Spiel oder Wahrheit

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***Tylers Sicht***

Als ich aufwachte lag Daniel in meinen Armen. Er war zu mir gedreht und hatte einen nachdenklich-schmerzlichen Ausdruck auf dem Gesicht. Eine kleine Träne rollte aus seinem Augenwinkel, seine Wange hinab und fand schließlich ihren Weg auf meine Schulter. Aufmerksam betrachtete ich meinen Zwilling, prägte mir alles ganz genau ein. Er hatte, wie es aussah, noch nicht mitbekommen, dass ich wach war.
Ich wollte wissen, was er dachte, wollte ihn zu mir ziehen und einfach an mich drücken, denn ich konnte noch immer nicht glauben, dass ich ihn wieder bei mir hatte, doch unter diesen Umständen hätte ich mir gewünscht ihm lieber nicht begegnet worden zu sein.

Was hätte er erreichen können, wäre er nicht hier her gelangt? Fragen über Fragen tummelten sich in meinem Gehirn, als würde eine berühmte Band ein Konzert darin geben. Doch Antworten fanden sich keine. Keine einzige Antwort!

Als er gemerkt hatte, dass ich wach war, zog er mich in eine herzzerreißende Umarmung. Ich vergrub mein Gesicht in seiner Halsbeuge und atmete seinen, mir mittlerweile so vertrauten, Duft ein, während er mit seiner Hand über meine Haare fuhr.

Sein Blick glitt durch den Raum und wurde von Sekunde zu Sekunde liebevoller, aber auch trauriger.

"Meint ihr wir können ihm wirklich vertrauen?" fragte Sven kleinlaut und riss mich damit aus meinen Gedanken.

"Schlimmer als jetzt kann es doch gar nicht werden. Also versuchen wir es." versuchte Ruben ihn aufzumuntern. Wir alle wussten, dass es durchaus NOCH schlimmer werden konnte. Allein schon die Tatsache, sie könnten uns trennen ließ mich erschaudern. Es schickte mir eiskalte Schauer über den Rücken und ich drückte meinen Zwilling etwas näher an mich heran.

Egal! Heute müsste ich mit Thomas reden. Ich hoffte nur, dass ich es nicht bereuen würde.

Wie auf's Stichwort trat Thomas in unsere persönliche Hölle hinein, blickte einmal traurig durch den Raum und kam dann schweigend auf mich zu. Vorsichtig drückte ich meinen Zwilling mit einem letzten Kuss auf seine Wange von mir, schaute noch einmal vielsagend und eindringlich zu den Anderen und erhob mich anschließend.

In dem anderen Raum angekommen redete Thomas nicht gerade um den heißen Brei herum. "Wie ich gesehen habe hast du mit den Anderen geredet. Ich hoffe du vertraust mir, denn ich kann das nicht länger mit ansehen!"

Ich fragte mich nur, warum er nicht schon längst etwas gemacht hatte. Er hätte locker die Polizei rufen können. Wieso hatte er es nicht getan?

Als könnte er Gedanken lesen, antwortete mir Thomas sogar. "Uns wurden die Handys und ähnliches weggenommen, da sie uns nicht vertrauten."

"Oh-... Also, wir wollten. ... Naja wir wollten halt... Einen nach dem Anderen..." druckste ich herum, was ihm nicht zu gefallen schien, denn schon fuhr er mich an, ich sollte doch endlich mal ordentlich reden. Er war halt sehr dominant, trotz dessen, dass er uns helfen wollte.

"Wir wollten sie alle nacheinander gemeinsam erledigen, dann nach oben rennen, durch die Tür raus, im Wald aufteilen und zu der Siedlung und da die Polizei verständigen." ratterte ich runter.

"Woher wisst ihr, dass da eine Siedlung ist?" fragte er verblüfft.

"Ich wollte schon mal abhauen." war alles was ich daraufhin sagte.

"Mutig, Mutig. Aber das Problem dabei ist, dass ihr nicht stark genug seid sie fertig zu machen. Selbst mit meiner Hilfe." "Das haben wir auch schon gemerkt, aber es ist die einzige Möglichkeit!"

Nachdenklich sah er mich an und studierte mein Gesicht, während ich immer noch mit mir haderte, ob ich ihm vertrauen konnte oder nicht. "Nicht ganz." erwiderte er dann, noch immer nachdenklich und auf seiner Lippe kauend.

Stiller Schmerz (BxB) *Überarbeitung pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt