Nein. Nein. Nein.

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***Fynn***

Endlich konnte Tyler aus dem Krankenhaus und alles normalisierte sich so langsam. Zuhause angekommen fing mein Bruder an Kaffee und Kakao zu machen, Tyler verschwand mit Jenny um mit ihr zu reden und mein Freund und ich redeten. Wir redeten über die Schule und wie es weiter gehen sollte, da er nun auch schon etwas älter war als ich.

"Wollen wir das denn in der Schule auch öffentlich zeigen oder verstecken?" fragte ich unsicher darüber, ob er uns verleugnen wollte oder offen zu unserer Beziehung stand. Er sah mich erschrocken an und sah mir dann ernst in die Augen. Dabei nahm er meine Hände in seine und fing an zu sprechen. "Ich liebe dich! Und ich würde uns niemals verleugnen, aber wenn du keine Sprüche und ähnliches willst, ist das auch ok." versicherte Leon mir und sah mich etwas nervös und unsicher an.

"Ich will auch nicht, dass wir unsere Beziehung verheimlichen. Aber was machen wir, wenn Kai, Julian, und die anderen uns dann ausschließen, weil sie uns nicht mehr mögen?" gab ich zu bedenken. Leon und ich wir hatten eine Art Clique. Darunter waren er und ich, Kai, Julian, Ben, Aiden, Phiola, Isabell, Cosima und Tara. Wir 10 waren sehr eng befreundet, doch hatten wir uns in diesen Ferien kaum getroffen, weil alle bis auf Leon und ich in den Urlaub gefahren waren. Die Geschwister Kai, Aiden und Phiola waren mit ihren Eltern in Italien. Die armen mussten wandern. Isabell und Cosima waren mit Isas Bruder Tyson in die Karibik geflogen, Ben und Tara waren Campen mit beiden Familien, die alle sehr eng befreundet waren und Julian trat einen Europatrip mit seinen großen Geschwistern an. Die beiden waren Zwillinge und schon 19. Sarah und Lukas stritten sich ständig also mussten wir uns nach den Ferien sicher wieder ewige Schimpftiraden über die Beiden anhören. Alle hatten so tolle Ferien und Leon und ich saßen hier, doch das bedauerte ich keines Wegs, denn wir waren zusammengekommen und hatten zueinander gefunden.

"Schatz mach dir keine Sorgen. Du weißt doch wie cool die mit sowas umgehen. Denk doch mal an Bens Schwester Emma. Die haben doch auch voll cool aufgenommen, dass sie homo ist, also wird das schon. Außerdem wünschen sich die Mädels das doch auch immer!" munterte er mich auf und ich wusste, er hatte Recht, doch Angst hatte ich dennoch. Angst ausgeschlossen zu werden. Niemals war ich allein gewesen. Ich konnte mir nicht erklären wieso, da Aiden, Kai, Phiola, Julian und ich schon im Kindergarten enge Freunde waren.

"Ich weiß ja, aber ich mache mir trotzdem Sorgen." zweifelte ich noch immer. Gerade als er mir antworten wollte, klingelte es und ich ging an die Tür. Vor ihr stand ein mir Unbekannter, der mich aber zu kennen schien. Sein Haar war ebenso schwarz, wie mein eigenes und seine Augen bunt gemixt. Er kam mir durchaus bekannt vor, obwohl ich wusste, dass ich den jungen Mann noch nie gesehen hatte. Erstaunt blickte er auf mich nieder und murmelte dann: "Du bist so groß geworden." Das war definitiv etwas zu creepy für mich.

"Wer bist du und was willst du hier?" fragte ich den Typen, jederzeit bereit dazu, die Tür zuzuschlagen.

"Ich bin Jack." sagte der große muskulöse Typ, der mir gerade offenbarte dass er mein totgeglaubter Bruder war.

Immer wieder schüttelte ich panisch den Kopf. "Nein. Nein. Nein. Du bist TOT!" schrie ich ihm entgegen, was ihn zurückzucken ließ.

***Jack***

Seit Tagen haderte ich bereits mit mir. Sollte ich zu ihnen kommen? Jetzt hatte ich sie nach so langer Zeit endlich gefunden, doch konnte ich einfach wieder auftauchen als wäre nie etwas geschehen? Meine Familie hatte ich nun gefunden, doch Tyler war noch immer wie vom Erdboden verschluckt. So lange suchte ich ihn schon. Wir hatten uns draußen treffen wollen, doch er war einfach nicht gekommen. Erst letztens hatte ich durch dieses Video erfahren, dass er überhaupt nicht entkommen war, sondern noch so lange dort gefangen war. Ich fühlte mich schuldig, da ich ihn allein gelassen hatte, auch wenn ich das nicht wirklich mitbekommen hatte. Ich hatte Aaron extra angeschwärzt damit er dafür sorgte, dass Tyler hinauskam und nie wieder hinein musste, so wie sein Bruder, doch hatte er sein Versprechen in allen möglichen Wegen gebrochen.

