Das war ihr Abschiedsgeschenk.

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***Tyler***

Jeder federleichte Kuss löste ein gewaltiges Kribbeln, wie eine Lawine, auf meinem Körper aus. Seine sanften weichen Lippen, die auf meinem Körper wanderten, machten mich total verrückt. Ich wollte mehr, einfach mehr von ihm. Seine Hände wanderten immer tiefer an meinem Körper herab. Ich wollte es, ich wollte es so sehr, aber ich war mir nicht sicher, ob ich schon bereit dazu war. Würden die Erinnerungen wiederkommen, wenn  er mich dominierte? Würde ich dem standhalten können oder zusammenbrechen? Ich konnte all dies nicht mit Genauigkeit beantworten. Ich war mir unsicher, aber enttäuschen wollte ich ihn nicht, weswegen ich ihn nicht zurückhielt. Er hob mich wieder von dem wackligen Tisch runter und sah mich fragend an. Ich wusste was er meinte. Würde ich jetzt zustimmen gäbe es kein zurück. Ich würde dies durchziehen.

Einen kurzen Moment zögerte ich, doch dann brachte ich ein Nicken zustande. Ich wusste, dass er bemerkt hatte, dass ich unsicher war, denn eine Sorgenfalte erschien senkrecht zwischen seinen Augenbrauen.  

"Ty wir müssen das nicht machen. Wenn du nicht mit mir schlafen willst, ist das ok, aber du musst mit mir reden ok?" sagte er so sanft, wie er konnte. Ich wollte ihn nicht enttäuschen und hatte Angst, er würde mit mir Schluss machen, aber ich wollte auch ehrlich zu ihm sein.

"Nikki ich will ja, aber es macht mir Angst! Ich weiß nicht, ob dann alle Erinnerungen wiederkommen." Entgegen all meiner Erwartungen, er würde mich anschreien, mich verlassen oder mich auslachen, zog er mich in seine Arme.

"Es ist alles gut Ty. Wir müssen nicht miteinander schlafen! Wenn es dir hilft können wir es ja auch anders herum machen. Wenn du sanft zu mir bist, habe ich damit kein Problem." flüsterte er in mein Ohr. Überrascht fuhr mein Kopf, den ich zuvor auf seine Brust gebettet hatte, erneut zu ihm herum. Ich konnte nicht glauben, dass er gerade wirklich angeboten hatte, ich dürfte ihn dominieren. Das hatte ich noch nie und es war allgemein sein erstes Mal. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er bei seinem ersten Mal in die Rolle der 'Frau' schlüpfen wollen würde.

"Sicher das du das willst?" fragte ich erstaunt und suchte nebenbei sein Gesicht nach einer Regung ab, die mir sagte, er meinte es nicht ernst. Sanft legten sich seine großen Hände um mein Gesicht und das Blau, das in seinen bunten Augen für diesen Moment dominierte, blickte tief in meine Seele. Dieser Blick schien meine verwundete und vernarbte Seele offen zu legen, doch ich hatte das erste Mal kein Problem damit, das jemand sah, wie kaputt ich war.

"Wenn du mir versprichst sanft zu sein. Ich würde alles für dich tun." sagte er überzeugt und mit solch einer Festigkeit in der Stimme, das es mir die Sprache verschlug. Er wusste gar nicht, wie viel mir diese Worte bedeuteten. Das erste Mal fühlte ich mich meinem Zwilling ebenmäßig. Er war immer schöner als ich gewesen, hatte hübschere Augen, eine süßere Nase, einen weicheren Mund. Er war nicht so abgenutzt und kaputt wie ich, seine Narben zerfraßen nicht sein gesamtes Inneres, aber sie hatten tief genug gereicht, um ihn umzubringen. Dieses eine Mal war ich meinem Engel nicht untergeordnet, sondern stand mit ihm auf gleicher Höhe.

Sanfte Lippen auf meinen zogen mich aus den tristen Gedanken, die kurzzeitig wieder in meinem Kopf aufgekommen waren. Der Kuss war vorsichtig, als hätte er Angst, mich wie Glas zerbrechen zu können. Es war nicht genug. Sein Geschmack und Geruch nicht intensiv genug, sein Körper nicht nah genug. Ich übernahm die Kontrolle, dominierte das erste Mal in meinem Leben und es gefiel mir. Meine Hände wanderten auf seinem ganzen Körper, versuchten den Wunsch, seinen kompletten Körper überall zu spüren, zu erfüllen. Ich trat näher an die Liege, die wir Tage zuvor provisorisch aufgestellt hatten, zog ihn mit mir und drückte ihn darauf.

Immer wurde ich nur genommen, konnte nie selbst entscheiden, somit fiel es mir jetzt sehr schwer. Was, wenn es ihm nicht gefiel was ich tat? Was, wenn ich die falschen Stellen berührte? Ich küsste seinen Oberkörper, unsicher, ob er es genießen würde, doch die leisen Stöhner, die er von sich gab, ermutigten mich. Ich wurde sicherer in dem, was ich tat.

Meine Hände wanderten tiefer. Geschickt öffnete ich seine Hose und entfernte das lästige Stück Stoff. Wer brauchte es schon? Unachtsam schmiss ich seine Hose weg, die würden wir diese Nacht sowieso nicht mehr brauchen. Kurz sah ich einfach auf ihn nieder. Ich sah auf den Adonis, der nun bis auf die Unterhose nackt vor mir lag. Entgegen meiner Erwartungen fand ich es nicht befremdlich. Es machte mich an, und wie es das tat. Mein hungriger Blick glitt über seinen wunderschönen Körper und tatsächlich legte sich ein leichter Rosaschimmer auf seine Wangen. Vor allem an dem Zelt in seiner Hose blieb mein Blick hängen. Er schien groß zu sein. Gut, dass wir beschlossen hatten, dass er vorerst nicht in mich kam. Es würde sicher wehtun. 

Schnell entledigte auch ich ich meiner Hose und wollte wieder zu ihm auf die Liege kommen, doch er richtete sich auf und rutschte zu mir an den Rand. Sein Gesicht war direkt vor meinem Schritt, doch es sah nicht danach aus, als wolle er mir einen Blowjob geben. Nein, sein Blick lag auf dem eingeritzten Wort, das unter meiner Leiste stand und welches ich bis jetzt erfolgreich verdrängt hatte. 

Unsicher sah ich auf seine Reaktion. Sein Kiefer war angespannt, sein Gesicht hart wie Stahl. "Wer war das?" fragte er. Seine Stimme kalt und donnernd. Ich bekam Angst und wollte einen Schritt zurücktreten, doch er hielt meine Hüfte fest und blickte nun direkt in meine Augen. Ohne ein Wort zu sagen ging ich in die Knie und drehte mich um, sodass er meinen Rücken sah, auf dem die Markierung für die Gang eingeritzt war. Er zog zischend die Luft ein und ich fühlte, wie seine Finger leicht über die Narben strichen.

"Das war ihr Abschiedsgeschenk." war alles was ich sagte.

Stiller Schmerz (BxB) *Überarbeitung pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt