Nicht mein Engel...

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Durch ein monotones Piepen wachte ich auf und dachte schon ich hätte alles nur geträumt, doch als ich meine Augen aufschlug, sah ich, dass ich an diesen Monitor angeschlossen war und dieser meine Herztöne aufzeichnete und nicht seine. Es war wirklich geschehen.

Wie oft hatte ich ihn angefleht zu bleiben? Wie oft hatte ich ihm gesagt, wie sehr ich ihn brauchte? Wie oft hatte ich ihm gesagt, dass er mein Ein und Alles war? Wie oft hatte ich ihm gesagt, wie sehr ich ihn liebte? Wie oft hatte ich ihm gesagt, dass ich nur wegen ihm überhaupt lebte?

Offensichtlich nicht oft genug. Ich dachte an alle Momente zurück, in denen wir zusammen waren. Alle Momente, in denen ich ihm im Arm gehalten hatte. Alle Momente, in denen wir gespielt hatten und einfache Kinder sein durften. Alle Momente, in denen ich mir gewünscht hatte, ihn bei mir zu haben und es doch nicht wollte. Alle Momente, in denen ich ihn hatte leiden sehen. Ich vermisste alle davon! All die Zeit die wir hatten.

Unbewusst hatte ich angefangen zu weinen. Nun saß ich da, in einem Krankenhaus, in einem weißen Raum, auf einem Krankenbett, die Beine angezogen und die Arme um diese geschlungen, mit geschlossenen Augen. Nicht wahrhaben wollend (gibt es das überhaupt?), dass mein zweites Ich nicht mehr bei mir, auf dieser Erde verweilte. Es war schwer, so unglaublich schwer zu begreifen, dass er einfach nicht mehr da war. Schluchzend und weinend vergrub ich mich in meinen Kissen. Ich versuchte die Realität zu vergessen und in einer Welt zu ertrinken, in der mein geliebter Engel noch bei mir war. Ja. Definitiv hatte ich ihn geliebt, aber anders als man sich Liebe jetzt vorstellte. Ich hatte ihn nicht geliebt, wie diese eine Person, mit der ich mein Leben verbringen wollte, mit der ich Kinder haben wollte und mit ihr Alt werden wollte. Vielmehr hatte ich ihn geliebt, wie meinen Bruder, meinen besten Freund, diese eine Person, die man nicht verlieren wollte, egal was passierte. Einfach nicht im romantischen Sinne.

Nun war er fort, doch ich versuchte diesen Fakt so weit von mir zu schieben, wie ich es konnte. Vor ein paar Stunden noch konnte ich ihn fühlen. Ich wusste, das er da sein würde. Ich wusste, auch wenn er mal nicht da war, das er irgendwo da draußen war. Jetzt fühlte ich ihn nicht mehr. Ich fühlte, das er weg war. Es war so leer, wie ich mich noch nie gefühlt hatte.

Ein stechender Schmerz drang in meine Brust, als wen mir jemand die Luft zum atmen nehmen würde. Nein. Schlimmer! Alles in mir zog sich zusammen, verkrampfte.

Er war weg. Er hatte mich verlassen! Er war wirklich GEGANGEN!!! NEIN!!!! NEIN!!! DAS DURFTE NICHT SEIN! N-E-I-N!!!!!

Ich schrie! Schrie alles heraus. Den ganzen Schmerz. Nicht darauf achtend, dass ganz viele Ärzte, meine Eltern und Freunde in den Raum gestürzt kamen. Nur einer könnte mich jetzt beruhigen, aber der war weg!

Ich hörte die Leute panisch zu mir sprechen, aber achtete nicht darauf. Ich wolle nur den ganzen Druck auf meiner Brust hinausschreien. Erneut war das Feuer in mir ausgebroch und hatte alles betäubt, außer den Schmerz. Umso mehr ich realisierte, dass Daniel, mein Engel, nun wirklich ein Engel war, desto größer wurde mein Schmerz.

Auf einmal hörte ich aus weiter Ferne leise die Stimme meines Zwillings. "Versprich mir zu kämpfen!" Seine Stimme wurde immer deutlicher und ich versuchte mich nur auf sie zu konzentrieren. "Versprich mir, dass du dir nichts antust!" Langsam versiegten meine Tränen und ich beruhigte mich wieder. "Versprich mir, dass du weiterlebst!" Ich wollte ihm so gerne seinen letzten Wunsch erfüllen. Durchhalten! Ich würde das durchhalten. Für IHN! "Versprich mir, dass du dich jemandem anvertraust und dich nicht verschließt!" Ob ich das hinbekommen würde, wusste ich nicht, doch ich wollte es versuchen.

Ohne auf die Ärzte, meine Familie und Freunde zu achten, die immer noch versuchten meine Aufmerksamkeit zu erlangen, schloss ich meine Augen und versuchte Einzuschlafen. Erneut rannen mir stille Tränen aus den Augenwinkeln, die Wangen hinab.

Doch all die Zeit, blieb das erdrückende Gefühl auf meiner Brust. Der Verlust des wichtigsten Menschen in meinem Leben.

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Ich weiß, es ist wieder sehr kurz, aber ich versuche, die Kapitel jetzt wieder länger zu machen.

Stiller Schmerz (BxB) *Überarbeitung pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt