***Jack***
Nach seiner langen Ansprache, die mich so erschüttert hatte und in der er all seine verschiedenen Gefühle, bis hin zur Gefühllosigkeit, gezeigt hatte, lachte er nun spöttisch und fast schon psychotisch und schüttelte zusätzlich den Kopf, während er sagte: "Ich bin innerlich tot und du denkst du wärst ein Wrack. Du weißt nichts!"
Seine Worte setzten mir unglaublich zu und ließen mich schuldig fühlen. Tränen flossen in Strömen über die Wangen von jedem hier im Raum und ich wollte ihn so gern in den Arm nehmen. Ich wollte ihm versichern, dass er nicht alleine war, es geschafft hatte und ich immer für ihn da sein wollte, so wie ich es früher getan hatte, doch wären er erstens für ihn sowieso nur noch leere Worte, die keinerlei Bedeutung trugen und zweitens würde er diesen Körperkontakt nicht zulassen. Es verletzte mich zu wissen, dass er mir sicherlich nie wieder Vertrauen schenken würde.
"Du hast Recht. Ich weiß es nicht und ich bin so stolz auf dich, dass du trotzdem noch nicht aufgegeben hast, doch habe ich, auch wenn es nur ein Bruchteil von dem war, was du aushalten musstest, auch einige Zeit in dem Keller verbracht. Früher einmal habe ich gedacht stärker als du zu sein, doch wie habe ich mich da getäuscht! Niemand! Niemand ist so stark wie du! Obwohl du so viel Leid erfahren hast, sitzt du nun hier und scheinst wenigstens ein wenig glücklich mit meinem Bruder an deiner Seite." Kurz klang die Verbitterung in meiner Stimme mit, die ich nur schwer verstecken konnte. Es tat weh zu wissen, nun ausnahmslos alles verloren zu haben, doch eventuell waren meine Eltern und die kleine Josephine gnädig mit mir und verziehen mir wenigstens etwas, auch wenn ich nie ein Teil ihres Lebens werde sein können.
"Ich kann mir nicht vorstellen wie es ist, seinen Zwilling zu verlieren, aber ich wollte nur sagen: Es tut mir leid! Ich habe nicht gewusst, dass Aaron dich nicht hat gehen lassen, ansonsten hätte ich versucht dich da raus zu holen. Aber glaube mir, nicht nur du hast in den letzten Jahren gelitten. Auch ich habe geliebte Menschen verloren.-" Ich konnte nicht weitersprechen. Hätte ich doch bloß nicht damit angefangen! Schnell schüttelte ich den Kopf, wischte die Träne auf meiner Wange weg und verscheuchte Phio und Rose aus meinen Gedanken. Ich durfte nicht zusammenbrechen! "Wo sind eigentlich Mom, Dad und Josephine?" versuchte ich das Thema umzulenken, indem ich Niko auf unsere Eltern ansprach, um nicht an den Verlust zu denken. Nachdem ich dies ausgesprochen hatte, brach Fynn zusammen. Er schluchzte hemmungslos in die Schulter seines Freundes, dessen Namen ich noch nicht kannte und eine Woge der Angst überschwemmte mich. Was war geschehen?
Nikolas standen die Tränen ebenfalls in den Augen, als er sagte: "Du hast viel verpasst..."
"Niko was ist mit ihnen!" harkte ich alarmiert nach, doch bekam ich nur eine Träne als Antwort, die sich aus seinem Augenwinkel schlich. "Nein!" schrie ich fast auf, als mir klar wurde, was passiert sein musste. "Nein! Nein. Nein. Das kann nicht sein! Nicht sie auch! Nein." murmelte ich immer wieder vor mich hin. Ich wollte es nicht wahrhaben und versuchte die Erkenntnis zu unterdrücken, dass ich meine Eltern nie wieder sehen würde. So wie sie. War das die Strafe dafür, dass ich Tyler damals allein gelassen hatte? Stand mir all dies Leid zu? Hatte ich es so verdient? Ich kringelte mich auf dem Sofa zusammen und wiegte mich vor und zurück, als sie wieder in meinen Kopf kamen.
"Wieso hast du es zugelassen Jack? Wieso hast du uns damals allein gelassen?" fragte die kleine Kinderstimme in meinem Kopf. Ich sah förmlich wie sich in ihren zarten Kinderaugen Tränen bildeten und ihr Träne für Träne über die Wange rollten. Ich wollte sie wegstreichen, die Kleine in meine Arme schließen und sie niemals allein lassen. Ich wollte auf sie Acht geben, was ich damals nicht tat. Ich wollte alle meine Fehler rückgängig machen, meine Fehler ausradieren.
"Du wusstest doch, dass alle Fehler bestraft werden!" schuldigte mich nun auch die weibliche sanfte Stimme von Phiola an. Trotz der Trauer in ihren Augen sah sie so schön aus, wie am ersten Tag. Selbst im Tod konnte man ihr ihre Schönheit nicht nehmen.
Was hatte ich getan? Wieso hatte ich sie allein gelassen? Wieso? Wenn ich sie nicht allein gelassen hätte, säße ich nun hier nicht allein, doch ich war zu dumm gewesen.
***Nikolas***
Jack rollte sich zusammen und blendete sein Umfeld komplett aus. Er schien wie gefangen von etwas. So hatte ich ihn noch nie gesehen und es machte mir Angst! Er wiegte sich vor und zurück und murmelte immer wieder etwas von "Es tut mir so leid!" oder "Ich wollte es nicht!". Was bereute er so sehr, dass er dadurch psychotische Attacken bekam? Was belastete ihn dermaßen?
Es war schwer für mich zu realisieren, dass die Person, die ich immer als Helden angesehen hatte und von der ich gedacht hatte, sie könnte niemals schwach sein, nun dort vor mir zusammenbrach und das erste Mal menschlich auf mich wirkte und nicht wie ein Gott, als den ich ihn früher gesehen hatte.
Ich hatte den Drang ihn zu trösten für ihn da zu sein, doch wusste ich nicht, ob Tyler damit klarkommen würde. Ich sah zu dem Kleinen, der ebenfalls Tränen in den Augen hatte und einzusehen schien, dass er nicht der einzige war, dem man noch mehr wehgetan hatte, als sowieso schon. Er stand auf und ging zu Jack, setzte sich neben ihn und legte einfach nur die Hand auf seinen Rücken. Dann beugte er sich zu seinem Ohr und flüsterte beruhigende Dinge hinein. "Jack alles wird gut. Niemand tut dir mehr weh. Denk daran sie wachen im Himmel über dich. Niemand wird dich je ganz verlassen solange du es nicht zulässt. Halte sie in deinem Herzen, trage sie durch alle Zeiten deines Lebens und schenke ihnen somit ein wenig Unsterblichkeit. Durch ihren Verlust hast du die Aufgabe ein Teil ihres Lebens mit weiterzuleben. Erlebe viele neue Dinge, lebe für sie." Während Tyler all dies sagte beruhigte sich Jack langsam. Er fasste sich und kam langsam wieder zur Besinnung.
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Stiller Schmerz (BxB) *Überarbeitung pausiert*
Teen FictionMit 6 Jahren wurde ich aus meiner kindlichen Realität gerissen und sah eine der schrecklichsten Seiten des Lebens. Dies war mein neues Leben, mein Leben auf dem Sklavenmarkt. Der Kampf ums Überleben fristete mein Dasein 11 lange Jahre lang und mit d...