Kapitel 7 - „... Denk doch an das Baby in deinem Bauch."

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An dieser Stelle möchte meine Erzählung kurz unterbrechen. Der Schriftsteller Urs Widmer sagte einmal „Ich habe meine Ängste in Geschichten verwandelt." Genau das tue ich hier gerade in gewisser Weise auch. Ich erzähle euch meine Geschichte und in dieser Geschichte wird es jetzt einen entscheidenden Wendepunkt geben. Einen Wendepunkt der alles veränderte und jeden in meinem Umfeld beeinflusste. Viele der darauf folgenden Ereignisse sind für mich selbst jetzt noch schwer zu glauben. Wisst ihr, wie es sich anfühlt wenn einem das wichtigste im Leben weggenommen wird? Es schmerzt so sehr. Mann hat das Gefühl als ob einem der Boden unter der Füßen weggerissen wird und man fällt. Unendlich tief und unendlich lang. Warum ich das jetzt erwähne? Genauso fühlte ich mich damals nach dem Gespräch am Telefon und es wollte eine lange Zeit einfach nicht aufhören. Nun aber weiter...

„Spreche ich mit Kimberly Rajamaa?" Ich bekam Angst. Was wollten die von mir? Eben konnte ich sehen, dass die Nummer des Anrufers vom Krankenhaus war. „J...ja?" Die Stimme räusperte sich. „Hier spricht Doktor John Meyer. Ich habe leider schlechte Nachrichten für sie." Mir wurde immer unwohler. Warum für mich? Samu lag doch im Krankenhaus und nicht irgendwer aus meiner Familie. „Hören sie. Es geht um ihren Mann. Riku Rajamaa." Verdammt warum bloß Riku? Es war doch wohl nichts passiert! Hatte er sich deswegen den ganzen Tag nicht gemeldet? Meine Atmung wurde ungesund schnell und ich atmete nur noch stockend. „Nun ihr Mann hatte heute mittag einen schweren Autounfall und schwebt jetzt in sehr großer Gefahr. Wir haben Mühe ihm am Leben zu halten. Vielleicht wäre es gut, wenn sie vorbei kommen und sich gegebenenfalls von ihm verabschieden." Wie in Trance verabschiedete ich mich von ihm und lies das Telefon einfach fallen. Dann setzte ich mich an den Tisch und sah auf ein Familien Bild an der Wand. Mit einem Schlag registrierte ich jetzt wirklich was passiert war. Ich fing an heftig zu weinen und konnte mich eine halbe Ewigkeit nicht beruhigen. Nicht Samu würde sterben... sondern Riku.

„Mami?" Ich zucke leicht zusammen als ich Liljas Stimme hörte. Meine Beine hatte ich nah an meinen Körper gezogen und hielt sie fest umklammert. Wie sollte ich ihr das bloß erklären? Sie liebte ihren Vater so sehr und hing so sehr an ihm. Immer wenn Riku mal da war,  war ich fast komplett abgeschrieben. Langsam versuchte ich nich etwas zu beruhigen, sie musste das ganze jetzt noch nicht mitbekommen. Als ich dachte, es würde einigermaßen gehen hob ich meinen Kopf und sah zu der kleinen Maus. Doch als ich in ihr Gesicht sah liefen nur noch mehr Tränen über mein Gesicht. Das würde sie noch nicht verstehen und Lennja genauso wenig. Die Kleine tapste auf mich zu und sah mich fragend an. „Warum bist du traurig Mami?" Sie zitterte und ich schüttelte nur schwach den Kopf. „Soll ich dich in den Arm nehmen Mami?" Sie streckte ihr kleinen Arme nach mir aus. Einmal tief durchatmend zog schloss ich sie in meine Arme und küsste leicht ihre Haare. „Ich hab dich lieb Mami." Ich kniff die Augen zusammen. Würde sie mich auch noch lieb haben, wenn ich ihr eventuell sagen müsste, dass ihr geliebter Papa nicht mehr zurück kommt? „Ich hab dich auch lieb Süße."

Sie sah mit ihren kleinen Augen zu mir hoch. „Wo ist denn Papi?" Ich biss mir auf die Lippe. Ich konnte ihr doch nicht sagen was wirklich los war, aber anlügen wollte ich sie auch nicht. „Naja weist du Schatz dem Papa geht's nicht so gut und deswegen leistet er Onkel Samu jetzt eine Weile Gesellschaft im Krankenhaus, um wieder gesund zu werden." Ihre Augen weiteten sich leicht vor Überraschung und ich sah eine Tränen über ihre Wange kullern. Vorsichtig strich ich diese weg und drückte sie wieder an mich. „Du brauchst doch nicht weinen Schatz. Es wird alles wieder gut." Hoffentlich, fügte ich in meinen Gedanken noch an und musste schon wieder aufkommende Tränen unterdrücken. „Aber ich will nicht das Papa krank ist." Lilja vergrub ihren Kopf in meinem Shirt und nach ein paar Momenten, konnte ich spüren wie es immer nasser wurde. Die Wahrheit würde sie doch nie verkraften und Lennja auch nicht. Genau diese betrat gerade den Raum und sah uns fragend an. Ich streckte ihr meine Hand entgegen, welche sie dann ergriff und zog sie ebenfalls neben mich. „Was ist denn los Mama? Wieso weint Lilja?"

Ich schluckte einmal. „Dem Papa geht's nicht so gut Maus." Sie kuschelte sich an mich. „Und wieso nicht? Was hat er denn?" Mir durch meine Haare streichend seufzte ich einmal. Genaues wusste ich ja auch noch nicht, nur das es wohl ziemlich schlecht um Riku stand. „Das weiß ich noch nicht genau, aber ich fahr gleich ins Krankenhaus um nach ihm zu gucken." Lilja wimmerte inzwischen immer mehr. „Dürfen wir mitkommen?" Zaghaft schüttelte ich wieder meinen Kopf. „Es ist besser wenn ich erstmal allein fahre und gucke wie es ihm geht. Du passt Bitte solange auf deine Schwester auf ja?" Lennja nickte und nahm Lilja an die Hand. Diese klammerte sich aber eher an mich und ich gab ihr noch einen Kuss auf die Stirn. „Es wird alles gut Mäuschen." Vorsichtig stand ich auf, verabschiedete ich mich von den beiden und zog mit einem letzten Blick zurück die Haustür zu. Ob je wieder alles wie früher werden würde? Schniefend stieg ich in den Wagen und lies mich erstmal in den Sitz zurück fallen. Wieder konnte ich nicht verhindern das die Tränen ohne sichtbares Ende liefen. Ich konnte nicht mehr. Ich wollte meinen Mann und Vater meiner Kinder zurück. Ich wollte Riku zurück.

Auf der Fahrt zum Krankenhaus fuhr ich sichtlich zu schnell, aber das War mir vollkommen egal. Ich wollte nur noch bei Riku sein können und ihm sagen können das alles wieder gut wird. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, wenn ich nicht selber gefahren werde, da ich immer noch stark zitterte und meine Augen von Tränen verschleiert waren. Zum Glück war mir damals nichts dabei passiert. Mit einem Knall schloss ich endlich ankommen die Auto Tür und ging Richtung Krankenhaus. Wie ich diese Orte doch hasste. Meistens hießen sie Schmerz, Leid und Trauer. Mich innerlich zudammreißend erkundigte ich mich an der Rezeption nach der Zimmer Nummer von Riku. Wie erwartet lag er auf der Intensivstation. Es musste ja wirklich verdammt schlecht um ihn stehen. Die Angst übermannte mich mit jedem Schritt, dem ich seinem Zimmer näher kam mehr. Vielleicht hätte nicht alleine herkommen sollen. Vor diesem Zimmer saßen zwei Personen die ich nur allzu gut kannte. Innerlich war ich etwas erleichtert nicht ganz alleine zu sein. Es waren Rikus Eltern, meine Schwiegereltern. Aino, Rikus Mutter kam gleich als sie mih erblickte auf mich zu und schloss ihre Arme um mich. „Endlich bist du da." Jetzt brach es entgültig in mir. Ich fing hemmungslos an zu schluchzen und beruhigte mich einfach nicht. Irgendwann fing Toivo, Rikus Vater an mir über den Rücken zu streichen, aber es half nicht wirklich viel. „Versuch dich etwas zu beruhigen Kimberly. Denk doch an das Baby in deinem Bauch.", meinte sie mit ruhiger Stimme. Allerdings klammerte ich mich nur noch mehr an sie und kniff die Augen zusammen. Könnte das nicht alles nur ein böser Traum sein?

Stormy End (Sunrise Avenue FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt