Eine Woche später saßen wir auch schon im Auto. Wir fuhren weg. Weg von den Orten, an denen Daniel verweilte, durch die Erinnerungen, die ich damit verband. Es wirkte immer, als wäre er noch lebendig. Als würde er noch lachend durch die Gänge rennen. Die Klippe vor allem, vermisste ich jetzt schon, denn dort waren die meisten Erinnerungen geprägt worden. In der Schule hatten mich immer noch alle seltsam angeguckt. Sie wussten von der Entführung, aber dennoch wusste niemand, was genau passiert war. Gerüchte kursierten, doch ich interessierte mich nicht dafür. Meine Mauern waren gewachsen und standen nun wie Felsen in der Brandung. Niemand konnte sie mehr überwinden. Daniel hatte mich zwar gebeten mich nicht zu verschließen, doch um weiterzuleben konnte ich nicht anders. Hätte ich mich jemandem anvertraut hätte ich sicher nicht weiterleben können. So schwach! Ich war so schwach!
Ich sah aus dem Fenster und beobachtete die vorbeiziehende Landschaft. Bäume verschwammen ineinander und dann sah ich Wasser! So viel Wasser. Bis jetzt hatte es mich nicht interessiert, wo wir hinzogen, doch ich war noch nie am Meer. Früher hatte Daniel immer in den Tierpark gewollt, anstatt an den Strand zu gehen, also war ich niemals dort. Wir hielten vor einem großen Haus. Dies war wohl unser neues zu Hause. Wir hatten ihn wirklich verlassen! Den Ort an dem Daniels Geist verweilte.
Wir packten unsere Taschen aus und brachten alles rein. Ich hatte ein großes Zimmer für mich allein. Es war hell, hatte einen Balkon, von dem aus man aufs Meer blicken konnte. Ein eigenes Badezimmer hatte ich auch. Ich stellte mich auf den Balkon und bewunderte die Ruhe und doch Aufgewühltheit des Meeres. Das Wasser tanzte nur so! Es übertraf meine Erwartungen um längen! Ich zog mir eine Jogginghose und einen luftigen Pullover an und ging mit meinem Tagebuch an den Strand. Dort setzte ich mich in die Dünen und schrieb. Das war zu meiner großen Leidenschaft geworden. Ich hatte mich gezwungen mehr zu essen und hatte mittlerweile 1 Kilo zugenommen, worauf meine Mutter ganz stolz war.
Das was ich geschrieben hatte glich einem Buch, doch es war meine Lebensgeschichte zu der jeden Tag etwas dazukam. Von früher wusste ich noch alles genau. Ich beschrieb meine Schmerzen, einfach alles, doch der Kern drehte sich doch um meinen Engel, den ich nur als solchen bezeichnete. Während ich schrieb, rief ich mir die Erinnerung ins Gedächtnis. Ich wusste noch alles genau. Wusste noch exakt was ich gefühlt hatte, was ich gesagt hatte, einfach alles.
Ich machte mir Kopfhörer rein und hörte Musik. Ich hörte das Lied Steine von Bosse. Es erinnerte mich an mein Leben. Doch wen würde ich finden? Der Text war gewöhnungsbedürftig, wenn man ihn nicht verstand, doch ich hatte meine eigene Interpretation des Liedes. Es war eines meiner Lieblingslieder. Die Musik fing mich auf, se gab mir Halt, seit mein Engel es nicht mehr konnte. Wessen Hände würde ich wohl finden? Wessen Hände würden mir Halt geben? Würde es jemanden geben, der ein gebrochenen Jungen wie mich lieben könnte? Sicher nicht, doch es war ein schöner Traum.
Ich hörte das Lied in Dauerschleife und schrieb mir die Seele aus dem Leib. Durch das Schreiben schien er wieder bei mir zu sein. Er schien neben mir zu sitzen, seinen Kopf auf meine Schulter legen. Er schien in die Weite des Meeres zu sehen. Wenn er noch leben würde, wäre es so? Würde er gedankenverloren in die Wellen gucken? Und was würde er denken? Ich schrieb alles auf. Es war eine Therapie! Es tat so gut! Es brachte ihn mir wieder näher. Ich erinnerte mich selbst sehr an die Mutter der Leukämiekranken in dem Film Beim Leben meiner Schwester . Ich hatte Daniel auch nicht gehen lassen wollen und war deswegen blind seinen Bedürfnissen gegenüber geworden. Ich hatte ihn wahrscheinlich dadurch umgebracht, denn wäre ich nicht so egoistisch gewesen hätte ich für ihn da sein können. Wäre ich nur aufmerksam gewesen! Doch ich war zu egoistisch! Einfach zu egoistisch...
Als die Sonne unterging machte ich mich auf den Weg nach Hause. Ich aß, machte mich bettfertig und legte mich hin. Meine Mutter hatte mich bei einem Sportkurs angemeldet. Kickboxen... Mal sehen wie das werden sollte. Morgen war meine Schnupperstunde. Mal sehen wer da so sein würde.
Ich weiß, wiedermal etwas Kurz, aber das war nur ein Lückenfüller, denn jetzt geht es richtig los ;D
DU LIEST GERADE
Stiller Schmerz (BxB) *Überarbeitung pausiert*
Teen FictionMit 6 Jahren wurde ich aus meiner kindlichen Realität gerissen und sah eine der schrecklichsten Seiten des Lebens. Dies war mein neues Leben, mein Leben auf dem Sklavenmarkt. Der Kampf ums Überleben fristete mein Dasein 11 lange Jahre lang und mit d...