nur und sie verließ erleichtert das Zimmer.
Wieso tat Nikolas so etwas? Wieso mochte er mich nach meinem Anfall noch? Er musste mich doch für verrückt halten! Das war ich ja auch. Oder mochte er mich gar nicht und war nur hier, um mir zu sagen, dass ich mich in Zukunft von ihm fern zu halten hatte.
Erneut ging die Tür vorsichtig auf und die weichen schwarzen Haare, des Jungen schoben sich in den Raum. Anmutig betrat er den Raum und schloss die Tür. Im Türrahmen, den er fast ganz ausfüllte blieb er stehen und sah mich einfach an. Seine bunten Augen, die mich vom ersten Moment an fasziniert hatten, fixierten meine braunen. Fasziniert beobachtete ich die Träne, die aus seinem Augenwinkel rann. Ich versank vollkommen in der Schönheit seiner unergründlichen Augen. Erneut durchflutete mich eine Wärme, die von meinem Herzen ausstrahlte. Es schien eine Ewigkeit gewesen zu sein, in der wir uns nur ansahen, in der ich mich in der Tiefe seiner unbeschreiblichen Augen verlor.
Langsam und anmutig trat er näher an mich heran. Als hätte er Angst mich wie einen Vogel, durch zu schnelle Bewegungen zu verscheuchen. Er bewegte sich beinahe katzenhaft. Auch das erinnerte mich an Jack. Ich konnte nicht anders, als sie ständig zu vergleichen. Ihre Gemeinsamkeiten waren erschreckend.
"Was war mit dir los?" fragte seine tiefe Bassstimme, die mir eine Gänsehaut über den Körper schickte. Erneut sprach er so einfühlsam, wie niemand anderes es konnte. Nicht einmal Jack war so einfühlsam gewesen.
Ich musste an die Szene denken, als ich nicht mehr ihn vor mir sah, sondern Jack. Wie konnte er ihm so ähnlich sein? Auch bei Jack hatte ich dieses Gefühl gehabt, ihm vollkommen vertrauen zu können.
"Du erinnerst mich nur an jemanden." gab ich leise zu, um zu verhindern, dass er merkte, wie traurig mich dies machte, doch ich konnte es nicht aus meiner Stimme halten.
Man sah förmlich das Ineinandergreifen der Zahnräder in seinem Gehirn, bevor er die nächste Frage stellte, die mir vollkommen, den Boden unter den Füßen wegzog. Sie brachte mich zum fallen.
"Kanntest du Jack?"
Als würde ich plötzlich unter Wasser gezogen werden, bekam ich keine Luft mehr. Ich erstarrte völlig. Die Erinnerungen an Jack kamen hoch. Alles was ich je mit ihm erlebt hatte, erlebte ich von neuem. Er war mir ein guter Freund, hatte mich verstanden, mir geholfen und dann.. hatte er mich verraten. Hatte für mich alles nur noch schlimmer gemacht, wofür er entkam. Er war ein riesiges Arschloch gewesen, das mir erst Hoffnungen gemacht hatte, um sie dann zu zerstören! Niemals würde ich ihm das verzeihen können! Niemals!
"Ja." brachte ich mit ausdrucksloser Stimme heraus. Nie wieder würde ich jemanden so nah an mich heran lassen, wie ihn. Ich würde ja sowieso nur enttäuscht werden.
"Du kanntest meinen Bruder?"
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Stiller Schmerz (BxB) *Überarbeitung pausiert*
Teen FictionMit 6 Jahren wurde ich aus meiner kindlichen Realität gerissen und sah eine der schrecklichsten Seiten des Lebens. Dies war mein neues Leben, mein Leben auf dem Sklavenmarkt. Der Kampf ums Überleben fristete mein Dasein 11 lange Jahre lang und mit d...