Aber zurück zur eigentlichen Frage: Sollte ich klingeln? Wieder in ihrem Leben auftauchen? Einfach so? Konnte ich wie aus dem nichts nach 10 Jahren einfach wieder auftauchen und erwarten, dass sie mich wieder bedingungslos in die Familie aufnahmen? Könnte ich das wirklich tun? Und was tat ich, wenn sie mich ablehnten und wegschickten? Würde ich das ertragen? Von meiner einzigen Familie abgewiesen zu werden?

Bevor ich mich selbst noch vergraulen konnte, klingelte ich. Es läutete und mein Lampenfieber stieg mit jeder Sekunde. Ich war so aufgeregt! Würde meine Familie mich erkennen oder hatten sie Fynn überhaupt von mir erzählt?

Die sich öffnende Tür riss mich aus meinen Gedanken. Dahinter stand ein Junge, der in etwa 11 Jahre alt war, schwarze Haare und bunte Augen hatte, aus denen eher das Blau hervorstach. Fynn war so groß geworden! Und er hatte die Familientypischen Haare und Augen. Sein Gesicht war insgesamt recht weiblich. Er kam mehr nach Mom, als nach Dad. Ich konnte nicht an mich halten und murmelte: "Du bist so groß geworden!"

Dieser Satz schien ihn sehr abzuschrecken, denn man sah ihm an, dass er am liebsten die Tür zugeschlagen hätte, doch war er, wie unsere ganze Familie zu neugierig um es tatsächlich zu tun. "Wer bist du und was willst du hier?" fragte er sehr skeptisch und mit zusammengezogenen Augenbrauen.

Ich wusste nicht, ob unsere Eltern ihm von mir erzählt hatten, denn wenn nicht wollte ich nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen, also ließ ich es langsam angehen und nannte ausschließlich meinen Namen.

Mein kleiner Bruder schüttelte panisch den Kopf und sagte immer wieder "Nein!" Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte, denn einerseits machte es mich glücklich zu wissen, dass Nikolas von mir erzählt hatte und andererseits wünscht man sich, so gering die Chance darauf auch ist, eine etwas andersartige Begrüßung. Als er dann schrie, ich sei tot, schockte mich das sehr! Wer hatte ihnen gesagt ich sei tot? Wieso dachten sie das? Wo waren überhaupt Mom und Dad? Sollten sie nicht auch irgendwo sein?

In diesem Moment stürmten 4 Jugendliche den Eingangsbereich. Sofort fokussierten sich meine Augen auf eine Person, die ich schon seit Ewigkeiten suchte. Es war mein kleiner Schützling, mein Tyler. Ich erkannte ihn an der ganzen Art, obwohl er sich sehr verändert hatte!

"Pumpkin." Es war nicht mehr als ein Hauch, doch ich wusste, dass er mich gehört hatte und wusste wer ich war, denn seine Reaktion sprach Bände!


Ok. Es geht weiter. Aber ich wollte nochmal etwas anmerken, denn dieses Kapitel ist auch den Opfern in Orlando gewidmet. Ich habe erst kürzlich davon erfahren, aber wollte einfach in irgendeiner Weise darauf reagieren. Für die, die noch nichts davon gehört haben: Ein homophober 29-jähriger Mann hat in der Nacht des 12. 6. 2016 ein Massaker in einem Nachtklub für Schwule verübt. Er hat 49 Tote hinterlassen und, soweit ich das richtig verstanden habe, waren 53 andere Personen involviert. ... Ich weiß einfach nicht was ich dazu sagen soll... für mich ist es unvorstellbar. Ich kann einfach nicht nachvollziehen, wie manche Menschen so grausam sein können. Jedenfalls ist dieses Kapitel für all die Opfer, für all die Betroffenen und alle Menschen dieser Welt, die nicht krank im Kopf sind und sehen, dass jeder so ist wie er ist und auch ein Mensch so wie du, ich und jeder andere. Wenn man eine Eigenschaft oder sonstiges an einem anderen Menschen nicht ausstehen kann, sollte man sich mit diesen Menschen nicht abgeben, aber es ist kein Grund um irgendwelche unschuldigen Leute niederzumetzeln! Ich kann diese Grausamkeit nicht fassen... Was denken sich solche Leute? Dass sie besser sind? Die sind kein Stück besser! Sie lassen Menschen nicht sein und leben wie sie sind und dafür hasse ich sie, aber dass heißt ja nicht, dass ich gleich losrenne und homophobe Menschen erschieße nur weil ich es hasse, dass sie homophob sind. Sie haben genauso ein Recht zu leben wie ich, aber dieser Mensch, der diese Leute getötet hat, der hat kein Recht zu leben! Man sollte jedes einzelne Menschenleben achten! So.. jetzt habe ich mich genug aufgeregt und heule schon wieder wegen diesem Massaker. Es wäre besser, wenn der Täter kein Massaker sondern einen Amoklauf begangen hätte! Dann gäbe es wenigstens einen solchen Mensch weniger, der anderen schaden kann... Sorry, wegen dem ganzen Text...

Stiller Schmerz (BxB) *Überarbeitung pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt