Kapitel 21 ✔️

37K 1.6K 158
                                    

"Okay, was willst du?", platzte es patzig nach ein paar Minuten aus mir heraus. "Willst du mir auch vorwerfen, dass ich Tobias getötet habe? Dass ich ne verdammte Mörderin bin?"
Er schwieg, was schlimmer war, als wenn er mich, genau wie die anderen, als Mörderin beschimpft hätte. Ich griff nach meiner Tasche und wollte gehen. Plötzlich packte er mich am Arm und zog mich wieder auf die Bank.
"Du hast Tobias nicht getötet.", sagte er. Ich glaube, dass es das erste Mal war, dass ich ihn reden hörte. Seine Stimme war angenehm und tief.
"Wieso denkst du das?", wollte ich wissen. "Die anderen glauben das doch auch!"
"Ich tu es aber nicht.", entgegnete er. Das Gesicht immer noch ohne Emotionen. "Die anderen sind nur so auf dich fixiert, weil sie den Mist, den du erzählt hast, glauben."
"Was? Welchen Mist?"
"Dass du einem anderen Rudel angehörst!", antwortete er und mein Herz setzte für einen Moment aus. "Du gehörst keinen anderen Rudel an, Mel. Denn das würde man merken."

Er wusste es.
"Wir merken wenn Lykaner aus fremden Rudeln auf unserem Territorium sind. Bei dir wusste es niemand, bis du in der Schule Donnerstag aufgetaucht bist."
Ich konnte ihn nur mit offenem Mund anstarren. Das hieß zwar, dass er die Wahrheit über die Sache mit dem Rudel wusste, aber das bedeutete nicht, dass er auch wusste, dass ich ohne das zweite Gesicht geboren wurde.
"Lass die anderen reden.", meinte Zarek und stand auf. Ich blickte zu ihm hoch und sah in seine blauen Augen. Sie erinnerten mich an das unendlich weit scheinende Meer.
"Das ist nicht so einfach!", entgegnete ich niedergeschlagen.
"Vielleicht. Aber du musst dir klar machen, welchen Wert du den Sprüchen der anderen zusprichst.", stellte er klar. "Entweder gibst du unter dem Druck der anderen nach und gibst ihnen damit zu verstehen, dass du wirklich Schuld am Tod von Tobias bist oder du reißt dich verdammt nochmal zusammen und kämpfst! Ist dir überlassen."

Ohne ein weiteres Wort verließ Zarek die Umkleide und ließ mich alleine sitzen. Ich atmete durch. Verdammt! Er hatte Recht. Die anderen warteten doch nur darauf, das ich zusammen brach um sich auf mich zu stürzen, wie hungrige Wölfe auf ein verwendetes Reh. Er hatte Recht! Ich nahm meine Tasche und verließ die Umkleide. Ich hatte mir vorgenommen, stark zu sein und das würde ich jetzt auch sein. Doch meine Definition von stark sein, war vielleicht anders, als Zarek seine.
Die Gänge waren leer und man konnte nur meine Schritte auf dem Boden hören. Ich kann am Sekretariat vorbei und sah, wie Mrs. Kings mir aufmunternd zulächelte. Ich nickte ihr zu und ging weiter. Doch ich bog nicht in die Richtung zu meinem Raum, in dem ich jetzt eigentlich Mathematik gehabt hätte, ab sondern lief zum Ausgang. Ja, stark sein hatte für mich definitiv eine andere Bedeutung!

Kate war nicht zu Hause wie ich feststellte, als ich die Eingangstür hinter mir schloss. Ich ging nach oben und kramte meinen Laptop aus meinem noch immer nicht geleerten Koffer. Der Akku war zum Glück noch voll, als ich mich einloggte und Skype öffnete. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es in der Schweiz gerade gegen drei Uhr nachmittags war. Also startete ich den Videoanruf an meine beste Freundin Klara. Es dauerte etwas, aber sie nahm den Anruf an. Ihr Gesicht erschien etwas verpixelt auf dem Bildschirm, doch das störte mich nicht, da ich mich sofort besser fühlte, als ich sie sah.
"Salut!", begrüßte sie mich freudig auf französisch. Ich lächelte und fragte ob wir uns auch deutsch unterhalten konnten, obwohl ich wusste, dass ihr Deutsch nicht ganz so gut war.
"Natürlich.", sagte sie und sah mich fragend an. "Was ist los? Du schaust so traurig aus."
"Ich hätte nicht herkommen sollen. Das ist los!", antwortete ich und fuhr mir durch die Haare.
"Ach Chéri, erzähl mir was passiert sein ist. Pardon!"
Ihr französischer Akzent war einfach zu süß und nicht darüber zu lächeln.
"Hast du denn gerade Zeit?", fragte ich, da ich wusste, dass ihr Stundenplan ziemlich voll war.
"Ja, mein letzter Kurs für heute ist entfallen. Jetzt erzähl mir alles!"

Das tat ich auch. Klara war einige der wenigen in meiner Familie die ein Mensch war. Ich hatte im Internat nicht viele Freunde gehabt, aber die wenigen die ich dort hatte, waren wirklich meine Familie und ihn war es egal, dass ich ohne das zweite Gesicht zur Welt gekommen war. Bei Paul, Adam und Sofia hatte es mich nicht gestört, dass die drei Lykaner waren, denn in Klaras und meiner Gegenwart, waren sie immer menschlich. Es gab kein Geknurre oder Zähnefletschen. Keine öffentlichen Raufereien oder Territorialkämpfe. Zu Hause war alles irgendwie... zivilisierter abgelaufen als hier. Als ich fertig war, wischte ich mir die Tränen von der Wange und sah Klara wieder an.
"C'est terrible!", rief sie und schüttelte böse fluchende den Kopf. "Was auch immer du vorhast, dein Zimmer bei uns im Haus ist noch da. Du wisst, dass wir dich lieb haben und du immer wieder zurück kommen kannst."
"Danke Klara!"
"Wir stehen hinter dir, ma Chéri!", sagte sie und warf mir einen Handkuss zu. "Salut, Mel!"
"Salut.", verabschiedete ich mich.

______________________________

Hii 🐞
Das Kapitel ist etwas länger geworden als die davor aber nur knapp um hundert Wörter - also was solls😋
Was würdet ihr in Mel's Situation jetzt machen? Kämpfen oder nachgeben?

LG Jessy 🎀🌸

Wolfsblut - GefährtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt