Kapitel 41 - „Ja... ja es war... mein Ernst."

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Kurz hörte man auf dem Flur etwas poltern und dann fiel eine Tür ins Schloss. Er hatte es also nicht gehört... es war als ob etwas tief in mir zerriss. Es entstand ein Schmerz, den niemand so schnell wieder heilen können würde. Ich fing heftig an zu schluchzen, so stark wie ich es schon lange nicht mehr getan hatte. Im nächsten Moment spührte ich etwas auf meinem Bein. Ich erschrak leicht, sah aber dann in die besorgten Augen meiner großen Tochter. „Wieso bist du traurig Mami?" „Weil... weil der Raul böse auf mich ist und deswegen jetzt gegangen ist." Ich schniefte einmal ziemlich unmädchenhaft und versuchte mich etwas zu beruhigen. Lennja sah mich bloß verwirrt an. „Aber Raul ist doch nicht weg Mama. Er steht doch da noch." Sie drehte sich um und zeigte auf den Türrahmen, wo besagter Finne tatsächlich noch stand. Nicht fähig etwas zu sagen starrte ich ihn einfach nur an. Lennja verschwand wieder in ihr Zimmer und murmelte im vorbeigehen noch ein gute Nacht Mami. Raul stellte seine Tasche einfach in der Tür auf den Boden ab und kam auf mich zu, kniete sich vor mich. Diesmal zog er meine Hände in seine und strich mir ein paar Tränen aus dem Gesicht. „Was du eben gesagt hast... war dass dein Ernst?" Ich konnte ihn nicht ansehen, hauchte aber trotzdem etwas kaum hörbares. „Ja... ja es war... mein Ernst." Er stand auf, kurz hatte ich Angst dass er einfach wieder ging, aber dass war unbegründet, denn im selben Moment zog er mich mit hoch und presste mich fest an sich. „Ich liebe dich auch Kim. Ich liebe dich auch." Und tatsächlich hätte ich in diesem Moment einfach nicht glücklicher sein können.
Ich kann nich sagen, dass die nächsten Monate komplett ohne Schwierigkeiten verliefen, aber das was zwischen Raul und mir war entwickelte sich von Tag zu Tag zu einer wirklich festen Beziehung. Er war damals dann doch geblieben. Wir hatten noch lange miteinander gesprochen. Ich musste ihm bestimmt tausend Mal versichern, dass ich es wirklich ernst meinte. Riku war logischer Weise wieder etwas in den Hintergrund gerückt, aber ich war ihn jetzt öfters besuchen. Oft sogar mit den Kindern und ab und zu war Raul auch dabei. Finn hatte sich in den letzten Monaten auch rasend schnell weiterentwickelt. Er lief inzwischen schon mit Hilfe und sprach einzelne Worte, wie Mama oder Hunger. Das Wort Papa hat er bis heute noch nicht einmal ausgesprochen. Was auch ganz gut ist, denn sollte trotz allem Riku vorbehalten bleiben. „Süße?" „Hmmmm..." Ich war an diesem Morgen noch ziemlich müde, hatte noch nicht wirklich Lust aufzustehen. Doch wurde ich schon von einem Arm umgedreht und sah im nächsten Moment in das verschlafene Gesicht meines Freundes. „Was ist denn?"  „Finn hat in zwei Wochen Geburtstag... Willst du da irgendwas besonderes machen?" Ich seufzte und kuschelte mich dicht an ihn. „Ich weiß noch nicht... können wir darüber reden wenn wir beide richtig wach und auch aufgestanden sind?" Er nickte liebevoll und zog mich noch einmal dichter an sich, drückte mir einen Kuss auf die Lippen. Finn hatte also bald Geburtstag. In zwei Wochen... Ob Riku den ersten Geburtstag seines Sohnes miterleben würde? Die Hoffnung dafür war in mir nicht wirklich groß... außer es würde jetzt noch ein Wunder passieren. Zwei Wochen dann würde Finn eins... das hieß auch, dass Riku jetzt bereits seid über einem Jahr im Koma lag.
➡ Jetzt waren es noch 814 Tage... ⬅
Wenig später stand ich auf und ging erstmal in das Zimmer meines Sohnes. Er brabbelte in seinem Bettchen schon leise vor sich hin. Ich zog das Rollo auf, sodass es hell im Zimmer wurde. Als ich mich etwas über das Bett beugte und Finn mich dann erblickte streckte er sofort seine kleinen Ärmchen nach mir aus. „Mama." Lächelnd hob ich auf meinen Arm. „Morgen mein Großer. Du hast bald Geburtstag was? Willst du da was besonderes machen? Ich bin echt ratlos." Er sah mich aber nur mit großen fragenden Augen an. „Buutag?" Ich kicherte leis, verließ sein Zimmer und ging in die Küche. Es war wirklich zu süß wie er immer versuchte mir Wörter nach zu sprechen. Etwas später kam Raul auch in die Küche. Ich bekam noch einen Kuss auf sie Lippen und Finn aufs Haar. „Hast du Ideen für Finns Geburtstag?" „Nicht wirklich..." „Buutag?" Lachend sah ich zu Finn. Auch Raul sah belustigt aus. „Ja, dein Geburtstag Schatz." „Wie wärs vielleicht mit in den Zoo... oder so?" Ich zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung ob dass das Richtige ist... Finn? Willst du in den Zoo?" Er sah mich Händeklatschend an. „Zoooooo." Ob er allerdings auch wusste, was ein Zoo überhaupt ist, war mir schleierhaft.
Am Nachmittag wurden die Kinder von meinen Eltern abgeholt, damit Raul und ich mal wieder etwas mehr Zeit für uns hatten. „Bereitet dir irgendwas sorgen Kleines?" Meine Raul als er sich zu mir setzte. „Nein... ja... also irgendwie schon." Schmunzelnd zog er mich in seine Arme. „Alsooo was ist los mit dir?" Ich seufzte. „Naja Finn und sein Geburtstag." „In wie fern?" „Er wird ein Jahr alt und kennt Riku nicht. Du bist im Moment mehr Papa für ihn als Riku je könnte. Ein Wunder das er dich noch nicht so genannt hat." „Findest du?" Ich sah ihn an und strich vorsichtig über seine Wange. „Ja auf jeden Fall. Er kennt doch eigentlich nur dich an meiner Seite. Wenn Finn versteht was überhaupt los ist... müssen wir ihm unbedingt klar machen wie es wirklich ist. Ich hoffe du versteht das." Und natürlich verstand er es. Raul war einer der verständnisvollsten Menschen die mir je begegnet waren. Am Abend im Bett kuschelte ich mich wieder dicht an ihn. „Wollen wir morgen mal gucken wie teuer der Zoo wäre für Finns... Buutag." Das letzte Wort brachte mich zum kichern. Bei ihm hörte sich das nicht süß an sondern eher bescheuert. „Hey. Lachst du mich etwa aus?" Grinsend schon ich mich ein Stück nach oben und presste meine Lippen auf seine. „Nein gar nicht. Wie kommst du bloß darauf?" „Hmmm. Ja wie komm ich bloß darauf?" Und damit hatte er uns umgedreht sodass er fast komplett auf mir lag. „Ich liebe dich Kleines." Ich schloss meine Arme um seinen Hals und zog ihn zu mir nach unten. „Ich liebe dich noch viel mehr."
Ich liebte diesen Mann. Es war so unglaublich und dass wurde mir von Tag zu Tag mehr klar. Die Gefühle für Rikü waren kaum noch da, weit in den Hintergrund gerückt oder vielleicht auch eher verdrängt. Ich war im Moment glücklich und das war auch gut so. Nachdem wir miteinander geschlafen hatten, zogen wir uns beide ganz schnell Klamotten über, schließlich konnte jeder Zeit eins von den Kindern rein platzen. Dann kuschelten wir uns wieder ganz dicht aneinander. Raul schlief ziemlich schnell ein, aber ich hatte irgendwie ein ungutes Gefühl im Magen, sodass ich noch eine ganze Weile wach blieb. Also bekam ich auch mit, das die Schlafzimmertür leise aufgeschoben wurde und sich wenig später ein kleiner Kinderkörper zwischen uns quetschte. „Ich kann nicht schlafen Mami...", meinte Lilja mit großen müden Augen und drückte sich an mich. „Darf ich hier bleiben?" Ich nickte, gab ihr noch einen Kuss auf die Stirn und ein paar Minuten später war sie dann tatsächlich doch eingeschlafen. Ich lag weithin eine halbe Ewigkeit wach, bis irgendwann plötzlich eine Hand über meine Wange strich. „Wieso schläfst du nicht Kleines?" „Mir geht's irgendwie nicht so gut... ich weiß auch nicht. Ich kann auf jeden Fall nicht richtig schlafen." Raul probierte mich, sogut es mit dem Kind zwischen uns ging, in den Arm zunehmen, was aber eigentlich keinen Nutzen hatte, da mir genau im selbem Moment tierisch schlecht wurde und ich nur noch aufsprang, zum Klo rannte und mich übergab.

Stormy End (Sunrise Avenue FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt